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       # taz.de -- Fischfang in Mecklenburg-Vorpommern: Etwas fürs Gemüt
       
       > Der Fischfang in Mecklenburg-Vorpommern gehört zum Küstenfeeling.
       > Wirtschaftlich ist er kaum von Bedeutung. Seine wichtigsten Bestände sind
       > gefährdet.
       
   IMG Bild: Gehört zum Ambiente: Ein Kutter fährt kurz nach Sonnenaufgang in den Hafen der Insel Hiddensee
       
       Hamburg taz | Mecklenburg-Vorpommern ohne Fisch und Fischerei ist wie eine
       Oase ohne Palmen – oder, wie es SPD-Landwirtschaftsminister Till Backhaus
       ausdrückt: „Ein Ostseebesuch ohne ein Fischbrötchen direkt vom Kutter – das
       kann niemand wirklich wollen.“ Die Fischerei sei ein Stück Landeskultur und
       für die wirtschaftliche Entwicklung der Ostseeküste von entscheidender
       Bedeutung.
       
       Das Land betreibt dafür erheblichen Aufwand: Der [1][Fischfang wird stark
       subventioniert], aufwendig beforscht und steht regelmäßig auf der
       politischen Tagesordnung. Dabei bringen die Fänge kaum etwas ein, während
       die [2][Ostsee immer leerer] wird.
       
       250 Millionen Euro an Fördergeld [3][hat das Land seit 1991 an die
       Fischwirtschaft ausgereich]t, sagt der Minister, im Schnitt 8 Millionen pro
       Jahr. Damit seien Investitionen von 410 Millionen Euro in Hafenanlagen,
       Kutter und Fischfabriken ermöglicht worden. Eingenommen haben die Fischer
       mit Hering, Dorsch und Scholle 2015 gerade einmal 10 Millionen Euro.
       
       Und dabei wird die Lage der mecklenburg-vorpommerschen Fischer immer
       schwieriger, weil der Bestand ihres Brotfischs eingebrochen ist. Nach einer
       [4][Darstellung des Heinrich-Thünen-Instituts für Ostseefischerei]
       verdienen die Fischer im Land knapp die Hälfte ihres Geldes mit dem Hering.
       Dieser produziert aber nur noch ein Fünftel so viel Nachwuchs wie vor 20
       Jahren.
       
       ## Fangmenge drastisch reduziert
       
       Angesichts der dramatischen Lage wurde die zulässige Fangmenge 2017 um 94
       Prozent reduziert. „Durch diesen drastischen Einschnitt erlebt die
       Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern derzeit den zweiten großen
       Strukturwandel nach der Wiedervereinigung“, stellt das Institut fest.
       
       Nach Zählung des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und
       Fischerei (Lallf) gab es 1990 noch 950 Fischereibetriebe im Haupterwerb,
       2005 noch 450 und im vergangenen Jahr nur noch 200. Die Zahl der Kutter und
       Trawler ging von 1.100 Anfang der 90er Jahre auf 670 im Jahr 2019 zurück,
       vor allem ab Mitte der Nullerjahre.
       
       Das Thünen-Institut ist der Frage nachgegangen, wie es zu diesem Einbruch
       kommen konnte und hat zwei Faktoren ausgemacht: die Erwärmung des Wassers
       und die Überdüngung des Meeres.
       
       Das Mehr an Nährstoffen führt dazu, dass die Wasserpflanzen, auf denen die
       Heringe laichen, nur noch in flachen, hellen Uferzonen wachsen. Über den
       auf weniger Gebiete konzentrierten Laich kann sich der Stichling leichter
       hermachen. Dazu kommt, dass die Pflanzen von Stürmen leichter an Land
       geworfen werden und schädliche Algen und Pilze durch den Nährstoffeintrag
       besser gedeihen.
       
       „Von allen Randmeeren hat sich die Ostsee seit den 1980er Jahren am
       stärksten erwärmt“, schreiben die Thünen-Forscher. Das wärmere Wasser führt
       dazu, dass die Heringslarven früher schlüpfen und zu einer Zeit Zooplankton
       zum Fressen brauchen, in der es noch nicht ausreichend vorhanden ist.
       Steigen die Temperaturen im Jahresverlauf zu schnell, könnten die Larven
       überdies Herzrhythmusstörungen bekommen.
       
       Trotz dieser Erkenntnisse geht das Thünen-Institut davon aus, dass der
       Heringsbestand in der westlichen Ostsee auch unter den Bedingungen des
       Klimawandels nachhaltig bewirtschaftet werden kann. „Wenn es uns gelingt,
       ihn in den grünen Bereich zu bringen, kann man wieder 20.000 Tonnen
       ernten“, sagt Institutsleiter Christopher Zimmermann. Das wäre zwar halb so
       viel wie 1990, aber zehnmal so viel wie im vergangenen Jahr.
       
       Voraussetzung dafür wäre ein geringerer Nährstoffeintrag und eine maßvolle
       Fischerei, die sich an den Fangquoten-Empfehlungen der Internationalen Rats
       für Meeresforschung (Ices) orientiert.
       
       13 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fischbestaende-weltweit-bedroht/!5787280
   DIR [2] /Klimakrise-und-Ueberfischung/!5789736
   DIR [3] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/lm/Landwirtschaft/Fischwirtschaft-und-Fischerei/
   DIR [4] https://thuenen.pageflow.io/der-hering-in-der-klimafalle#286530
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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