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       # taz.de -- Verdrängung: Das Umdenken hat begonnen
       
       > Auf der Freiraumkonferenz ziehen Kulturschaffende und
       > Politiker*innen eine positive Bilanz. Zahlreiche Orte wurden
       > gerettet.
       
   IMG Bild: Alles anders am Alexanderplatz: Das Haus der Statistik
       
       Die Stadt wächst und verdichtet sich, immer mehr Künstler*innen finden
       keine Arbeitsräume mehr. Und doch haben sich in den letzten vier Jahren
       zahlreiche Kulturschaffende mit der Politik zusammengetan, um ihre Orte
       durch die Renditeerwartungen der Immobilienwirtschaft zu navigieren. Das
       [1][Haus der Statistik], die [2][Alte Münze], das [3][Dragonerareal], die
       [4][Wiesenburg], das [5][RAW-Gelände]: All dies sind Projekte, die mit viel
       Ideenreichtum und neuen Allianzen für Aufmerksamkeit sorgten.
       
       Nun kommen sie noch einmal auf zahlreichen Panels live und online in der
       Freiraumkonferenz der [6][Clubcommission] Berlin zu Wort, die noch bis
       Donnerstag geht. Die Frage lautet, ob in dieser Stadt nach jahrelangem
       Ausverkauf endlich ein Umdenken begonnen hat – und wie es damit weitergehen
       könnte.
       
       Die Bilanz eines der ersten Panels der Konferenz fiel erstaunlich positiv
       aus. Es fand am Mittwochabend im ehemaligen Obdachlosenasyl und heutigen
       Künstlerdomizil Wiesenburg im Wedding statt. Erst letzten Sommer haben die
       Mieter*innen einen Kooperationsvereinbarung mit Bezirk, Senat und
       Besitzerin des Areals, der landeseigenen Wohnungsgesellschaft degewo,
       unterzeichnet.
       
       Es sieht also gut aus für die Wiesenburg. Dementsprechend beschwingt klingt
       Mitstreiter Enno Kuck, wenn er beschreibt, wie sehr man im Kampf ums
       Bleiben Partner*innen braucht – und wie schnell man sie auch findet.
       „Glaubt nicht, ihr könnt das ganz alleine machen“, sagte er.
       
       ## Überraschend einverstanden
       
       Auch andere zeigten sich überraschend überzeugt vom Dialog insgesamt
       zwischen Berlins Politik der letzten vier Jahre und Kulturschaffenden vor
       Ort – auch, wenn sie diesen oft als eher schwierig eingeschätzt hatten. Die
       Koalition der Freien Szene äußert sich beispielsweise bis heute
       ausgesprochen kritisch zu einem Beteiligungsprozess, den 2019 Berlins
       Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zur Entwicklung der Alten Münze am
       Molkenmarkt zum Kulturareal angestoßen hatte. Nun sagte Wibke Behrens von
       der Freien Szene auf dem Panel, man müsse „die Projekte auch mal als
       Erfolge werten“.
       
       Aber wird es nach den Wahlen in diesem Stil weitergehen? Selbst
       diesbezüglich herrschte gute Laune auf dem Panel. Bezirksstadtrat für
       Stadtentwicklung von Berlin-Mitte Ephraim Gothe (SPD) wusste zwar viel
       darüber zu erzählen, wie wenig Festschreibung in der Politik möglich ist,
       ging aber dennoch davon aus, dass etwa große Projekte wie das Haus der
       Statistik am Alexanderplatz weitergehen werden.
       
       Schon jetzt ist auch dieses riesige Areal zu einem Modellprojekt für
       gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung in der der wachsenden Metropole
       geworden – es soll ein Ort entstehen mit Flächen für Kunst und Kultur,
       soziale Projekte, günstiges Wohnen, aber auch öffentliche Behörden. „Selbst
       eine rot-gelbe Koalition würde das Haus der Statistik nicht wieder
       umdrehen“, so Gothe.
       
       Es scheint, als habe die Politik begriffen: Diese Stadt der großen
       Alternativen darf nicht so beliebig werden wie andere. Um das zu erreichen,
       bleibt auch der zukünftige Senat besser auf Augenhöhe mit jenen, die das
       verhindern können.
       
       19 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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