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       # taz.de -- Datentracking bei Wissenschaftsverlagen: Warnung vor den Wissensspionen
       
       > Forscher wehren sich gegen Datentracking von Verlagen. Sie sehen die
       > Wissenschaftsfreiheit in Gefahr und fordern klare Regeln.
       
   IMG Bild: Auch die Wissenschaft ist vor Datenspionen nicht gefeit
       
       Berlin taz | Den Verbrauchern sind sie im Internet schon länger auf der
       Spur: die Datenspäher, die unbemerkt die Web-Wege der User verfolgen, um
       daraus deren Konsumvorlieben zu filtern, auf die dann passgenaue,
       individualisierte Onlinewerbung zugeschaltet wird. Jetzt hat dieses
       „Datentracking“ auch die Wissenschaft erreicht. Wissenschaftliche
       Fachverlage, auf deren Servern die Forscher nach Literatur recherchieren,
       verfolgen diese Suchbewegungen, um aktuelle und künftige Forschungstrends
       herauszufinden.
       
       Die Wissenschaftsorganisationen, wie die [1][Deutsche
       Forschungsgemeinschaft (DFG),] sind alarmiert und warnen vor
       „Datenmissbrauch“ und „Wissenschaftsspionage“. Internationale
       Verlagskonzerne entwickelten sich, so heißt es [2][in einer aktuellen
       Stellungnahme der DFG], „immer stärker zu Datenanalysefirmen, die oftmals
       auch ohne Zustimmung oder ausreichende Information der Betroffenen Daten
       dazu sammeln, von wem Zugriffe auf Publikationen erfolgen“. Die Folgen
       seien unabsehbar.
       
       „Diese digitalen Nutzungsspuren können durch Verbindung mit anderen Daten
       zum Profiling führen und im Rahmen von Weitergaben an Behörden gegen
       Forschende eingesetzt werden“, befürchtet die DFG.
       
       Dies müsse durch die „Anpassung von einschlägigen Gesetzen“ insbesondere
       auf europäischer Ebene ausgeschlossen werden, so die Forderung, die auch an
       die Forschungspolitik der künftigen Bundesregierung gerichtet wird. „Die
       informationelle Selbstbestimmung von Wissenschaftlerinnen und
       Wissenschaftlern muss im digitalen Raum oberste Priorität haben“, betont
       die DFG.
       
       ## Verletzung der Wissenschaftsfreiheit
       
       Wenn datenbasierte Forschung in Onlinequellen und -datenbanken sowie in
       Portalen von Wissenschaftsverlagen überwacht und ausgewertet wird, dann
       öffne dies „der Kommerzialisierung der Wissenschaft Tür und Tor“, warnten
       jetzt auch die Regensburger Verwaltungsrichterin Kristin Benedikt und der
       Kölner Rechtsprofessor Rolf Schwartmann in der FAZ. 
       
       Denn die Verlage nutzen die Informationen nicht allein zur Anpassung ihrer
       kommerziellen Angebote. Vielmehr sei „über Datenauswertungen auch eine
       Steuerung der Forschung und Wissenschaft im Sinne der Interessen privater
       Unternehmen möglich“, urteilen die Rechtsexperten. Eine flagrante
       Verletzung der Wissenschaftsfreiheit.
       
       Mit dem [3][Datentracking] erreicht das angespannte Verhältnis zwischen den
       kommerziellen Wissenschaftsverlagen und der Forschungswelt eine neue
       Dimension. Jahrelang nutzten die Verlage die aus öffentlichen Geldern
       entstandenen Forschungsaufsätze dazu, sie in Fachjournalen zu formatieren
       und diese den Hochschulbibliotheken wieder für teures Geld zu verkaufen.
       Nun entdecken sie die Forscher-Daten als neue Erlösquelle.
       
       ## Trackingdaten werden verkauft
       
       In einem [4][Informationspapier] hat der Ausschuss für Wissenschaftliche
       Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen
       Forschungsgemeinschaft die „Transformation von Wissenschaftsverlagen hin zu
       Data Analytics Businesses“ näher untersucht und auf die Konsequenzen für
       die Wissenschaft und deren Einrichtungen verwiesen.
       
       So werden Onlineleser des Wissenschaftsmagazin Nature von mehr als 70
       Instrumenten nachverfolgt. Konkret erwähnt wird der Fall des Unternehmens
       „LexisNexis“, eines internationalen Anbieters von Informationslösungen und
       Tochterunternehmens der RELX Group, zu der auch [5][Elsevier] gehört,
       seinerseits der weltgrößte Verlag für Wissenschaftspublizistik. Danach habe
       LexisNexis einen Vertrag unterzeichnet, durch den für 16,8 Millionen
       US-Dollar persönliche Forscher-Daten an ICE, die amerikanische Behörde für
       Immigration und Customs Enforcement, übergeben werden sollen.
       
       Mit seinem Papier will der DFG-Ausschuss eine Diskussion anstoßen, die „die
       Praxis des Trackings, dessen Rechtmäßigkeit, Maßnahmen zur Einhaltung des
       Datenschutzes und Konsequenzen der Aggregation von Nutzungsdaten“
       thematisiert, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Es brauche jetzt „klare
       rechtliche Regulierungen, mit hoher Transparenz und unter Mitbestimmung der
       Wissenschaft“, so die DFG-Forscher.
       
       5 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /100-Jahre-DFG/!5698714
   DIR [2] https://www.dfg.de/download/pdf/presse/20210505_pm_impulspapier_legislaturperiode.pdf
   DIR [3] /Werbetracking-bei-Onlinemedien/!5791548
   DIR [4] https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/datentracking_papier_de.pdf
   DIR [5] /Streit-mit-Wissenschaftsverlag/!5463624
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
       ## TAGS
       
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