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       # taz.de -- Landgrabbing in Niedersachsen: Acker für Heuschrecken
       
       > Auch in Niedersachsen kaufen Großinvestoren landwirtschaftliche Flächen,
       > während kleine Höfe sterben. Kommt der Mietendeckel für das Ackerland?
       
   IMG Bild: Auch in Niedersachsen ist immer weniger Ackerland in Bauernhand
       
       Hannover taz | Was das Problem angeht, sind sich ausnahmsweise alle
       Parteien im niedersächsischen Landtag einig: [1][Das Höfesterben ist
       besorgniserregend]. 6.200 landwirtschaftliche Betriebe haben in
       Niedersachsen allein zwischen 2010 und 2020 aufgegeben. Unter den
       Haupterwerbsbetrieben sind das 20 Prozent, rechnet die
       Landwirtschaftsexpertin der Grünen, Miriam Staudte, den Kolleg*innen
       nicht zum ersten Mal vor.
       
       Neben den sinkenden Erzeugerpreisen sind [2][die davongaloppierenden Pacht-
       und Bodenpreise] unbestreitbar ein Grund dafür. In den letzten zehn Jahren
       haben sie sich mehr als verdoppelt. Das führt dazu, dass sich auch in
       Niedersachsen immer mehr branchenfremde Investoren auf diesem Markt
       tummeln. Ackerland verspricht mühelose und krisenfeste Renditen –
       selbstständige Landwirte, die einen Hof übernehmen oder ihren eigenen
       erweitern wollen, haben dann das Nachsehen.
       
       An einer Lösung für dieses Problem wird schon länger geschraubt. Zu lange,
       sagt Miriam Staudte. 2015 hatte eine Bund-Länder-Kommission die Grundlagen
       für eine Neuregelung der Bodengesetze festgezurrt, die allerdings in
       wesentlichen Teilen Sache der Länder ist. Die aktuelle Landesregierung
       hatte dies in ihrem Koalitionsvertrag 2017 auch angekündigt – vorgelegt
       wurde der Gesetzentwurf aber noch nicht.
       
       Deshalb haben jetzt die Grünen ihren Gesetzentwurf noch einmal entstaubt.
       Den hatte der [3][damalige grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer]
       vorgelegt. Zur Beratung gelangte er allerdings nicht mehr, weil dann
       überraschend Neuwahlen anstanden.
       
       ## „Share Deals“ sollen erschwert werden
       
       Mit dem nun noch einmal überarbeiteten Gesetzentwurf zur
       Agrarstrukturreform versuchen die Grünen an verschiedenen Punkten Pflöcke
       einzuschlagen. So sollen zum Beispiel die sogenannten Share Deals besser
       erfasst werden. Bei Share Deals erwirbt der Investor nicht den Boden
       selbst, sondern die Mehrheitsanteile an der (oft eigens gegründeten)
       Gesellschaft, der dieser Boden gehört.
       
       Damit spart er die Grunderwerbssteuer, denn die wird erst fällig, wenn sein
       Anteil bei über 90 Prozent (bis vor Kurzem 95 Prozent) liegt. Solche Deals
       führen vor allem auch dazu, dass es kaum noch möglich ist, einen Überblick
       darüber zu bekommen, wie die tatsächlichen Besitzverhältnisse sind – im
       Grundstückskataster bleibt der Alteigentümer stehen, während sich die Spur
       der Beteiligten in verschachtelten Unternehmenskonstruktionen verliert.
       
       Damit werden nicht nur Steuern gespart, sondern gleich mehrere gesetzliche
       Regelungen unterlaufen, die sicherstellen sollen, dass Bodeneigentum breit
       gestreut bleibt. Die Grünen fordern deshalb, die Bestimmungen im
       Bodenverkehrsgesetz noch einmal deutlich zu verschärfen, um
       sicherzustellen, dass ortsansässige Bauern ein Vorkaufsrecht haben und
       Konzentrationsprozesse auf ein verträgliches Maß gedrosselt werden.
       
       So soll der Verkauf untersagt werden können, wenn er an branchenfremde
       Investoren oder Betriebe mit ohnehin schon marktbeherrschender Stellung
       geht. Außerdem sollen Kauf- und Pachtpreise gedeckelt werden.
       
       ## Andere Parteien wittern schon Klagen gegen das Gesetz
       
       Ob dies so ohne Weiteres möglich ist, bezweifeln allerdings die anderen
       Parteien. Immerhin beißen sich solche Eingriffe ganz erheblich mit dem
       Grundrecht auf Vertragsfreiheit, dem Verfügungsrecht über das eigene
       Eigentum, dem Kapitalverkehrsfreiheitsgesetz und der Niederlassungsfreiheit
       innerhalb der EU.
       
       Das hält nicht nur Helmut Dammann-Tamke (CDU) den Grünen entgegen. Der
       Entwurf sei handwerklich schlecht gemacht und würde keiner Klage
       standhalten, sagt er. Es habe seinen Grund, warum sich auch andere Länder
       damit schwer tun.
       
       Darüber, wie die Regierungskoalition diese Probleme zu lösen gedenkt,
       schweigt er. Angeblich befinde sich der Gesetzentwurf aber in den letzten
       Zügen der Abstimmung und werde bald zur Verfügung stehen. Die Debatte
       darüber, an welchen Stellschrauben wie gedreht werden kann und muss, wird
       so lange im zuständigen Fachausschuss fortgesetzt.
       
       19 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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