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       # taz.de -- Tierversuche trotz Verbot: Kaninchen leiden für Kosmetika
       
       > In der EU dürfen für die Schönheit keine Tierversuche mehr durchgeführt
       > werden. Über Experimente wurden mehr als 60 Substanzen dennoch so
       > zugelassen.
       
   IMG Bild: Kaninchen im Stall, noch nichts ahnend
       
       Berlin taz | Obwohl die EU Tierversuche für Kosmetika verboten hat, finden
       solche Experimente etwa an Kaninchen oder Mäusen immer noch statt. Ende
       Dezember waren bei der EU-Chemikalienbehörde (ECHA) 63 Substanzen
       ausschließlich für Mittel zur Schönheitspflege registriert auf der
       Grundlage von Tierversuchen, und zwar aus der Zeit, nachdem das Verbot in
       Kraft getreten war.
       
       Das geht aus einer neuen Studie des [1][Center for Alternatives to Animal
       Testing] hervor, eines Instituts der Johns Hopkins School of Hygiene and
       Public Health in den USA. VerbraucherInnen „könnten nicht mehr darauf
       vertrauen, dass die von ihnen gekauften Kosmetikprodukte nicht an Tieren
       getestet wurden“, schreiben die WissenschaftlerInnen, darunter ein
       Mitarbeiter des Chemiekonzerns Clariant.
       
       Tieren Schmerzen auszusetzen oder sie zu töten, um die Verträglichkeit und
       Sicherheit von Kosmetika zu testen, ist viel umstrittener als Experimente
       etwa für Medikamente. Denn Letztere dienen der Gesundheit, auf
       Schönheitspflegemittel dagegen lässt sich viel leichter verzichten.
       
       Deshalb untersagte die EU in ihrer [2][Verordnung über kosmetische Mittel],
       ab 2009 mithilfe von Tierversuchen zu testen, ob solche Produkte Haut und
       Augen reizen. Seit 2013 sind die Tests auch verboten, um mögliche
       Langzeitschäden zu ermitteln.
       
       ## Zahl der Tierversuche nach 2009 gesunken
       
       Deshalb sei die Zahl der Tierversuche für Kosmetika nach 2009 „steil
       gefallen“, so die ForscherInnen. Trotzdem fanden sie in der ECHA-Datenbank
       104 Tierversuche etwa für Hautpflegecremes, Haarfärbemittel und Parfüms.
       Die Ursache sei in den meisten Fällen ein anderes EU-Gesetz: die Verordnung
       zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe
       (REACH).
       
       Sie verpflichtet HerstellerInnen oder HändlerInnen dazu, die Sicherheit
       aller in nennenswerten Mengen verkauften Chemikalien nachzuweisen –
       zuweilen eben auch durch Tierversuche. „Und das wird wahrscheinlich
       weitergehen, weil die ECHA weiterhin REACH-Registrierungsanträge
       bearbeitet“, prognostizieren die WissenschaftlerInnen.
       
       Die EU-Kommission teilte der taz mit, das Verbot aus der
       Kosmetikaverordnung betreffe nicht die Tests, die REACH für die
       Auswirkungen auf die Umwelt und die Sicherheit von ArbeiterInnen der
       Hersteller verlange. Deshalb sehe die Kommission auch keinen Widerspruch
       zwischen den beiden Regelungen.
       
       ## Chemiekonzern zu Tierversuchen verpflichtet
       
       Zudem würden nur in „sehr wenigen Fällen“ Tests an Wirbeltieren verlangt.
       Die ersten seit 2013 seien die beiden Fälle, in denen die ECHA den
       deutschen Chemiekonzern Symrise zu Tierversuchen verpflichtete. Dagegen
       klagt er derzeit vor dem Gericht der Europäischen Union.
       
       Der Industrieverband Cosmetics Europe schrieb der taz in einer
       Stellungnahme zu der Studie, die „Schnittstelle“ der Verordnung zu Kosmetik
       mit der über Chemikalien stelle „Herausforderungen dar“. Man fordere die
       ECHA auf, „immer den Einsatz von Methoden ohne Tierversuche zu erwägen“.
       
       „Es ist ein Unding, dass uns Verbrauchern seit 2013 suggeriert wird, in der
       EU erhältliche Kosmetika seien frei von Tierversuchen. Dies ist nicht der
       Fall“, sagte Sabrina Engel, Biotechnologin der Tierrechtsorganisation Peta.
       „Das massive Tierleid, das mit der EU-Kosmetikverordnung eigentlich schon
       seit 2013 der Vergangenheit angehören müsste, muss endlich gestoppt
       werden.“
       
       24 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.altex.org/index.php/altex/article/view/2291/version/2353
   DIR [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32009R1223&from=DE
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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