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       # taz.de -- Deutscher Außenseiter bei den US Open: Mann mit Mumm und Magenproblem
       
       > Oscar Otte steht bei den US Open in der dritten Runde. In der
       > Qualifikation drohte ihm noch das Aus – und er musste sich gleich zweimal
       > übergeben.
       
   IMG Bild: In Runde drei der US Open: Tennisspieler Oscar Otte
       
       Berlin/New York taz | Als Oscar Otte Ende Mai 2019 auf dem Centre Court der
       French Open [1][gegen Roger Federer] vorspielen durfte, wirkte er noch wie
       ein staunendes Kind, das es ins Tenniswunderland katapultiert hatte. „Total
       unwirklich“ sei das Ganze, sagte Otte damals, „ich spiele gegen mein
       eigenes Idol. Gegen jemanden, den ich sonst nur im Fernsehen bewundere.“
       
       Otte schlug sich wacker damals, er verlor zwar in drei Sätzen, zeigte aber
       sein typisches Spiel voller Courage und Leidenschaft. Man werde noch von
       Otte hören, gab Federer zum Ende des Tages offiziell zu Protokoll: „Das ist
       ein Mann mit Mumm.“
       
       Zwei Jahre und drei Monate später ist Otte immer noch ein Pendler zwischen
       verschiedenen Tenniswelten. Oft bereist er die Schauplätze der zweiten oder
       manchmal auch dritten Lage, die gleichwohl anspruchsvollen Challenger- und
       Future-Wettbewerbe. Direkt vor den laufenden
       Grand-Slam-Ausscheidungsspielen in New York war der hochgewachsene Bursche
       aus der Kölner Südstadt beispielsweise noch beim Challenger-Turnier in
       Meerbusch engagiert.
       
       Aber immer öfter ist Oscar Otte eben auch auf den größten Bühnen zu
       bestaunen, bei den Majors, die Wert und Bedeutung eines Berufsspielers
       massiv abbilden. Dort gut abzuschneiden, „das zählt mehr als alles andere“,
       weiß Otte, der mit einem souveränen Dreisatzerfolg gegen den Amerikaner
       Denis Kudla am Donnerstag erstmals die Runde der letzten 32 bei einem
       Grand-Slam-Spektakel erreichte.
       
       ## Spätberufener mit Potenzial
       
       „Ein brutal schöner Moment“ sei das jetzt, sagt Otte, „der Lohn für all
       das, was man so investiert hat in den letzten Jahren.“ Ganz nebenbei auch
       der Lohn für so manchen Verletzungsrückschlag, für längere Auszeiten, in
       denen er nur ohnmächtig zusehen konnte.
       
       Und langsam aber stetig kämpft sich der Riese nun an die Besten heran, an
       die Promis der Branche. „Ich merke, dass ich mich auf diesem Level, auf
       diesem Terrain immer wohler fühle“, sagt der 28-Jährige, der zu den
       Spätberufenen zählt, [2][die erst mit Mitte zwanzig oder Ende dreißig ihr
       Potenzial so richtig auszuschöpfen beginnen]. Otte sieht sich auf gutem
       Weg, „noch ein paar schöne Jahre“ in der Karawane der Tennisnomaden zu
       verbringen und einige seiner Träume zu verwirklichen, auch den, „irgendwann
       mal für Deutschland zu spielen, am liebsten im Davis Cup.“
       
       Als Außenseiter, den es eher mal zufällig ins ganz große Tennis verschlagen
       hat, sieht ihn trotz Ranglistenplatz 144 jedenfalls keiner mehr. Was vor
       allem mit zwei bemerkenswerten Grand-Slam-Vorstellungen in diesem Jahr zu
       tun hat.
       
       Bei den French Open schien Otte einer der größten Saisonüberraschungen
       nahe zu sein, als er in der ersten Runde mit 2:0 Sätzen gegen Landsmann und
       Mitfavorit Alexander Zverev in Führung ging – bevor ihn erst die Kräfte und
       dann auch die Siegeszuversicht bei der Fünfsatzniederlage verließen.
       
       In der zweiten Wimbledon-Runde gegen Schottlands Braveheart Andy Murray
       lag Otte im Sommer auch mit 2:1 Sätzen in Front, ehe der Kräfteabfall kam.
       Und mit ihm das Turnier-Aus. Murray rief ihm am Netz keineswegs nur
       pflichtschuldig zu, er solle einfach nur so weitermachen, dann würden die
       Ergebnisse schon kommen.
       
       ## Verrückte Qualifikation
       
       Woran sich Otte auch hielt. Nun steht er erstmals in der dritten
       Major-Runde – obwohl er auf den allerersten US-Open-Metern, in der
       unprätentiösen Bewerbungsphase ohne Zuschauer, gleich mehrfach vor dem Aus
       stand. Otte musste in der Qualifikation sowohl gegen den Argentinier Renzo
       Olivo als auch gegen den Franzosen Constant Lestienne Matchbälle abwehren,
       er kämpfte auch gegen sich selbst, gegen die Übelkeit in drückender
       Schwüle, er übergab sich in beiden Spielen, stand schließlich nach einem
       weiteren Dreisatz-Fight in der letzten Runde im Hauptfeld.
       
       „Es ist verrückt. Aber ich mag diese umkämpften Matches, dieses Hoch und
       Runter, diese Gefühlsschwankungen“, sagt Otte, „es ist eine
       Herausforderung, die ich gern annehme.“
       
       Runde 150.000 Euro hat er schon verdient bei diesen US Open 2021, es ist
       der dickste Preisgeldscheck seiner Karriere. Gegen den ewigen
       Tennisvagabunden Andreas Seppi, den 37-jährigen Südtiroler, könnte noch ein
       bisschen was an finanzieller Wegzehrung draufkommen. Es könnte auch wieder
       lang und länger dauern, ein Fünfsatz-Match gegen Marathonmann Seppi wäre
       durchaus möglich. „Ich bin auf alles vorbereitet“, sagt Otte, der kölsche
       Jung, „diese Reise soll noch ein bisschen weitergehen.“
       
       3 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR Jörg Allmeroth
       
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