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       # taz.de -- Evakuierungschaos in Afghanistan: „Wir werden euch heimholen“
       
       > US-Abgeordnete wollen eine Anhörung wegen der Fehler beim Truppenabzug.
       > Biden weist die Kritik zurück und konzentriert sich auf die
       > Evakuierungen.
       
   IMG Bild: Sieht keine Fehler in der bisherigen Afghanistan-Politik: US-Präsident Joe Biden
       
       Washington taz | Der US-amerikanische Präsident versprach am Freitag Abend
       bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus: „Wir werden euch heimholen.“ Dies
       gelte nicht nur für US-Bürger*innen, sondern auch für Bürger*innen aus
       alliierten Drittstaaten, afghanische Helfer*innen und andere gefährdete
       Bevölkerungsgruppen wie Frauen, so der 78-Jährige.
       
       Aktuell befinden sich knapp 6.000 US-Einsatzkräfte in Afghanistan, die für
       die Planung und Durchführung der Evakuierungen zuständig sind. Seit Montag
       habe das US-Militär fast 13.000 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt
       Kabul ausgeflogen, erklärte Biden. 5.700 davon innerhalb der letzten 24
       Stunden. Tausende weitere seien an Bord von Charterflügen in andere Länder
       evakuiert worden. Trotz der steigenden Evakuierungszahlen bleibt die Lage
       in Afghanistan weiter angespannt. „Bildet euch nichts Falsches ein, dieser
       Evakuierungseinsatz ist gefährlich“, sagte Biden.
       
       ## Beschämende Bilder
       
       Nach dem Zusammenbruch der afghanischen Regierung waren Videos um die Welt
       gegangen. Darin war zu sehen, wie Menschen den Flugplatz in Kabul stürmten
       und verzweifelt versuchten, einen Platz in einem der Evakuierungsflüge zu
       ergattern. Es waren beschämende Bilder für die USA und ihre Verbündeten,
       auch für Deutschland. Der CNN-Korrespondentin Clarissa Ward zufolge
       versuchten die Taliban die Menschenmassen mit Gewalt unter Kontrolle zu
       bringen. Schüsse in die Menge seien dabei keine Seltenheit. Es sei ein
       Wunder, dass bisher nicht mehr Menschen ernsthaft verletzt wurden.
       
       Die fehlerhafte Planung des US-Truppenabzugs wird von allen Seiten
       kritisiert, auch aus den eigenen Reihen. In der kommenden Woche wollen
       Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus und Senat in einer Anhörungen
       herausfinden, wie es zur aktuellen Situation kommen konnte. Der
       demokratische Senator Bob Menendez sei enttäuscht über Präsident Biden und
       die Regierung, die offensichtlich die Folgen des Abzugs nicht richtig
       beurteilt haben. „Was wir jetzt sehen, sind die tragischen Resultate von
       jahrelangen Versäumnissen in der Politik und den Geheimdiensten“, so der
       Vorsitzende des Senatsausschusses für Auslandsbeziehungen.
       
       Viele Kritiker sehen den Ursprung für die aktuellen Probleme in Afghanistan
       beim Ex-Präsidenten Donald Trump. Dessen Regierung hatte sich im Februar
       2020 auf ein Friedensabkommen mit den Taliban geeinigt, das einen
       US-Truppenabzug aus Afghanistan zum 1. Mai 2021 vorsah. Justin Russel,
       Direktor des außenpolitischen Think Tanks New York Center for Foreign
       Policy Affairs zufolge, sei die Trump-Regierung von den Taliban während der
       Verhandlungen in Doha im letzten Jahr vorgeführt worden. Sowohl Trump als
       auch Biden hätten die Stärke der Taliban unterschätzt. „Es ist ein
       politisches und geheimdienstliches Versagen epischen Ausmaßes“, sagte er im
       Gespräch mit der taz.
       
       ## Biden sieht keine Fehler
       
       Das stümperhafte Verhalten der beiden letzten Regierungen könnte zur
       Verschlechterung der nationalen Sicherheitslage beitragen, eine humanitäre
       Krise auslösen und die bereits angekratzte Verlässlichkeit der USA weiter
       schmälern. Biden sieht das aber anders. Die Terrorismusbekämpfung habe sich
       in den letzten zwei Jahrzehnten so stark weiterentwickelt, dass auch ohne
       US-Truppen in Afghanistan keine höhere Terrorgefahr bestehe. Außerdem habe
       er in seinen Gesprächen mit Nato-Partnern und anderen Alliierten keine
       Frage zur Verlässlichkeit der USA erhalten. „Ganz im Gegenteil, wir handeln
       unverzüglich und tun genau das, was wir gesagt haben“, sagte Biden.
       
       Unterstützung erhält Biden von Douglas Lute, dem ehemaligen
       stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater für Irak und Afghanistan
       unter dem früheren Präsidenten George W. Bush. Im Gespräch mit der taz
       sagte er: „Am Ende des Tages haben wir unser wichtigstes nationales
       Interesse mit der Tötung von Osama bin Laden erreicht.“ Der US-Regierung
       sei die Umstrukturierung des afghanischen Saates zwar nicht gelungen, das
       sei aber seiner Meinung nach eh ein „überambitioniertes Ziel“ gewesen.
       
       Sollte Präsident Biden Recht behalten und die Evakuierungsmission bis zum
       31. August vollständig abgewickelt sein, dann wäre es das offizielle Ende
       des längsten Krieges in der US-Geschichte.
       
       21 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hansjürgen Mai
       
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