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       # taz.de -- Spanien-Rundfahrt als Therapie: Rache auf dem Rad
       
       > Der slowenische Radprofi Primoz Roglic, gezeichnet bei der Tour de
       > France, rehabilitiert sich regelmäßig bei der Spanien-Rundfahrt. So auch
       > jetzt.
       
   IMG Bild: Im Bund mit Nemesis: Vuelta-Favorit Primoz Roglic aus Slowenien
       
       Vergeltung kann süß sein. Vor gut einem Monat schien der Slowene Primoz
       Roglic noch der große Verlierer des Radsports zu sein. Von Stürzen geplagt
       und moralisch am Boden verließ der Mitfavorit um den Gesamtsieg der Tour
       der France nach der achten Etappe das Rennen. Tatenlos musste er zusehen,
       wie sein Landsmann Tadej Pogacar den zweiten Toursieg hintereinander holte.
       
       Auch beim olympischen Straßenrennen war Roglic früh distanziert. Sein
       slowenischer Verband gab aber doch ihm und nicht Pogacar – auf dem
       Bronzeplatz in Tokio – den einzigen Startplatz im Zeitfahren. Dort
       triumphierte Roglic, krönte sich zum Olympiasieger.
       
       [1][Diesen Schwung nahm er mit zur Vuelta]. Beim Auftaktzeitfahren in der
       Kathedralenstadt Burgos machte er es nur deshalb spannend, weil er als
       Letzter von der Startrampe herunterfuhr. Bis dahin hatte sich der Baske
       Alex Aranburu lange als der Sieger wähnen dürfen. Der Astana-Mann war früh
       gestartet und eroberte den heißen Stuhl, auf dem der jeweils Schnellste im
       Zeitfahren Platz nimmt. Seine Zeit von 8 Minuten und 36 Sekunden erwies
       sich auf dem 7,1 Kilometer langen Stadtkurs als eine Bastion, so mächtig
       wie die Kathedrale, die über dem Zielbereich aufragte. Zeitfahrspezialisten
       scheiterten an ihr. Und auch die Favoriten für die Gesamtwertung waren weit
       von Aranburus Bestzeit entfernt.
       
       Dann aber kam Primoz Roglic. Bei der Zwischenzeit, auf der Kuppe des Alto
       de Castillo, lag er noch drei Sekunden hinter seinem Teamkollegen Sepp
       Kuss, der damit auch die Führung in der Bergwertung übernahm. Danach aber
       drehte Roglic auf. Er war sechs Sekunden schneller als Aranburu am Ende, 15
       Sekunden besser als Helfer Kuss. Vor allem aber brachte er viel Abstand
       zwischen sich und seine wichtigsten Herausforderer.
       
       ## „Es war verrückt, oder?“
       
       Der Kolumbianer Egan Bernal verlor 27 Sekunden, Straßenolympiasieger
       Richard Carapaz 25. Besser als erwartet schlug sich der Kolumbianer Miguel
       Angel Lopez, aber auch er hat bereits 21 Sekunden Rückstand. Zum Vergleich:
       Die letzte Vuelta gewann Roglic mit insgesamt 24 Sekunden Vorsprung vor
       Carapaz.
       
       „Es war verrückt, oder?“, rief der Slowene beim Fahren auf der Rolle nach
       dem Zieleinlauf erfreut Journalisten zu. „Die Zeit war gut und ich bin
       überglücklich“, rief der sonst mit Emotionsbekundungen eher sparsame
       Radprofi. Seine Form stimmt.
       
       Nach Roglic’ Verfassung kann man mittlerweile sogar seinen
       Jahreszeitenkalender stellen. Zwei Mal gewann er schon in den letzten
       beiden Jahren die späteste Grand Tour der jeweiligen Saison. 2019 wie 2020
       war die Spanienrundfahrt sein Racheparcours für vorher erlittene Schlappen.
       Vor zwei Jahren tröstete ihn der Vuelta-Sieg über den leichtfertig
       verspielten Triumph beim Giro d’Italia hinweg. Im letzten Jahr entschädigte
       Platz 1 bei der Vuelta ihn für die im letzten Moment verlorene Tour. In
       diesem Jahr plant er Ähnliches. Die Vuelta soll ihn für das Sturz-Aus in
       Frankreich entschädigen.
       
       Zu diesem Zwecke hat er ein starkes Team an seiner Seite. Neben dem ersten
       Bergkönig dieser Vuelta, Sepp Kuss, stehen ihm noch die kletterstarken
       Steven Kruijswijk, Robert Gesink und Sam Oomen zur Seite. Mannschaftlich
       noch hochkarätiger besetzt ist das Ineos-Team mit Giro-Sieger Bernal,
       Straßenolympiasieger Carapaz, dem einstigen Tour-Vierten Adam Yates und der
       russischen Klassementhoffnung Pavel Sivakov.
       
       ## „Die Straße wird entscheiden“
       
       Sie alle aber hielten sowohl Roglic als auch Helfer Kuss auf Abstand. Yates
       war mit 20 Sekunden Rückstand noch der Beste der Verlierer vom einstigen
       Dominanzrennstall. Sivakov war zwei Sekunden langsamer als Yates, weitere
       drei und fünf Sekunden später folgen Carapaz und Bernal. Das muntere
       Hierarchieraten dürfte bereits beginnen beim britischen Rennstall.
       
       „Die Straße wird entscheiden, wer unser Kapitän ist“, hatte Bernal vor der
       Vuelta verkündet. In der nächsten Nähe der goldenen Streifen der
       Kapitänsuniform wäre damit Yates, obwohl natürlich noch nichts entschieden
       ist. Weiteren Aufschluss wird die heutige dritte Etappe geben. Die endet
       auf dem Picon Blanco, einem 7,2 km Kilometer langen Anstieg mit bis zu 17
       Prozent Steigung.
       
       Roglic freut sich bereits auf den Berg. Die kurzen, knackigen Rampen liegen
       ihm. Allerdings zeichnet sich die Vuelta durch häufige Führungswechsel aus.
       Gewonnen hat er noch lange nicht. Und seine fatale Neigung, Grand Tours
       durch einen Leistungsabfall in der dritten Woche noch zu verlieren, könnte
       angesichts der mächtigen Gipfel kurz vorm Abschluss erneut den Ausschlag
       geben. Die andere Serie allerdings ist: Die Vuelta findet statt und Roglic
       gewinnt.
       
       15 Aug 2021
       
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