URI: 
       # taz.de -- Impfungen für 12- bis 17-Jährige: Eine Anmaßung der Politik
       
       > Die Gesundheitsminister setzen sich mit der Impfempfehlung für Jüngere
       > über das zuständige Experten-Gremium hinweg. Das ist ein Skandal.
       
   IMG Bild: Problematische Entscheidung: Die Gesundheitsministerkonferenz legt Impfen für Jüngere nahe
       
       Für manche Eltern und wohl auch Schüler wird der Montagabend eine
       Erleichterung gewesen sein. Mit [1][der Entscheidung der
       Gesundheitsminister der Länder,] allen Kindern ab 12 Jahren ein Impfangebot
       zu machen, gibt es zum ersten Mal die berechtigte Hoffnung auf einen
       regulären Schulbetrieb nach den Sommerferien.
       
       Und klar, wer würde diese Hoffnung nicht jubelnd begrüßen nach eineinhalb
       Jahren Pandemie, in der die Kinder zugunsten der Gesundheit Erwachsener auf
       so viel mehr als nur den Präsenzunterricht im Klassenzimmer verzichtet
       haben. Wer wollte die Jüngsten nicht endlich wirksam vor dem Virus schützen
       – und vor der Fortsetzung der Misere in den Schulen, oder besser: zu Hause,
       im so genannten Homeschooling.
       
       Doch bei genauer Betrachtung ist der Beschluss der Minister nicht
       erleichternd, er ist nicht einmal sinnvoll – sondern ein Skandal, und zwar
       in doppelter Hinsicht. Erstens hat die Politik hier binnen weniger Stunden
       eine Kompetenz an sich gerissen, die sie faktisch nicht hat. Sie
       entscheidet, welche pharmazeutischen Interventionen, zumal bei Kindern,
       wissenschaftlich vertretbar sind – und welche nicht. Für Impfungen liegt
       diese Kompetenz in Deutschland [2][bei der Ständigen Impfkommission am
       Robert Koch-Institut,] einem unabhängigen Gremium von Fachleuten.
       
       Diese Experten bewerten die verfügbaren Daten und Erkenntnisse zu Wirkung,
       Nebenwirkungen und Nutzen von Vakzinen. Sie sind schon vor Wochen zu dem
       Schluss gekommen, dass es bisher keine ausreichenden Gründe dafür gibt, das
       Immunsystem aller Heranwachsenden ab 12 Jahren mit einem Impfstoff gegen
       Sars-2 zu konfrontieren. Lediglich für vorerkrankte oder anderweitig
       besonders gefährdete Kinder überwiegt demnach der Nutzen.
       
       ## Die Stiko weiß, was sie tut
       
       Und bei aller berechtigten Kritik an dem Hin und Her von Empfehlungen, die
       es zur Impfung von Erwachsenen mit AstraZeneca gegeben hatte: Die Stiko
       weiß, was sie tut. Sie weiß vor allem ungleich besser über Impfungen
       Bescheid als der durchschnittliche Politiker.
       
       Die Politik aber hat ein Problem, und das ist der zweite Teil des Skandals:
       In ihrem eigenen Kompetenzbereich hat sie versagt. Keine einzige
       Landesregierung hat ihren Schulen flächendeckend die nötige Ausstattung
       verschafft, um einen sicheren Betrieb auch ohne Impfungen der Kinder zu
       gewährleisten. In Berlin hat nicht einmal jede dritte Einrichtung eine neue
       Luftfilteranlage erhalten, um das Übertragungsrisiko wirkungsvoll zu
       minimieren. Und von den Voraussetzungen für einen womöglich doch
       wiederkehrenden digitalen Unterricht in der schon rollenden vierten Welle
       träumen Eltern, Schüler und Lehrer weiterhin.
       
       Zugleich ist keine Landesregierung bereit, zum Schutz der Ungeschützten in
       anderen Bereichen Abstriche zu machen. Diese Bereiche –
       Sportveranstaltungen, Freizeiteinrichtungen, der Einzelhandel – betreffen
       schließlich die Wahlberechtigten der nahenden Bundestagswahl. Da geht man
       lieber nicht noch mal ran, auch wenn es nachweislich sinnvoll wäre und
       helfen würde, die Schulen offen zu halten.
       
       Aber so sollen eben die Kinder den Arm herhalten. Dürfen tun sie das
       ohnehin, viele machen von der Möglichkeit auf eigene Initiative hin bereits
       Gebrauch. Ob sie es in ausreichender Zahl tun werden, bleibt abzuwarten,
       die mangelnde Impfbereitschaft der Erwachsenen spricht kaum dafür. Und was
       mit den Kindern ist, die noch keine 12 Jahre alt und in Kitas und den
       unteren Schulklassen zu betreuen sind, ist auch nicht die geringste der
       offenen Fragen. Aber dazu fällt den Gesundheitsministern vielleicht ein
       weiterer Handstreich ein.
       
       3 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gmk-impfungen-101.html
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gmk-impfungen-103.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kathrin Zinkant
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schule und Corona
   DIR GNS
   DIR Ständige Impfkommission (Stiko)
   DIR Impfung
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schule und Corona
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schulstart in der Pandemie: Wahlfach Impfen
       
       In den ersten Bundesländern sind die Sommerferien zu Ende. Um gegen Corona
       gerüstet zu sein, wird nun auch an Schulen geimpft.
       
   DIR Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: WHO will Dritt-Impfungen stoppen
       
       Auf Auffrischungsimpfungen sollte verzichtet werden, solange viele noch gar
       nicht geimpft seien. In Deutschland werden Schnelltests im Herbst wohl
       kostenpflichtig.
       
   DIR Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Erste Impfzentren öffnen für Jüngere
       
       Niedersachsen schafft Impfangebote für alle über 12. Baden-Württembergs
       Antisemitismusbeauftragter warnt vor einer weiteren Radikalisierung der
       Coronaleugner.
       
   DIR Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Stiko-Chef stur bei Jugendimpfung
       
       Thomas Mertens sieht keine Grundlage, Jugendlichen die Impfung zu
       empfehlen. Die Gesundheitsminister:innen diskutieren trotzdem ein
       Impfangebot für alle ab 12.
       
   DIR Schulbeginn und Corona: Noch ein Corona-Schuljahr
       
       In drei Bundesländern geht die Schule wieder los – und die Debatte um
       Corona-Vorsorgemaßnahmen. Die Impfung ab 12 steht oben auf der Agenda.