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       # taz.de -- Polnisches Mediengesetz: Warschau gegen die Demokratie
       
       > Polens Nationalpopulisten riskieren die Freundschaft mit den USA, um an
       > der Macht zu bleiben. Für die Medienfreiheit ist das ein bitterer Schlag.
       
   IMG Bild: Beim Protest für die Pressefreiheit in Wadowice, Polen, am 10 August
       
       „Ami, go home!“ – Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Polen amerikanische
       Investoren aus dem Land werfen will, und das auch noch per Gesetz? Doch die
       regierenden Nationalpopulisten von der Recht und Gerechtigkeit (PiS)
       setzten ihren Willen gegen allen Widerstand durch. Kurz vor Mitternacht
       stimmte am Mittwochabend der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, über ein
       hoch [1][umstrittenes Mediengesetz] ab, das sich explizit gegen den
       unabhängigen und regierungskritischen Privatsender TVN richtet.
       
       Eigentümer des Senders ist über eine Holding in den Niederlanden der
       amerikanische Medienkonzern Discovery. 2015 hatte er den zehn Jahre zuvor
       von Polen gegründeten Sender für über eine Milliarde Dollar gekauft und zu
       einem wichtigen Player auf dem Medienmarkt Polens ausgebaut. Millionen
       Polen und Polinnen verfolgen jeden Abend die TVN-Hauptnachrichtensendung
       „[2][Fakty]“.
       
       Durch die Gesetzesnovelle wird Discovery gezwungen, 51 Prozent seiner
       Anteile an TVN zu verkaufen oder aber Polen ganz zu verlassen. Denn
       Investoren, die nicht dem EU-Wirtschaftsraum – das sind die EU, Norwegen,
       Liechtenstein und Island – angehören, dürfen künftig nur mehr 49 Prozent
       Anteile eines Medienunternehmens in Polen besitzen.
       
       Angeblich, so die zum Teil abstrusen Begründungen, soll das Gesetz Polen
       vor der internationalen Drogenmafia schützen und vor dunklen Machenschaften
       kolumbianischer, chinesischer oder russischer Oligarchen. In Wahrheit
       trifft das Gesetz einzig und allein Amerikaner, also enge Freunde Polens.
       Marek Suski, der Initiator der „Lex TVN“, bekannte in einem Interview, dass
       es der PiS darum gehe, „Einfluss auf den Inhalt der Sendungen“ zu bekommen,
       indem polnische Unternehmer sich dort einkauften.
       
       Sollte nicht noch ein Wunder geschehen, droht TVN nun die Umgestaltung in
       eine PiS-Propagandaschleuder, wie zuvor schon dem ehemaligen
       öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das Gesetzesprojekt wandert nun weiter in
       den Senat, die zweite Kammer des Parlaments, die Verbesserungsvorschläge
       machen oder das Gesetzesprojekt auch in Gänze ablehnen kann. Der Sejm kann
       dies anerkennen oder aber überstimmen und dann das Gesetz an den
       Präsidenten weiterleiten, der es unterschreiben muss.
       
       Die „Lex TVN“ führte kurz vor der Abstimmung zum Bruch der
       Regierungskoalition, so dass die PiS-geführte Regierung nun über keine
       feste Mehrheit mehr im Sejm verfügt und diese bei jeder Abstimmung neu
       zusammensuchen muss. Wie erbärmlich das aussehen kann, zeigte bereits die
       Sejmsitzung von Mittwoch Nacht, als die PiS eine eigentlich gültige
       Abstimmung, die sie verloren hatte, einfach annullieren und wiederholen
       ließ.
       
       In der einen Stunde zwischen den beiden Abstimmungen gelang es der PiS,
       drei Oppositionelle aus dem rechten Lager zu „kaufen“. Obwohl die anderen
       Oppositionellen empört aufstanden, mit dem Finger auf die Umfaller deuteten
       und sie so brandmarkten, stimmten diese in der Folge mit den PiS-lern. 30
       Jahre nach der politischen Wende ist von der einst so hart erkämpften
       Demokratie und [3][Pressefreiheit in Polen] kaum noch etwas übrig.
       
       12 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Streit-um-Mediengesetz-in-Polen/!5793278
   DIR [2] https://fakty.tvn24.pl/
   DIR [3] /Pressefreiheit-in-Polen/!5786010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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