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       # taz.de -- Opposition in Nicaragua: Ein Kandidat als Feigenblatt
       
       > Der umstrittene Óscar Sobalvarro wird Präsident Ortega bei der Wahl im
       > November herausfordern. Die meisten anderen Kandidaten sitzen im
       > Gefängnis.
       
   IMG Bild: Óscar Sobalvarro und die ehemalige Miss Nicaragua Berenice Quezada während einer Veranstaltung
       
       Wien taz | Der Viehzüchter Óscar Sobalvarro wird als Kandidat einer
       Oppositionsallianz [1][Nicaraguas Präsidenten Daniel Ortega] herausfordern.
       Am Mittwoch hat die Bürgerallianz für die Freiheit (ACxL) den 60-Jährigen
       für die Wahlen am 7. November nominiert. Als Kandidatin für die
       Vizepräsidentschaft wird ihn die Miss Nicaragua 2017 Berenice Quezada
       begleiten.
       
       Manche erinnern sich an Sobalvarro noch unter dem Pseudonym Comandante
       Rubén, einen der Anführer der konterrevolutionären Truppen, besser bekannt
       als Contras, die jahrelang gegen die [2][sandinistische Revolution]
       ankämpften und 1989 einen Friedensvertrag unterzeichneten.
       
       Eine regierungsoffizielle Untersuchung aus dem Jahr 2006 wirft Sobalvarro
       vor, nach dem politischen Umbruch Anfang der 1990er Jahre mit illegaler
       Abholzung ein Vermögen gemacht zu haben. Sein Unternehmen Maprenic habe
       Mahagoni und andere Edelhölzer aus dem Naturreservat Bosawás geholt und
       verkauft. Sobalvarro hat diesen Vorwurf gegen die Aussage zahlreicher
       Zeugen stets bestritten. Der Eigentümer eines großen Sägewerks an der
       waldreichen Atlantikküste betätigt sich heute vor allem als Viehzüchter.
       
       Seine Nominierung ist auch innerhalb seiner Allianz umstritten, denn
       ursprünglich war er nicht einmal als Vorkandidat aufgestellt. Von den vier
       Vorkandidaten [3][sitzen inzwischen drei im Gefängnis]. Ihnen wird
       Landesverrat oder Verschwörung vorgeworfen weil sie sich einmal an
       Protesten gegen die Regierung beteiligt haben oder für Organisationen
       arbeiten, die Geld aus dem Ausland bekommen. Der Vierte, der
       Social-Media-Aktivist und Influencer Américo Treminio, wurde mit der
       Nominierung von Sobalvarro übergangen.
       
       ## Umstrittene Vizekandidatin
       
       Die ACxL ist die konservativste der Koalitionsallianzen. Eine andere, die
       Coalición Nacional, darf gar nicht antreten, weil der einzigen beteiligten
       Partei, die legal eingeschrieben war, im Mai die Rechtspersönlichkeit
       entzogen worden war. Innerhalb der Opposition ist es höchst umstritten, ob
       man sich überhaupt an den Wahlen beteiligen soll. Denn Präsident Ortega,
       der seit mehr als 14 Jahren zunehmend tyrannisch regiert, hat keine der von
       der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aufgestellten Bedingungen
       erfüllt.
       
       Eine Wahlgesetzreform macht es Oppositionellen noch schwieriger,
       teilzunehmen. Weder unabhängige Beisitzer, noch internationale
       Wahlbeobachter sind zugelassen. Und von den sieben Vorkandidatinnen und
       -kandidaten wurden seit Ende Juni [4][sechs eingekerkert] oder unter
       Hausarrest gestellt. Auch die Führung der von sandinistischen Dissidenten
       gegründeten Oppositionspartei Unamos sitzt seit Monatsbeginn hinter
       Gittern. Nach einer Strafprozessnovelle können Verdächtige 90 Tage in
       Untersuchungshaft gehalten werden.
       
       Berenice Quezada wurde von Sobalvarro ausgewählt, weil er ihre Familie seit
       langem kennt. „Was gibt es Besseres, als ein junges Gesicht mit großer
       menschlicher Einfühlsamkeit“, begründete er seine Entscheidung in einem
       Interview mit der oppositionellen Online-zeitung [5][confidencial.com.ni].
       
       Die 27-jährige Schönheitskönigin wurde zwar 2018 bei den Massenprotesten
       gegen das Regime gesehen, modelt aber auch für eine Agentur der
       Präsidententochter Camila Ortega und hat in den sozialen Medien immer
       wieder Aufrufe zu Pro-Ortega-Aufmärschen geteilt.
       
       Es liegt nahe, dass die unter den gegebenen Umständen aussichtslose
       Kandidatur, Daniel Ortega als willkommenes Feigenblatt für seine
       bevorstehende Wahlfarce dient. Auf die Frage, was er machen würde, wenn die
       internationale Gemeinschaft dem Wahlsieger die Anerkennung verweigert,
       antwortete Comandante Rubén ausweichend.
       
       Der Schriftsteller Sergio Ramírez, selbst einst Vizepräsident an Ortegas
       Seite, vertritt in der argentinischen Tageszeitung Clarín die Meinung,
       dieser werde nach seiner Wiederwahl die politischen Gefangenen als Geiseln
       benutzen, um internationale Anerkennung zu erpressen.
       
       30 Jul 2021
       
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   DIR [5] https://www.confidencial.com.ni/politica/oscar-sobalvarro-esta-eleccion-es-entre-dos-todo-lo-demas-sale-sobrando/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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