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       # taz.de -- Freiraum am Fernsehturm: Grün gegenüber Grau
       
       > Der Siegerentwurf zum Rathausforum ist ein Gegenentwurf zum Humboldt
       > Forum. Die Architektenkammer will, dass er möglichst schnell umgesetzt
       > wird.
       
   IMG Bild: Viel Grün verspricht der Siegerentwurf
       
       Berlin taz | Ein wenig Sorge, dass das Ganze wieder zurückgedreht werden
       könnte, ist schon dabei, wenn Theresa Keilhacker nun aufs Tempo drücken
       will. Ein sogenanntes „Auftragsversprechen“ fordert die Präsidentin der
       Berliner Architektenkammer für den Siegerentwurf des Freiraumwettbewerbs am
       Rathaus- und Marx-Engels-Forum. „Das wäre ein Comitment, dass man zu dem
       steht, was man ausgezeichnet hat“, sagt Keilhacker zur taz.
       
       Bereits in der vergangenen Woche waren die Bonner Landschaftsarchitekten
       vom Büro RMP Stephan Lenzen mit dem [1][ersten Preis für ihren Entwurf]
       ausgezeichnet worden. Er sieht vor, das Marx-Engels-Forum mit dem
       Rathausforum zwischen Rotem Rathaus, Marienkirche und Fernsehturm zu einem
       grünen Band zu verbinden. Auch Marx und Engels kehren zurück und wenden dem
       Humboldt Forum ihren Rücken zu.
       
       ## Ein grünes Band
       
       Ein großzügiger Freiraum wird künftig zwischen Humboldt Forum und
       Alexanderplatz die Mitte Berlins prägen. Dafür sollen größere Flächen wie
       etwa am Neptunbrunnen entsiegelt werden. Entlang der Karl-Liebknecht-Straße
       und der Rathausstraße sollen „Flanierbänder“ zur großen Grünfläche an der
       Spree gegenüber des Humboldt Forums führen. Eine Freitreppe soll dann hinab
       zum Ufer führen. Was für ein Kontrast zur steilen Wand, die das Humboldt
       Forum auf der gegenüberliegenden Seite abschirmt.
       
       Die Verbindung zwischen Marx-Engels-Forum und Rathausforum kann natürlich
       nur funktionieren, wenn sie dabei auch die Spandauer Straße überwindet. Die
       teilt als Schneise nach wie vor beide Teilbereiche. Geht es nach dem Bezirk
       Mitte könnte die Spandauer Straße allerdings zurückgebaut werden. Sogar
       eine reine Fußgänger- und Fahrradstraße sei denkbar.
       
       Einen „Meilenstein für die Freiraumgestaltung der Berliner Mitte“ nennt der
       Vorsitzende der Jury, Klaus Overmeyer, den Entwurf. Die Architektenkammer
       spricht von einem „grünen Gegenstück zum weitgehend steinernen Umfeld des
       Humboldt Forums“.
       
       Auch die beiden federführenden Senatsverwaltungen sind zufrieden. Der
       Entwurf entspreche „klar dem Votum der Berliner:innen, die sich im Rahmen
       der Erarbeitung der Leitlinien für Bürgerbeteiligung für den Freiraum als
       Ort der Versammlung, der politischen Aktionen und der Erholung für die
       diverse und kreative Stadtgesellschaft ausgesprochen haben“, sagte
       Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke).
       
       Die grüne Umweltsenatorin Regine Günther betonte, es sei richtig gewesen,
       das Rathaus- und das Marx-Engels-Forum frei von Bebauung zu halten. „Der
       Siegerentwurf bietet hohe Aufenthaltsqualität mit Flächen zum Flanieren,
       zum Ausruhen, zum Genießen von spektakulären Aussichten auf Dom, Humboldt
       Forum und Fernsehturm.“ Damit werde die Mitte „grüner, attraktiver und
       klimarobuster“.
       
       ## Langes Beteiligungsverfahren
       
       An dem Wettbewerb hatten sich in einer ersten Phase 53 Arbeiten Büros
       beteiligt. 21 der eingereichten Arbeiten wurden in einer weiteren Phase des
       Wettbewerbs im Rahmen der Bürgerbeteiligung weiterentwickelt. Dass beide
       Flächen nicht bebaut werden sollten, hatte sich im wohl längsten
       Beteiligungsverfahren seit der Wende herauskristalisiert. So wurde das
       Ergebnis des 2015 gestarteten Verfahrens [2][„Alte Mitte. Neue Liebe“] auch
       2016 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Die zehn Leitlinien sahen unter
       anderem die Schaffung einer nicht-kommerziellen „grünen Oase“ vor. Der
       damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) begrüßte dies: „Der
       Ort ist damit programmiert“, sagte er.
       
       Erleichtert ist auch der SPD-Baustadrat in Mitte, Ephraim Gothe. Es sei
       richtig gewesen, an dieser Stelle nicht überstürzt zu handeln. „So entsteht
       nunmehr die Chance, unter dem Vorzeichen von Klimaanpassung und
       Mobilitätswende die vorhandenen Freiraumstrukturen qualitätsvoll weiter zu
       entwickeln.“
       
       Zuständig für die Umsetzung des Siegerentwurfs ist die landeseigene Grün
       Berlin. sie muss mit dem Büro RMP Stephan Lenzen nun die Details
       verhandeln. Der politische Wille zur Umsetzung des Entwurfs ist aber
       vorhanden. Der taz sagte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel: „Von
       dem Wettbewerbsergebnis jetzt Abstand zu nehmen würde bedeuten, den
       langwierigen, demokratischen Prozess mit Füßen zu treten.“
       
       3 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1118631.php
   DIR [2] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/alexanderplatz/downloads/altemitte-neueliebe/AMNL_Ausstellung-Buergerleitlinien.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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