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       # taz.de -- Steinkohlekraftwerk Datteln IV: Klimakiller vor Gericht
       
       > Am Donnerstag könnte das Gericht den Bebauungsplan für Datteln IV kippen.
       > Dessen Betriebsgenehmigung wäre dann wohl nicht mehr zu halten.
       
   IMG Bild: Laserprojektion in einer Mainacht: Protest gegen die Inbetriebnahme von Datteln IV
       
       Berlin taz | Das juristische [1][Tauziehen um das als „Schwarzbau“
       kritisierte Steinkohlekraftwerk Datteln IV] im nördlichen Ruhrgebiet geht
       in eine neue Runde: Am Donnerstag verhandelt das nordrhein-westfälische
       Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster eine Normenkontrollklage gegen den
       riesigen Ofen, der bei Vollauslastung jedes Jahr bis zu 8 Millionen Tonnen
       des Klimakillers Kohlendioxid ausstoßen kann – das sind fast vier Prozent
       der gesamten Treibhausemissionen des größten Bundeslands.
       
       Die von der Umweltschutzorganisation BUND, der Nachbarstadt Waltrop und
       vier Privatpersonen getragene Klage richtet sich gegen den neuen
       Bebauungsplan, mit dem der Dattelner Stadtrat 2014 versucht hat, das
       Kraftwerk nachträglich abzusichern. Einen ersten Bebauungsplan hatte das
       OVG schon 2009 für unwirksam erklärt: Der seit 2007 gebaute 1.100 Megawatt
       starke Kohleblock befinde sich schlicht am falschen Platz, befand das
       Gericht. Der damalige Landesentwicklungsplan sah einen fünf Kilometer
       entfernten Standort vor. Außerdem habe die Stadt Datteln das
       „Gefährdungspotenzial des Kraftwerks und den Schutz der Bevölkerung“ nicht
       ausreichend beachtet, erklärten die Richter.
       
       Denn die milliardenschwere Investition des 2016 vom Energiekonzern Eon
       abgespaltenen Stromerzeugers Uniper steht schlicht zu nah an Wohnhäusern.
       Nur 480 Meter entfernt liegt die Dattelner Meistersiedlung. „Wir hoffen
       sehr, dass das OVG auch den neuen, 2014 beschlossenen Bebauungsplan für
       unwirksam erklärt“, sagte Rainer Köster, Sprecher der
       Interessengemeinschaft Meistersiedlung am Dienstag bei einer
       Pressekonferenz am Dortmund-Ems-Kanal, direkt gegenüber dem Kraftwerk.
       „Dann wäre auch die Betriebsgenehmigung zumindest mittelfristig nicht mehr
       haltbar.“
       
       Die Umweltschützer*innen des BUND beklagen außerdem, die
       Feinstaubbelastung in unmittelbarer Kraftwerksnähe sei fehlerhaft ermittelt
       worden – dabei liegt die Vestische Kinder- und Jugendklinik weniger als
       einen Kilometer entfernt. Außerdem bedrohe der Kohleblock ein nahegelegenes
       Naturschutzgebiet durch massiven Stickstoffausstoß mit Versäuerung.
       
       ## Schwarzer Schnee
       
       Auch der Abbau der in Datteln verfeuerten [2][Steinkohle aus Kolumbien und
       Russland] stehe für massive Umweltverschmutzung, erklärte Alexandra
       Koroleva, Sprecherin der russischen Umweltorganisation Ecodefense – im
       sibirischen Kuzbass haben Steinkohle-Tagebaue ganze Regionen in
       Mondlandschaften verwandelt. „Im Winter fällt schwarzer Schnee“, erklärte
       die aus Angst vor politischer Verfolgung nach Deutschland geflohene
       Umweltaktivistin. „Die Lebenserwartung liegt bis zu vier Jahre unter dem
       russischen Durchschnitt.“
       
       Dass Datteln IV 2020 [3][als wohl letztes deutsches Kohlekraftwerk
       überhaupt noch ans Netz gehen konnte], verdanken Eon und Uniper einer ganz
       großen Koalition aus CDU, FDP und SPD. Mit deren Stimmen beschloss der
       Regionalverband Ruhr 2013 ein „Zielabweichungsvefahren“ – und im selben
       Jahr ermöglichte die Rot-Grüne Landesregierung auf Druck der damals noch
       bergbautreuen Sozialdemokraten eine neue Regionalplanung, mit der der
       „Schwarzbau“ Datteln IV nachträglich legalisiert werden sollte und die den
       heute gültigen neuen Bebauungsplan von 2014 überhaupt erst ermöglichte.
       
       ## „Sehr zuversichtlich“
       
       2020 machte dann Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet
       Druck, damit Datteln IV trotz Kohlekompromiss ans Netz durfte. Der Neubau
       ersetze die drei alten Blocke 1 bis 3, argumentierte der DU-Kanzlerkandidat
       – dabei wurden die schon 2014 stillgelegt. Drohen könnte das auch dem
       Schwarzbau Datteln IV, der nach aktueller Planung noch bis 2038
       weiterlaufen soll: „wir haben gute Gründe gegen den 2014 beschlossenen
       Bebauungsplan vorgelegt, sind sehr zuversichtlich“, sagt Dirk Jansen,
       Geschäftsleiter des BUND in NRW: „Bisher haben wir jedes Gerichtsverfahren
       gegen Datteln IV gewonnen.“
       
       25 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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