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       # taz.de -- Terrorprozess in Guantanamo: 18 Jahre Warten auf Anklage
       
       > Bei Terroranschlägen in Bali und Jakarta starben 213 Personen. jetzt
       > beginnt ein fragwürdiger Prozess gegen einen Indonesier und zwei
       > Malaysier.
       
   IMG Bild: Gedenkstätte für die 202 Todesopfer des Terroranschlags 2002 in Kuta, Bali
       
       BERLIN taz | Im Camp Justice (sic!) des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay
       auf Kuba ist am Montag vor einem Kriegsgericht der Terrorprozess gegen
       Encep Nurjaman eröffnet worden. Dem 57-Jährigen, der bekannter unter den
       Namen Hambali oder Riduan Isamuddin ist, wird vorgeworfen, Drahtzieher der
       Terroranschläge auf der indonesischen Ferieninsel Bali von 12. Oktober 2002
       und auf das Marriott-Hotel in Jakarta vom 5. August 2003 gewesen zu sein.
       
       Bei den Bombenanschlägen, die der südostasiatischen Terrororganisation
       Jemaah Islamiyah (JI) zugeschrieben werden, wurden insgesamt 213 Personen
       getötet und mehrere hundert verletzt.
       
       Hambali und die beiden jetzt mitangeklagten mutmaßlichen malaysischen
       Komplizen Mohammed Nazir Bin Lep und Mohammed Farik Bin Amin wurden im
       August 2003 in Thailand festgenommen. Die nächsten drei Jahre verbrachten
       sie in „schwarzen Gefängnissen“ des US-Geheimdienstes CIA, wo sie nach
       Angaben ihrer Anwälte schwer gefoltert wurden. Seit 2006 sitzen sie ohne
       Anklage im Gefangenenlager Guantánamo.
       
       In dem im Januar 2002 eröffneten berüchtigten Gefängniskomplex, den
       Präsident Barack [1][Obama nicht wie versprochen schließen konnte], gehören
       die drei zu den inzwischen [2][letzten 39 Gefangenen]. Hambali soll dort
       die Hälfte der Zeit in Einzelhaft verbracht haben.
       
       ## Prozessverschiebung von Coronapandemie
       
       Der jetzt von einem US-Marineoffizier geleitete Terrorprozess sollte im
       Februar beginnen, wurde jedoch wegen der [3][Coronapandemie] verschoben. Am
       Montag führte schließlich nach fünf Stunden ein Einspruch gegen die
       schlechten Dolmetscher zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens.
       
       Nach Angaben der Verteidigung soll ein Dolmetscher auch parteiisch sein.
       Gegenüber Zeugen soll er gesagt haben: „Die Regierung verschwendet mit
       diesen Terroristen Geld. Sie hätten längst getötet werden sollen.“
       
       Noch am Dienstag sollte die Verlesung der Anklage in dem Prozess, dessen
       Dauer auf mehrere Jahre veranschlagt wird, fortgesetzt werden.
       
       Hambali galt als militärischer Führer von JI und als Verbindungsmann zum
       Terrornetzwerk al-Qaida. Er soll 1987 bis 1990 mit den Mudschaheddin in
       Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft und in der Zeit auch
       Osama Bin Laden kennengelernt haben.
       
       ## Mutmaßlicher Drahtzieher mehrerer Anschläge
       
       Bei JI soll Hambali später die Rolle des Masterminds gespielt und Gelder
       überwiesen haben. Bereits vor den Anschlägen in Bali soll er an Weihnachten
       2000 eine wichtige Rolle bei Bombenanschlägen auf indonesische Kirchen
       gespielt haben.
       
       2003 waren drei der vier überlebenden Bali-Attentäter für die Anschläge auf
       die zwei touristischen Nachtclubs von einem indonesischen Gericht in der
       Inselhauptstadt Depassar zum Tode verurteilt worden. Im Jahr [4][2008
       wurden sie hingerichtet].
       
       Der große zeitliche Abstand von 19 Jahren zwischen dem Bali-Anschlag und
       der Anklageerhebung, der Tod wichtiger Zeugen und die Tatsache, dass
       Aussagen unter Folter erpresst wurden, machen das gesamte Verfahren
       fraglich.
       
       Laut einem Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats, aus dem die
       [5][New York Times] zitierte, soll ein CIA-Verhörspezialist 2003 Hambali
       gesagt haben, dieser werde niemals vor Gericht gestellt, „denn wir können
       die Welt nicht wissen lassen, was ich dir angetan habe“.
       
       ## Mutmaßlich in „schwarzen“ CIA-Gefängnissen gefoltert
       
       Doch letztlich ist der Grund, warum erst 18 Jahre nach der Festnahme der
       mutmaßlichen Terroristen Anklage erhoben wurde, unklar.
       
       Während seiner dreijährigen Haft in „schwarzen“ CIA-Gefängnissen im
       marokkanischen Rabat und im rumänischen Bukarest soll Hambali der Folter
       mit Waterboarding, Schlafentzug, Schlägen, Ankettungen in schmerzhaften
       Stellungen sowie anderen sogenannten verschärften Verhörbedingungen
       unterzogen worden sein. „Aus meiner Sicht ist dies fatal für einen fairen
       Prozess“, sagte der Anwalt des Mitangeklagten Bin Lep der
       Nachrichtenagentur [6][AP].
       
       Die Bali-Anschläge 2002 waren ein Weckruf für Indonesiens
       Sicherheitsbehörden, die mithilfe Australiens – damals kamen die meisten
       Opfer von dort – wesentlich effizienter gemacht wurden. Seitdem gab es in
       Indonesien zwar noch Anschläge, doch mit geringeren Opferzahlen.
       
       Inzwischen hat Jakarta das Terrorproblem weitgehend im Griff. Dabei
       mobilisierten die Kriege in Irak, Libyen und Syrien auch Indonesier, die
       sich dort militanten Islamisten anschlossen. Nach ihrer Rückkehr werden sie
       stärker überwacht und teilweise in Deradikalisierungsprogramme gesteckt.
       
       31 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR [4] /Todesstrafe-in-Indonesien/!5173017
   DIR [5] https://www.nytimes.com/2021/08/31/us/politics/guantanamo-bali-bombing-charges.html
   DIR [6] https://apnews.com/article/us-guantanamo-bali-bombings-military-commission-e309b757057f42ecba60eaae073c4d19
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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