URI: 
       # taz.de -- Bilanz der IAA-Proteste: Alle sprechen von Erfolg
       
       > Aktivist*innen, Industrie und Polizei ziehen positive Bilanz rund um
       > die „Mobilitätsmesse“. Was das bedeutet, sehen sie unterschiedlich.
       
   IMG Bild: Bunter Protest auf der Münchner Theresienwiese am 11.9.2021
       
       München/Hamburg taz | „Gemeinsam mit Hunderten Aktivist*innen haben wir
       uns heute gegen die veraltete Klimakiller-Messe gestellt.“ So resümiert Lou
       Winters, die Sprecherin des Bündnisses Sand im Getriebe, den [1][Protest
       gegen die Internationale Autoausstellung IAA in der vergangenen Woche].
       „Wir haben deutlich gemacht, dass wir alle eine echte, sozial- und
       klimagerechte Verkehrswende brauchen.“ Die Aktivist*innen bewerteten
       die Aktionen als vollen Erfolg, trotz der Repression durch die Polizei.
       
       Seit Mittwoch hatten Protestierende in München für Furore gesorgt. Mehrere
       linke Bündnisse hatten bundesweit gegen die Autoindustrie mobilisiert. Auch
       wenn letztlich weniger Menschen anreisten, als die Veranstalter*innen
       erwartet hatten, [2][waren am Samstag immerhin 20.000 Aktivist*innen
       aus dem Münchner Umland bei einer Großdemonstration und einer
       Fahrradsternfahrt dabei.] Am Freitag gelang es einigen, ein Haus in der
       Innenstadt zu besetzen; an drei Stellen stürmten andere die
       Ausstellungsflächen in der Innenstadt und verursachten stundenlanges
       Verkehrschaos auf Autobahnen. Die Polizei reagierte aggressiv, die
       Medienberichte über die IAA prägten Schlagzeilen wie „Protest und
       Schlagstöcke gegen Autogegner“.
       
       Am Sonntagvormittag traten die Sprecher*innen der Blockade-Bündnisse auf
       dem Mobilitätswende-Camp zum letzten Mal vor Journalist*innen. „Die Polizei
       ist aktiv und präventiv gegen jeden Protest vorgegangen“, sagte die
       Camp-Sprecherin Elena Balthesen. Dabei seien Aktivist*innen verletzt
       worden, mindestens zwei mussten ins Krankenhaus. Sowohl an Bahnhöfen, als
       auch überall in der Stadt kam es zu den Kontrollen.
       
       Besonders hart traf es Mathilda F. (Name geändert). Am Freitag hatte die
       18-Jährige, die im Handwerk tätig ist, versucht, vor dem besetzten Haus auf
       einen Baum zu klettern. Polizist*innen rissen sie herunter. Sie stürzte
       aus zwei Metern Höhe und schlug mit Kopf und Rücken auf. An den Sturz könne
       sie sich nicht erinnern, an den Moment danach sehr wohl: „Es war ein
       absolutes Gefühl der Hilflosigkeit“, sagt F.
       
       ## Der Vorwurf: Körperverletzung
       
       Anstatt erste Hilfe zu leisten, trugen Polizist*innen die Klettererin
       weg und nahmen sie in Gewahrsam. Die Sprecherin der Demosanitäter*innen,
       Fenja B. (Name geändert), hält das für unverantwortlich: F. habe über
       Schmerzen im Hals und der Brustwirbelsäule geklagt und unter Amnesie
       gelitten – ein Anzeichen für ein Schädel-Hirn-Trauma. „Laut den Leitlinien
       des Rettungsdienstes darf eine Person mit diesen Symptomen nicht bewegt
       werden“, so B., sonst bestehe die Gefahr einer Wirbelfraktur, einer
       irreversiblen Lähmung und auch eines Ausfalls der Atemsysteme.
       
       Der Anwalt Milan Martín, der F. vertritt, wertet das Vorgehen der
       Beamt*innen als Körperverletzung im Amt. Die Maßnahme sei an
       Rechtswidrigkeit nicht zu überbieten. Der Rettungsdienst habe die Verletzte
       erst transportieren dürfen, nachdem sie ihre Personalien angegeben hatte.
       „Nötigung“, so Martín. Zwei Personen, die erste Hilfe leisteten, werde
       versuchte Gefangenenbefreiung vorgeworfen. Rückblickend auf die Aktionstage
       spricht er von einer „systematischen Beschränkung der
       Freiheitsgrundrechte“.
       
       ## Der Vorwurf: Behinderung der Pressearbeit
       
       [3][Neben den Aktivist*innen gerieten auch Journalist*innen ins
       Visier der Behörden]. Der Vorsitzende der deutschen Journalist*innen
       Union Berlin-Brandenburg, Jörg Reichel, zählt neun tätliche Angriffe und
       sechs Behinderungen der Pressearbeit, darunter Ingewahrsamnahmen und
       Durchsuchungen. Der freie Fotograf Iván Furlan Cano bekam auf der
       Großdemonstration am Samstag gezielt von zwei Seiten Pfefferspray ab,
       [4][wie ein Video zeigt.] Auch zu hören ist, wie ein Polizist sagt:
       „Scheißfotowichser“. Die Grünen im Bayerischen Landtag forderten am Sonntag
       eine umfassende Aufklärung der Ereignisse und reichten mehrere
       Parlamentsanfragen zum Polizeieinsatz ein.
       
       Der Pressebericht der Polizei München klingt anders. Die Behörde ist mit
       ihrem Einsatz „hochzufrieden“, sagte Polizeivizepräsident Michael Dibowski
       am Sonntag. Auch der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) wertete
       die Messe als Erfolg. 400.000 Besucher*innen hätten „eine deutliche
       Abstimmung mit den Füßen“ vorgenommen, sagte die VDA-Präsidentin Hildegard
       Müller. Das Konzept, auch die Innenstadt als Ausstellungsfläche zu nutzen,
       sei gut angenommen worden. Dass große Autokonzerne wie Toyota, General
       Motors oder die Opel-Mutter Stellantis der Messe ferngeblieben waren, schob
       Müller der Pandemie zu.
       
       12 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Automesse-IAA-in-Muenchen/!5797084
   DIR [2] /Proteste-gegen-die-IAA-in-Muenchen/!5800110
   DIR [3] /Berichterstattung-ueber-die-IAA-Proteste/!5800081
   DIR [4] https://twitter.com/RaphaelKnipping/status/1436705634582421508
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
   DIR Michael Trammer
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR IAA
   DIR Mobilität
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Polizeigewalt
   DIR Opel
   DIR IAA
   DIR Polizei
   DIR Auto-Branche
   DIR Auto-Branche
   DIR IAA
   DIR Podcast „klima update°“
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Eisenacher Auto-Werk: Opel-Chef sichert Erhalt zu
       
       Angeblich will der Mutterkonzern Stellantis alle deutschen Standorte von
       Opel weiterbetreiben. Die IG Metall ist von der Zusage nicht überzeugt.
       
   DIR Automesse in München: IAA auch künftig in der City
       
       München hält trotz Kritik am Konzept der Automesse IAA fest. Die
       Veranstalter bestehen darauf, wieder zentrale Plätze der Stadt zu nutzen.
       
   DIR Polizeikongress in Berlin: Innenminister beklagen Verrohung
       
       Beim Polizeikongress in Berlin loben die Ressortchefs den IAA-Einsatz – und
       klagen über Corona-Proteste. Das „Hängt die Grünen“-Urteil sei
       „indiskutabel“.
       
   DIR Proteste gegen die IAA: Ein wankender Gigant
       
       Die Proteste gegen die Automesse in München haben Wellen geschlagen. Es
       zeigte sich: das Auto ist umkämpft.
       
   DIR Automesse IAA in München: Nicht mehr der richtige Gegner
       
       An der Autoindustrie gibt es viel zu bemängeln. Aber die Kritiker*innen
       sollten auch zur Kenntnis nehmen, wie viel sie mit ihrem Protest schon
       erreicht haben.
       
   DIR Berichterstattung über die IAA-Proteste: taz-Kollege festgesetzt
       
       Nach über drei Stunden in Gewahrsam ist Michael Trammer am Abend
       freigelassen worden. Vorübergehend hatte die Polizei ihm ein faktisches
       Berichtsverbot erteilt.
       
   DIR taz-Podcast „klima update°“: Die Klima-News der Woche
       
       Eine Gruppe von Klimaaktivist:innen ist im Hungerstreik. Die Räumung
       des „Hambi“ war rechtswidrig. NGOs wollen den Klimagipfel verschieben.