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       # taz.de -- Die Wahrheit: Sugo für’n Hugo
       
       > Wien ist speziell, seine Zeitungslandschaft auch. Besonders erhellend:
       > die rechten gratis Wegwerfblätter. Ein komischer Streifzug.
       
   IMG Bild: Kämpft ums politische Überleben: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz in Slowenien am 6. Oktober
       
       Wer was wissen will über die Welt, der muss Zeitung lesen. Wer dazu was
       abgründig Witziges lesen will, der muss diese Wegwerfblätter lesen, die es
       zum Beispiel in Wien in jedem Altpapiermüllkübel ganz in der Nähe jeder
       U-Bahn- oder Tramhaltestelle gibt.
       
       Da gibt es nämlich zwei. Also zwei Wegwerfblätter, das eine heißt
       eigentlich Österreich, aber nach dem gleichnamigen Wegwerffernsehsender
       Ö24, das andere heißt auch morgen noch Heute. Sagen wir, die beiden
       fusionieren, dann hießen sie zusammen Heute Österreich. Und morgen dann
       vielleicht Die Ganze Welt.
       
       Besonders Heute erfreut den Leser mit auch schon aus anderen Zeitungen
       bekannten Techniktricks: Alliterationen oder Reime in nebeneinander
       stehenden Überschriften zum Beispiel. So heißt es in der Ausgabe vom
       vorigen Donnerstag „Reptil: Gecko reiste im BH mit“ neben „Machtspiel: Aus
       für Außenminister“ sowie „Subtil: Biden posiert mit Trump-Fans“ und
       schließlich „Stil: Mit Kleidern gegen die Taliban“. Wobei „Subtil: Gecko
       reiste im BH mit“ oder „Reptil: Biden posiert mit Außenminister“ lustiger
       und wahrer gewesen wäre. Aber ja, diffizil.
       
       Auch sonst reichen die Seiten zwei und drei, um sich ein Gesamtbild von
       Heute zu machen. „‚Impotent‘: Rapperin streitet mit Premier“ wird da
       vermeldet, neben einem Glamourfoto eben jener Rapperin im offenherzigen
       Plüschkitschkostüm. Auf der anderen Seite gibt es die tägliche
       Kanzlermeldung: „Kurz ab Montag in New York“. „Berlin will Kinder aus
       Lokalen aussperren“, weiß Heute, dabei wollen das eigentlich alle, nicht
       nur „Berlin“, und ein Hund hängt in einer Riesentüte, in die fünf Löcher
       geschnitten wurden, damit ihm die Zehennägel geschnitten werden können.
       
       Warum das lesen? Weil es inspirierend ist. Man erwischt sich, wie man
       selbst neue schöne Schlagzeilen und die dazu passenden Nachrichten
       erfindet. „Diskriminiert: Warum darf Kaa nicht mit zum Heimtiertreff?“
       könnte die sommerlochübliche Schlangenmeldung sein, vor der Ophidiophobe
       kreischend wegrennen dürften; „Dom soll nicht mehr in Kölle gelassen
       werden“ hätte Tiefe und Intellekt, weil die Kenntnis eines Schlagers der
       Bläck Fööss vorausgesetzt wird. Dahinter könnte eine gut recherchierte
       Geschichte über eine Bürgerinitiative für die Versetzung des Doms stecken.
       
       „Die Sugo ist für’n Hugo“ sollte auf der Rezepteseite stehen und von
       zwielichtigen Pastasoßen abraten; und „Ein Strampeltier namens Egon“ von
       der Ü90-Strampel-WM der männlichen Windelträger im schweizerischen Lausanne
       berichten. Sport und Gesellschaft, People und Mode, alles drin.
       
       Mit der Verpönung dieser auch politisch schwierigen Blätter steht man
       gesellschaftlich zwar auf der richtigen Seite; allein, ein Verlust wäre der
       Verzicht auf sie schon. Nicht auszudenken, dass sie einmal durch digitale
       Wegklickfenster ersetzt werden könnten. Wo bliebe denn dann das alltägliche
       Schmunzeln in der Tram, zu Wien Bim!?
       
       21 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
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