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       # taz.de -- Linux feiert Geburtstag: 30 Jahre Pinguine
       
       > Der Kern von Linux steckt in den meisten Smartphones – doch das
       > Betriebssystem wird unterschätzt. Das ist auch ein politisches Problem.
       
   IMG Bild: Glücksbringer: Linus Torvalds, Erfinder von Linux
       
       Die Geburt fand im kleinen Kreis statt und ist dennoch ganz gut
       dokumentiert. Am 25. August 1991 [1][postete der finnische Student Linus
       Torvalds] im Usenet, quasi dem Internet-Vorläufer, dass er da an einer Art
       neuem Betriebssystem rumprogrammiere. Fragte, was andere Nutzer:innen
       denn gerne so hätten an Funktionen. Und ergänzte einige Posts später,
       Disketten würden noch nicht unterstützt und auch sonst werde es nicht ewig
       viel können, wenn es fertig sei. Was für ein Irrtum und was für ein Glück.
       
       Linux wird 30 und so könnte man sagen, die Software ist endgültig aus dem
       Gröbsten raus. Sie wurde und wird – möglicherweise im gleichen Maße –
       geliebt und unterschätzt. Sie wurde von der Stadt München entdeckt und auf
       die Rechner der Stadtverwaltung gespielt, dann, mit einigen Volten
       zwischendrin, wieder runtergeschmissen – und nun, unter Rot-Grün, doch
       vielleicht wieder eingesetzt werden.
       
       Linux läuft auf zahlreichen Servern und Hochleistungsrechnern [2][und der
       Mars-Drohne Ingenuity]. Der Cousin von Linux, Unix, steckt in Apples iOS.
       Googles Smartphone-Betriebssystem Android kann man, wenn man das möchte,
       als Linux-Distribution verstehen, steckt doch ein Linux-Kernel drin. Und
       Android, das findet sich auch in immer mehr Geräten, zum Beispiel als
       Android Auto in, nun ja, Autos.
       
       ## Das Betriebssystem bleibt in der Nische
       
       Die Ironie bei der Sache ist, dass Linux zwar in sehr viel mehr drinsteckt
       als man aus der Außenperspektive einer:s Nutzenden sieht, aber im
       sichtbaren Bereich – dem der Betriebssysteme für stationäre oder tragbare
       Computer – immer noch in der Nische bleibt.
       
       Der Anteil der Desktop-Computer und Notebooks, auf denen Linux läuft,
       dümpelt laut dem Analysedienst Statcounter seit Jahren im niedrigen
       einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Das ist wenig verwunderlich,
       schließlich scheint politisch immer noch zu gelten: Eine ordentliche
       Software muss mindestens Platzhirsch auf dem Markt sein, mit gut
       ausgestatteter Marketingabteilung und ordentlichem Budget für Lobbyarbeit
       und Rechtsabteilung.
       
       Aktuelles Beispiel? Schulen, Behörden, Universitäten, die in der Pandemie
       auf der Suche nach einem Videokonferenz-Dienst [3][gleich mal nach Zoom,
       Cisco Webex oder Microsoft Teams griffen], obwohl es durchaus freie und
       Open-Source-Alternativen wie Big Blue Button gibt.
       
       Bei dieser Art von Software könnte man Sicherheitslücken bei vorhandenem
       Know-how auch selbst schließen, oder, falls nicht, einen Dienstleister
       damit beauftragen. (Denn ja, auch mit Open-Source-Software lassen sich Geld
       verdienen und Arbeitsplätze schaffen, auch wenn das nicht alle gerne hören
       wollen, oder, Microsoft?) Aber natürlich fehlt dann der Nervenkitzel der
       proprietären (das ist das Gegenteil von quelloffenen) US-Anbieter, bei
       denen man nie so ganz sicher sein kann, ob und was die NSA am Ende doch
       abgreift.
       
       Das ist deshalb ein Problem, weil es bei Software nicht darum geht, zum
       Zeitvertreib ein paar Pixel über den Bildschirm rotieren zu lassen. Es geht
       darum, ob US-Geheimdienste potenziell etwas davon mitbekommen, wenn das
       Innenministerium eine vertrauliche Sitzung via Videokonferenz abhält.
       
       Es geht darum, wie leicht sich Unbefugte Zugriff auf die
       Arbeitsplatzrechner von Bundestagsabgeordneten verschaffen können. Wie
       stark manipulationsanfällig ein [4][Wahlkampf] ist. Welche Algorithmen die
       Meinungsbildung beeinflussen. Ob Kinder und Jugendliche schon in der Schule
       so sehr an Apple- oder Microsoft-Produkte gewöhnt werden, dass ihnen später
       ein Umstieg als zu großer Aufwand erschiene.
       
       ## Souveränität ohne Protektionismus
       
       Die Welt wird mit der zunehmenden Digitalisierung reicher an Möglichkeiten,
       aber gleichzeitig komplexer. Und komplexe Systeme sind nicht unbedingt
       dafür bekannt, pflegeleichter zu sein. Die Bahn denkt heute auch nicht mehr
       nur analog, von Schiene bis Zug. Es sind haufenweise digitale Komponenten
       von Infodisplays über Fahrkartenautomaten bis zur Steuerung von Weichen
       hinzugekommen.
       
       Daher sollte mindestens Infrastruktur wie Verwaltung, Krankenhäuser oder
       Transport nicht darauf angewiesen sein, dass ein kommerzieller Anbieter mit
       marktbeherrschender Stellung neuentdeckte Sicherheitslücken in seinen
       Systemen schneller schließt, als Angreifer:innen sie ausnutzen können.
       Und weil einer Gesellschaft das alles nicht egal sein sollte, muss es um
       eine neue Art der Daseinsvorsorge gehen, um digitale Souveränität.
       
       Freie und Open-Source-Anwendungen sind dabei ein wichtiger Baustein. Denn
       sie ermöglichen Souveränität ohne Protektionismus. Ein gemeinsames Arbeiten
       an Lösungen über Ländergrenzen und Branchen hinweg, ohne dass sich jemand
       in problematische Abhängigkeiten von marktbeherrschenden IT-Unternehmen
       begeben muss. Und einen Umgang mit Technik, der die Nutzer:innen nicht
       nur als Konsumierende begreift, sondern auch als Gestaltende. Es könnte
       dazu beitragen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Genau wie
       Linux.
       
       24 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://groups.google.com/g/comp.os.minix/c/dlNtH7RRrGA/m/SwRavCzVE7gJ
   DIR [2] https://www.linux-magazin.de/news/ingenuity-linux-hebt-auf-dem-mars-ab/
   DIR [3] /Onlineunterricht-in-der-Coronakrise/!5691138
   DIR [4] /Afghanistan-im-Bundestagswahlkampf/!5792388
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
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