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       # taz.de -- Olympische Berichterstattung: Mediale Zerfaserung
       
       > Das IOC mag mit aufwendig produzierten Olympiavideos jüngere Fans
       > gewinnen. Die TV-Quoten der Spiele in Tokio sind dennoch miserabel.
       
   IMG Bild: Coolness-Kicks: Skateboard-Wettbewerbe lassen sich für das junge Publikum medial bestens inszenieren
       
       Wer nach den Olympischen Spielen von Tokio noch eine Dosis
       Hochleistungssport braucht, der schaut den Olympic Channel des
       Internationalen Olympischen Komitees. In diesen Tagen sind sämtliche
       Wettbewerbe von Tokio in den Optionen „Re-Live“, „Big Splash“ und „Olympic
       Channel TV“ noch einmal zu sehen. Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser
       Kolumne läuft gerade der Hammerwurf der Männer mit dem Türken Apak und dem
       Ukrainer Kokhan.
       
       Der Zuspruch in der Gemeinde der Olympiafreunde dürfte überschaubar sein,
       aber das ist dem IOC wohl egal, denn es geht den Olympiaverwaltern um
       Präsenz – und ein Lockangebot für junge Zuschauer; außerdem hält sich das
       IOC eh an seinen Wachstumszahlen fest: Seit Gründung gab es wohl 3,3
       Milliarden Videoaufrufe auf allen Plattformen, und in den vergangenen
       Jahren wurden mehr als 25.000 Videoinhalte in 206 Ländern erstellt. Das
       klingt gleich ganz anders als Hammerwerfen mit Apak und Kokhan.
       
       Der Olympic Channel wurde 2016 gegründet. Das Hauptquartier befindet sich
       in Madrid. Mit 490 Millionen Dollar wurde der 24 Stunden am Tag und sieben
       Tage die Woche funkende Sender im ersten Vier-Jahres-Zyklus ausgestattet.
       Das war vor allem IOC-Chef Thomas Bach wichtig, der die Medienoffensive in
       seine olympische Reformagenda 2020 gepackt hatte. Die Ideen dahinter: Ein
       jüngeres Publikum gewinnen und den Sportlern zwischen den Spielen eine
       Plattform bieten. Punkt eins scheint halbwegs geklappt zu haben, denn das
       IOC gibt an, die Nutzer seien mehrheitlich jünger als 35 Jahre. Sie werden
       mit aufwändigen Videoproduktionen aufs olympische Terrain gelockt, mit
       Coolness-Kicks und neuen Sportarten wie Klettern, 3x3-Basketball oder
       Skateboard.
       
       Das IOC mag jüngere Fans gewinnen, aber gleichzeitig tun sich zwei große
       Problemfelder in der Phase des medialen Umbruchs auf: Die klassischen
       TV-Quoten gehen zurück. Das ist ein Trend, der sich bei diesen
       zuschauerfreien Spielen noch verstärkt hat. Der US-Olympiasender NBC, der
       2014 für die Senderechte bis ins Jahr 2032 satte 7,75 Milliarden US-Dollar
       gezahlt hatte, klagte über schlechte Quoten. Die 19-tägige Veranstaltung
       verzeichnete durchschnittlich 15,5 Millionen Zuschauer zur Hauptsendezeit
       im NBC-Broadcast-Netzwerk und auf digitalen Plattformen, teilte das
       Unternehmen mit.
       
       Neuer Negativrekord 
       
       So wenig waren es noch nie seit NBC Olympische Spiele überträgt: 1988. Die
       Zahl sank unter jene 31,1 Millionen Zuschauer, die die Sommerspiele in
       London über TV und Onlinekanäle verfolgten – und jene 26,7 Millionen, die
       sich für die Spiele 2016 in Rio de Janeiro interessierten. Gleichzeitig
       vermeldete Discovery/Eurosport die tollsten Streamingerfolge, was aber
       angesichts der Referenzgröße Olympische Winterspiele in Pyeongchang nicht
       verwunderlich war.
       
       In den USA beklagten sich viele Fans über das zerfaserte Olympia-Angebot
       auf mehreren Kanälen, während es von jüngeren Konsumenten eher geschätzt
       wird, sich das Programm selbst zusammenzustellen. Mark Parkman, der
       Generaldirektor des Olympic Channel, hat längst erhoben, dass das Publikum
       während der Übertragungen gern mit einem zweiten Bildschirm hantiert; 66
       Prozent gurken währenddessen auf Social Media herum und 58 Prozent surfen
       zusätzlich im Internet.
       
       Es ist eine volatile Gruppe, deren Aufmerksamkeit schnell wegschnippt vom
       Olympischen. Und das ist Problem Nummer zwei. Parkman will es mit
       Datenanalyse und Learning by doing lösen: „Das Schöne an der Technologie,
       mit der wir jetzt leben, ist doch: Ich kann jederzeit auf unser Dashboard
       gehen und die Daten abrufen, wer was sieht, wo und wie lange.“ Das kann
       freilich auch ernüchternd sein.
       
       20 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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