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       # taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Erlösende Momente
       
       > Ob der Messias noch kommt, ist so eine Frage der Woche, und wie das
       > überhaupt in der Weltclubhauptstadt mit dem Tanzen weitergeht.
       
   IMG Bild: Die Kathedrale des Techno, immer noch auf Tanzende wartend
       
       Es ist hier ein wenig aus der Mode geraten, sich mit messianischen Fragen
       zu beschäftigen und damit letztlich mit der Eschatologie, also der Lehre
       von den sogenannten letzten Dingen: Da geht es, vereinfachend ausgedrückt,
       darum, dass sich die Welt hienieden irgendwann mal erschöpft haben wird und
       dass dann, nach einem Gerichtstag, eine andere Art von Ewigkeit anbricht.
       
       Das sind jedenfalls so eschatologische Überlegungen, an denen sich auch die
       Figur des Messias und die damit verbundenen Erlösungsvorstellungen
       festmachen.
       
       In den Religionen hat der Messias deutliche Spuren hinterlassen. Das
       Christentum hat ihn in Jesus von Nazareth, einem jüdischen Wanderprediger,
       der einst von römischen Soldaten gekreuzigt wurde, identifiziert. Im Islam
       gilt dieser Jesus als wichtiger Prophet. Im Hinduismus, prinzipiell
       polytheistisch und bei dieser Vielgötterei auch tolerant, kann man Jesus
       durchaus als Gestalt des Göttlichen sehen, halt ohne jeden
       Alleinstellungsanspruch.
       
       Aber man muss auch gar nicht an Jesus glauben.
       
       Womit man bei den Atheisten angelangt ist und beim Judentum.
       
       ## Strittiger Messias
       
       Der Messias ist da natürlich aus unterschiedlichen Gründen strittig.
       Atheisten haben halt grundsätzlich so ihre Zweifel an Messianischem und
       Gottesdingen. Und im Judentum wartet man schlicht noch auf den Messias.
       
       Was man am Dienstag in der W. Michael Blumenthal Akademie etwas genauer
       betrachten will. Da wird im Rahmen der Ausstellung „Yael Bartana –
       Redemption Now“ im Jüdischen Museum auch unter dem Eindruck, dass das
       Messianische derzeit nicht das große Thema mehr ist, gefragt: „Wartet noch
       jemand auf den Messias?“ Christoph Markschies, Präsident der
       Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Professor für
       Antikes Christentum an der Humboldt-Universität, und Daniel Krochmalnik,
       Professor für Jüdische Religion und Philosophie an der Universität Potsdam,
       diskutieren jüdische und christliche Positionen, was ab 19 Uhr [1][auch im
       Livestream verfolgt werden] kann.
       
       ## Kathedrale Berghain
       
       Es geht um Spiritualität. Längst ein erweitertes Spielfeld auch abseits der
       Religionen. An tradierten Kennmarken hält man allerdings gern weiter fest.
       
       Dass zum Beispiel das Berghain oft als Kathedrale des Techno bezeichnet
       wird, hat längst nicht nur mit dem imposanten Bau des Clubs zu tun. Und an
       so einem Ort wird auch die Arbeitsbeschreibung von göttlicher Tätigkeit
       anders formuliert. Erweiterter.
       
       Platten auflegen sollte er deswegen schon können, um die Wunden so zu
       heilen, wie es in dem älteren Lied von Faithless (super Name, in dem
       Zusammenhang) zum pochenden Herzschlag der Clubmusik heißt: „This is my
       church/ This is where I heal my hurts“. „God Is a DJ“ ist der Titel dieses
       bekennerhaften Songs, und in Berlin ist man selbstverständlich der Meinung,
       das man doch das Rom dieser Kirche (schließlich hat man die Kathedrale)
       ist. Die Weltclubhauptstadt. Oder mindestens war. Weil derzeit geht mit
       Clubs immer noch nichts, die Szene ist gebeutelt.
       
       Was auch Thema der Performance „Weltclubhauptstadt“ ist, die multimedial
       „von der glorreichen Vergangenheit, der tristen Gegenwart und der
       unsicheren Zukunft der Berliner Clubszene“ erzählt, von Freitag bis Sonntag
       abends open air und bei freiem Eintritt vor dem Podewil in der
       Klosterstraße, [2][Anmeldung ist erforderlich].
       
       Noch mehr Musik, die man schon auch als die „eigentliche Brücke zum
       Göttlichen“ hören kann: am Samstag startet das [3][Musikfest der Berliner
       Festspiele] (in dessen Programm auch das Zitat mit der Brücke zu finden
       ist) mit Igor Strawinsky als diesjähriges Leitmotiv.
       
       An den Konzerten des Musikfests kann man aber gut auch Gefallen finden,
       wenn man gerade gar nicht auf der Suche nach dem Göttlichen ist.
       
       23 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.jmberlin.de/veranstaltung-wartet-noch-jemand-auf-den-messias
   DIR [2] https://td.berlin/stuecke/besucherinfos-weltclubhauptstadt
   DIR [3] https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Mauch
       
       ## TAGS
       
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