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       # taz.de -- Afghanistan, Klimawandel und Hochwasser: In der Welt herrscht der Wahnsinn
       
       > Die Evakuierungen aus Afghanistan laufen weiterhin, über die Schuldfrage
       > wird weiterhin gestritten. Und darüber, wie wir den Klimawandel stoppen.
       
   IMG Bild: Die Evakuierungen aus Afghanistan laufen weiter – doch was passiert mit all den anderen Menschen?
       
       taz: Frau Herrmann, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Ulrike Herrmann: [1][Das „Desaster von Afghanistan“], wie es in den
       Geschichtsbüchern heißen wird.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       So zynisch es klingt: Die Taliban sind offenbar rational genug zu erkennen,
       dass es keine gute Idee ist, die Ortskräfte umzubringen. Stattdessen werden
       sie alle Menschen, die jetzt nicht ausgeflogen werden können, hinterher
       meistbietend verkaufen. Evakuierungen gegen Geld – das wird der Deal sein.
       
       Szenen vom Flughafen in Kabul gehen um die Welt, in denen Menschen
       verzweifelt versuchen, aus dem Land zu fliehen. Lässt Deutschland seine
       Verbündeten im Stich? 
       
       Ja. Es war völlig irre, als Erstes die Soldaten abzuziehen, obwohl sie am
       wenigsten gefährdet waren, weil sie bekanntlich Waffen besitzen und sich
       schützen können. Es hätte genau umgekehrt laufen müssen: Zunächst hätte man
       die Ortskräfte retten müssen – und dann erst hätten die Soldaten das Land
       verlassen dürfen.
       
       Immer mehr Stimmen fragen sich laut, ob die Taliban überhaupt noch so
       radikal sind wie vor 20 Jahren. Ist das die nächste Selbsttäuschung des
       Westens? 
       
       Die Taliban sind so radikal wie immer, haben aber strategisch gelernt. Dazu
       gehört die Erkenntnis, dass man Bündnispartner braucht – und Geld von
       außen. Zuletzt haben die westlichen Länder, inklusive Militärausgaben, 40
       Prozent der Wirtschaftsleistung Afghanistans ausgemacht. Diese Mittel sind
       nicht zu ersetzen, auch nicht durch Unterstützung aus China. Deswegen
       werden die Taliban vorerst bestrebt sein, dem Westen entgegenzukommen. Aber
       der Kern des Problems bleibt: Die Taliban repräsentieren nicht die Mehrheit
       der afghanischen Bevölkerung. Sie sind eine Diktatur – und werden gewaltsam
       jeden Widerstand ersticken.
       
       Das Bundeskabinett beschloss letzten Mittwoch einen Wiederaufbaufonds in
       der Höhe von 30 Milliarden Euro für die Opfer der Flutkatastrophe in
       Westdeutschland. Ist das die eine gute Nachricht der Woche oder fällt Ihnen
       noch eine andere ein? 
       
       Es ist richtig, die Flutopfer jetzt nicht allein zu lassen. Aber eine gute
       Nachricht ist das trotzdem nicht. Die Kosten von 30 Milliarden Euro zeigen,
       wie teuer der Klimawandel künftig wird.
       
       Kleines Rätsel: In Deutschland sollten wir „generell überlegen, wie wir
       Klimaschutz als Daueraufgabe mit der Schuldenbremse in Einklang bringen
       können“. Und: „Wenn man die Gesellschaft zusammenhalten will, kann die
       Pendlerpauschale einen Konsens für die Mobilitätswende absichern“. Robert
       Habeck und Markus Söder – wer von beiden hat was gesagt? Und was sagt uns
       das? 
       
       [2][Satz eins stammt von Söder.] Auch die CSU erkennt endlich, was
       offensichtlich ist: Klimaschutz lässt sich nur finanzieren, wenn man
       Schulden macht. Der zweite Satz kommt [3][von Habeck] und macht deutlich,
       wie sehr die Grünen unter Druck sind. Denn die Pendlerpauschale forciert
       nicht nur die Zersiedelung der Landschaft – sie ist auch unsozial. Sie
       nützt vor allem den Spitzenverdienern, denn die Entlastung wirkt umso
       stärker, je höher das zu versteuernde Einkommen ist.
       
       Das Umweltministerium veröffentlichte letzte Woche einen Bericht:
       Deutschland wird demnach [4][seine Klimaziele 2030] wohl deutlich
       verfehlen. Wird eine Regierung mit grüner Beteiligung daran etwas ändern? 
       
       Nein. Die Grünen wären ja nicht allmächtig, sondern nur Koalitionspartner.
       Zudem reicht auch das grüne Wahlprogramm nicht, um Deutschland klimaneutral
       zu machen. Das ist keine Kritik. Die Grünen sind ambitionierter als jede
       andere Partei, aber sie können nicht mehr fordern, als die eigenen
       WählerInnen akzeptieren würden. Bei den meisten Deutschen hält sich aber
       hartnäckig die Illusion, dass die Technik alles richten könnte und „grünes
       Wachstum“ machbar sei.
       
       Und was machen wir jetzt mit unserem Geld? 
       
       Eine gute Frage, auf die es keine gute Antwort gibt. Denn in der Welt der
       Finanzen herrscht der Wahnsinn. Da reicht ein Blick auf die Börsen: Der
       deutsche Aktienindex DAX ist seit 2011 um 290 Prozent gestiegen. Die
       deutsche Wirtschaft ist im gleichen Zeitraum aber nur um etwa 13 Prozent
       gewachsen. Die Aktienkurse haben mit der Realität nichts zu tun,
       stattdessen pumpt sich eine Spekulationsblase auf. Ob man weiter auf
       steigende Kurse wetten und diese Blase füttern will, muss jeder für sich
       selbst entscheiden. Und damit übergebe ich zurück an Friedrich
       Küppersbusch.
       
       Fragen: Emeli Glaser, waam
       
       22 Aug 2021
       
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