# taz.de -- Mut und Privileg: Nervenkitzel genug
> Unsere Autorin fand sich selbst nicht mutig. Dann hat ein Comedian ihr
> Selbstbild auf den Kopf gestellt. Denn Mut ist eine Frage des Privilegs.
IMG Bild: Der südafrikanische Comedian Trevor Noah
Früher dachte ich, ich wäre nicht mutig. Ich wollte nie Bungeespringen, mit
dem Rucksack durch Südamerika reisen oder im Wald zelten. In der Schulzeit
hielten mich meine Freundinnen für langweilig, weil ich nicht mit ihnen auf
Festivals gehen und per Anhalter reisen wollte. Man zeichnete von mir das
Bild eines Angsthasen, das ich hinnahm – dann war ich eben nicht mutig, so
what.
Bis [1][Trevor Noah mein Verständnis] von Mut auf den Kopf stellte. Der
[2][Comedian fasst in einem seiner Stand-up-Auftritte zusammen], wie ich
mich seit jeher fühle. Auch wenn ich weiß bin, kann ich mich als
geflüchtete Person mit seinen Worten identifizieren: „Weiße [3][Menschen
lieben campen]. Sie sagen, lass uns mal von allem weggehen, kein Wasser,
keine Elektrizität. Dinge, wofür Schwarze Menschen hart gearbeitet haben,
um sie sich leisten zu können, und jetzt sollen sie Geld für einen
Campingurlaub zahlen, um das zu bekommen, vor dem sie geflohen sind?“,
witzelt er.
Ich muss sofort an die Geschichten meiner Mutter denken, wie wir uns vor
den Soldaten im Keller versteckten, das Essen ausging, wir uns nicht
waschen konnten. „Selbst da haben wir es geschafft, keine Läuse zu kriegen.
Kaum warst du im Kindergarten in Österreich, kam jede Woche Läusewarnung“,
scherzt sie heute.
Noah fordert deshalb einen eigenen Tripadvisor speziell für People Of
Color. „Weiße Leute empfehlen Abenteuersport, sie wollen den Nervenkitzel,
das Adrenalin eines gefährlichen Lebens – das ist das Leben für Schwarze
Menschen ohnehin.“ Ich muss wieder an meine Mutter denken, der ich mal
(ohne wirkliches Interesse) sagte, ich fände es interessant,
Kriegsreporterin zu werden: „Ich bin doch nicht mit dir aus dem Krieg
geflüchtet, damit du dein Leben aufs Spiel setzt!“, war ihre Antwort.
## Baliurlaub mit weißen Freunden
Das war tatsächlich, was mir bei allem Gefährlichen durch den Kopf ging:
Ich hatte einen Krieg überlebt, wieso sollte ich mich von einem Turm
werfen? Die Frage, ob wir in Österreich bleiben würden oder nicht, war
Nervenkitzel genug. Als ich vor Jahren nach Bali reiste und davor leider
keine Tollwutimpfung bekommen hatte, ärgerte ich mich über meine
Begleitung, die – ebenfalls ungeimpft – mit den Affen spielen und nachts
durch menschenleere Gassen fahren wollte. Wieso konnte ich nicht mutig
sein?
War ich wirklich nicht mutig, obwohl ich Wege eingeschlagen habe, die davor
keiner in meiner Familie gegangen ist? Mich vor Menschen, egal wie
einflussreich, stelle, wenn sie ungerecht sind und andere diskriminieren?
Wenn ich diese Kolumne schreibe, obwohl ich genau weiß, dass viele
autochthone Personen solche Kolumnen hassen und mich das auch wissen
lassen?
Vielleicht war ich einfach nur einem privilegiertem Verständnis von Mut
aufgesessen. Vielleicht war ich mutig. Übrigens, es gibt einen großartigen
Auftritt von [4][Trevor Noah bei Jimmy Fallon], in dem er von seinem
Baliurlaub mit seinen weißen Freunden erzählt.
6 Sep 2021
## LINKS
DIR [1] /Trevor-Noahs-Memoiren/!5390034
DIR [2] https://dailynexus.com/2018-01-24/trevor-noah-takes-on-late-night-talk-at-arlington/
DIR [3] /Coronazeit-ist-Campingzeit/!5690274
DIR [4] https://www.youtube.com/watch?v=Uki1czS3tRg&t=364s
## AUTOREN
DIR Melisa Erkurt
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Aufgewachsen ist er im Südafrika der Apartheid.