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       # taz.de -- Chinas neues Datenschutzgesetz: Staat darf weiter schnüffeln
       
       > Chinas neues Datenschutzgesetz bereitet heimischen Tech-Konzernen
       > Probleme. Es schützt die Bevölkerung vor Datenkraken-Firmen, nicht vor
       > dem Staat.
       
   IMG Bild: Dauerüberwacht vom Staat: chinesische Internetnutzer
       
       Peking taz | Noch ehe der Gesetzestext veröffentlicht wurde, führte allein
       dessen Ankündigung zum Kurseinbruch führender Tech-Firmen: Der Hongkonger
       [1][Hang Seng Tech]-Index, der unter anderem die Aktien von Meituan,
       Tencent und Xiaomi handelt, ist am Freitag um 2,5 Prozentpunkte gefallen.
       Die Investoren reagierten damit auf eine Meldung der Nachrichtenagentur
       [2][Xinhua], die für die [3][großen Internet-Konzerne] zumindest
       kurzfristig einer Hiobsbotschaft gleichkommt: Am Freitag verabschiedete der
       Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongress ein neues
       [4][Datenschutzgesetz], das am 1. November in Kraft treten wird. Laut der
       Beratungsfirma „Trivium China“ zählt es zu den strengsten weltweit.
       
       Während kleinere Start Ups und mittelständische Unternehmen geschont
       werden, sollen vor allem [5][die großen Tech-Riesen stärker reguliert]
       werden. Diese dürfen laut einem ersten Entwurf des Gesetzestextes nicht
       mehr „exzessiv persönliche Daten sammeln“ und müssen „robuste
       Compliance-Systeme zum Schutz personenbezogener Daten“ einführen.
       
       Ebenso soll die Möglichkeit stark eingeschränkt werden, Nutzerdaten ohne
       deren explizite Zustimmung zu sammeln. Bei Verstößen werden satte
       Geldstrafen in Höhe von bis zu 50 Millionen RMB (etwa 6,5 Millionen Euro)
       oder fünf Prozent des Jahresgewinns fällig. Zudem werden auch Verbote gegen
       den illegalen Handel von Informationen ausgeweitet sowie das Verwenden von
       personenbezogenen Daten durch Algorithmen stärker reguliert.
       
       Seit der Jahrtausendwende keimten in China immer mal wieder Debatten über
       Datenschutz auf, die jedoch teilweise vom Zensurapparat unterdrückt wurden.
       So richtig aktuell ist das Thema erst geworden, nachdem die „mobile
       economy“ ihren Siegeszug in der Volksrepublik antrat und der öffentliche
       Raum in Chinas Städten praktisch vollständig von Überwachungskameras
       ausgeleuchtet wurde.
       
       ## Zorn auf Tech-Konzerne
       
       Zuletzt haben sich vor allem die großen Internet-Firmen regelmäßig den Zorn
       der Bevölkerung zugezogen. So wurde zuletzt transparent, dass von
       E-Commerce-Anbieter bis hin zu Online-Fahrdienstvermittlern praktisch
       sämtliche Tech-Plattformen identische Produkte oder Dienstleistungen zu
       unterschiedlichen Preisen anbieten. Auf Grundlage von Nutzerprofilen der
       Unternehmen müssen etwa Iphone-Nutzer mehr zahlen als Besitzer eines
       Android-Handys; oder Kunden in den Ostküstenmetropolen tiefer in die Tasche
       greifen als in kleineren Städten in den Provinzen.
       
       Auch war es gängige Praxis, dass Online-Shopping-Plattformen ihre
       Machtposition ausnutzten, um Produzenten dazu zu drängen, sämtliche Waren
       exklusiv auf ihrer App anzubieten. Alibaba musste deswegen zuletzt im Mai
       eine Rekordstrafe in Höhe von umgerechnet über 2 Milliarden Euro zahlen.
       
       Dabei hatte es durchaus Kalkül, dass heimische Unternehmen lange bei
       Datenschutzverstößen nur lax verfolgt wurden. Schließlich gab dies den
       boomenden Tech-Firmen einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz
       aus dem Ausland. Zudem fungieren die Aufsichtsbehörden in China stets nach
       dem Motto: erstmal laufen lassen, um dann rückwirkend umso härter
       durchzugreifen.
       
       ## Der Elefant im Raum
       
       Nun versucht nämlich die Staatsführung in Peking, die Grundlage für den
       sicheren Umgang mit Daten für die nächsten Jahrzehnte zu legen. Dabei
       orientiert sich das Gesetz zuallererst an den strengen
       [6][Datenschutzverordnungen der Europäischen Union].
       
       Für die großen Unternehmen bedeuten die Neuerungen vor allem große
       Kopfschmerzen. Sie werden in den nächsten Monaten zunehmend Ressourcen
       darauf verwenden, um sämtliche Vorschriften einhalten zu können. Zumindest
       mittelfristig wird sich dies auch in steigenden Preisen widerspiegeln.
       
       Der offensichtliche Elefant im Raum wird jedoch in China nicht adressiert:
       Während die Regierung zwar seine Bevölkerung vor unternehmerischen
       Datenkraken schützt, gibt es keine Kontrollinstanz gegenüber der größten
       Datenkrake von allen – dem Staat selbst. Denn dieser erwartet weiterhin,
       großzügig Informationsflüsse von seinen Unternehmen abzuschöpfen zu können.
       
       20 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hsi.com.hk/eng/indexes/all-indexes/hstech
   DIR [2] http://www.news.cn/english/china/index.htm
   DIR [3] /Schlag-gegen-Fahrdienstvermittler-Didi/!5784129
   DIR [4] /China-koennte-Computerspiele-regulieren/!5786650
   DIR [5] /Big-Data-und-Ueberwachung-in-China/!5765958
   DIR [6] /Datenschuetzer-gegen-Cookie-Banner/!5792512
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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