# taz.de -- Braunkohle-Tagebau Garzweiler: Mit Triole gegen Kohle
> Am Braunkohle-Tagebau Garzweiler wird der Herbst des Widerstands
> ausgerufen. Das Polit-Orchester Lebenslaute legt die Förderbänder still.
IMG Bild: Singende und Musizierende: Lebenslaute im Tagebau Garzweiler am Sonntag
Aachen taz | Ansgar, Chorsänger aus Freiburg, verließ am späten
Sonntagabend als einer der letzten unter prasselndem Applaus die
Gefangenensammelstelle des Aachener Polizeipräsidiums. Ansgar war einer der
23 vorläufig Festgenommenen, die um sechs Uhr morgens mit fast hundert
Leuten im Tagebau Garzweiler, so die Polizeimeldung später, „gemeinsam zu
musizieren begannen und sich als Aktionsgruppe Lebenslaute zu erkennen
gaben“. Das eigene Motto war prosaischer: „Mit Achtel und Triole gegen
Klimakiller Kohle.“ Für einen halben Tag standen die Bänder still.
„Bach-Suiten unter dem Förderband“ hatte Lebenslaute schon am Morgen aus
dem Loch gemeldet.
Jetzt, nach Sonnenuntergang, sangen, geigten und bliesen die
Lebenslaute-MusikerInnen vor dem Präsidium, wann immer sich das Metalltor
öffnete. Manche lachten vor Erleichterung, Ansgar wirkte angeschlagen: „Das
Ganze war dermaßen erniedrigend. Drinnen war ich tapfer, aber hier draußen
musste ich erst mal heulen.“ Nach vielen Stunden Leibesvisitation,
Fotoshooting, Fingerabdrücken.
Lebenslaute, das bundesweite Polit-Orchester, hatte 2014 den renommierten
Aachener Friedenspreis bekommen. Jetzt berichteten die Ensemble-Mitglieder
von demütigendem Verhalten der Aachener Polizei: stundenlange Isolation in
abgeriegelten Einzelzellen, sehr zufällige Blicke männlicher Polizisten bei
der Nacktkontrolle der Frauen. Ein Mitglied hatte erfolgreich den Chip
seiner Filmkamera im Schuh versteckt. Darauf Szenen der gewalttätigen
Angriffe von RWE-Leuten im Tagebau. Vier verletzte MusikerInnen gab es am
Ende.
Am Wochenende war in Lützerath im Rheinischen Revier der Herbst des
Widerstands ausgerufen worden. Auf dem kleinen Erdwall zum Loch hatten die
AktivistInnen von „Alle Dörfer bleiben“ mit Holzschildern die
1,5-Grad-Grenze markiert. Bis hierhin und nicht weiter. Bazon Brock, 85,
Philosoph und Ikone der Politkunst, hielt am Kraterrand [1][einen fast
zweistündigen Monolog], klug, anklagend, unterhaltsam: „Der Abgrund ist
eine beliebte, große Metapher. Heute ist der größte Wunsch der kleinen
Leute, am Fernsehen dem Weltuntergang zusehen zu können, die Faszination
der schöpferischen Zerstörungsarbeit. Dabei waren Großtaten der Menschheit
immer das Unterlassen.“ Luisa Neubauer von Fridays-For-Future sagte: „Alle
Dörfer bleiben – Armin Laschet muss es nicht.“ Dann zogen dutzende der rund
tausend Leute über Seilwinden ein zuvor gezimmertes Baumhaus in die Höhe.
Hundert Meter weiter, direkt vor dem Loch, steht wie ein Trutzsymbol der
250 Jahre alte Hof von Eckhardt Heukamp, dem RWE ans Gemäuer will. Heukamp
klagt dagegen. 90.000 Euro, sagt er der taz, werde sein Verfahren kosten,
vor allem durch teure Gutachten. Erzählte es und ging arbeiten. „Ich muss
unbedingt noch dreschen, bevor wieder Regen kommt.“ Heukamp will auch 2022
noch reichlich dreschen.
16 Aug 2021
## LINKS
DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=GNPFYFa0QFw
## AUTOREN
DIR Bernd Müllender
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