URI: 
       # taz.de -- Geflüchtete aus Afghanistan: Unfreiwillige Weiterreise
       
       > In Ramstein sitzen afghanische Ortskräfte deutscher Institutionen auf der
       > US-Air-Base fest. Sie dürfen den Luftwaffenstützpunkt nicht verlassen.
       
   IMG Bild: Einige würden lieber in Deutschland bleiben: Afghanische Geflüchtete auf dem US-Stützpunkt Ramstein
       
       14.900 aus Kabul evakuierte Menschen befinden sich derzeit auf dem
       [1][US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein] in Rheinland-Pfalz und warten auf
       einen Weiterflug in die USA oder andere Länder. Sie waren in den letzten
       Wochen in US-Militärflugzeugen aus Afghanistan ausgereist – und sollen
       Deutschland jetzt schnell wieder verlassen. Wie das Auswärtige Amt am
       Mittwoch bestätigte, haben die Bundesregierung und die USA eine
       entsprechende Vereinbarung getroffen.
       
       Das Problem: Unter den Wartenden in Ramstein sind auch einige, die
       eigentlich lieber in Deutschland bleiben wollen und dafür berechtigte
       Gründe haben. Einigen von ihnen hatten die deutschen Behörden im Rahmen der
       Evakuierungsaktion sogar schon eine Aufnahme zugesagt, zum Beispiel, weil
       sie früher als [2][Ortskräfte für deutsche Stellen] gearbeitet hatten.
       
       Sie dürfen die Air Base aktuell aber nicht verlassen und somit nicht
       richtig nach Deutschland einreisen. Es ist sogar möglich, dass sie
       demnächst nach Uganda, Albanien oder Nordmazedonien geflogen werden. Dort
       und in weiteren Drittstaaten will die US-Regierung die Visumverfahren für
       ihre Evakuierten durchführen, bevor sie sie weiter in die USA bringt.
       
       ## Lokale Behörden haben sich nicht zuständig erklärt
       
       Wie schwer der Weg aus der Air Base ist, zeigt ein Schreiben der Deutschen
       Botschaft in Doha, das der taz vorliegt. Darin teilt eine Mitarbeiterin
       einem in Deutschland lebenden Afghanen mit, wie er seine am Dienstag über
       Katar nach Ramstein evakuierte Ehefrau und Kinder wiedersehen könne. „Um
       eine tatsächliche Einreise in das Bundesgebiet aus Ramstein möglich zu
       machen, sollten Sie sich an die für Sie zuständige Ausländerbehörde wenden
       und dort um Vorabzustimmung zur Visumerteilung für Ihre Angehörigen
       bitten. Im Anschluss sollte sich die Ausländerbehörde mit dem BMI
       [Bundesministerium des Inneren; Anm. der Red.] in Verbindung setzen, damit
       ein Verlassen der amerikanischen Basis in Ramstein möglich wird“.
       
       Nur: Die lokale Ausländerbehörde in Augsburg, in der der Mann das Visum für
       seine Familie vorbereiten soll, sieht sich nicht zuständig und verweist
       auf das Auswärtige Amt. Das wiederum reagiert ebenso wie das Bundesamt für
       Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht auf entsprechende Anfragen per
       E-Mail. So schildert es die auf Migrationsrecht spezialisierte Münchner
       Rechtsanwältin Anna Frölich, die den Afghanen aus Augsburg vertritt,
       gegenüber der taz. „Es ist momentan völlig undurchsichtig, ob der deutsche
       Staat noch eingreift und seine Zusage, die Evakuierten mit ihrer
       Kernfamilie zusammenzuführen, einhält.“
       
       Bei drei weiteren Afghan:innen in Ramstein, die enge Verwandte in
       Deutschland haben und die sogar auf der Evakuierungsliste des Auswärtigen
       Amtes standen, hat Frölich bisher ebenso wenig erreicht. Auch hier haben
       sich lokale Behörden für nicht zuständig erklärt.
       
       ## Diffuse Informationslage
       
       „Wenn die Ortskräfte wirklich in die USA kommen, wären diese zwar
       selbstverständlich auch in Sicherheit“, sagt Anwältin Frölich. Dann müsse
       man aber wiederum ein aufwendiges Visumverfahren über die Deutsche
       Botschaft in den USA durchlaufen, um ein Visum für Deutschland zu bekommen.
       „Was aber passiert, wenn ein Afghane erst mal in einem Drittland ist, ist
       schwer vorherzusehen.“
       
       In einem ihrer Fälle sollen die US-Soldaten in der Air Base Ramstein der
       Ortskraft gegenüber angekündigt haben, sie werde nicht in die USA, sondern
       nach Afrika gebracht. Eine Anfrage der taz, ob der Bundesregierung solche
       Fälle bekannt seien und wie sie dazu stehe, ließ das BMI unbeantwortet. Das
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte auf taz-Anfrage mit, dass es
       bezüglich einer „Einreise“ nach Deutschland über die Air Base Ramstein
       „nicht verantwortlich“ ist – und verweist auf das BMI.
       
       Uli Sextro jedenfalls hat von solchen Fällen gehört. Der Referent für
       Flucht und Migration bei der Diakonie Rheinland-Pfalz bemüht sich seit
       Tagen herauszufinden, wie er den Ortskräften in Ramstein dabei helfen
       könne, zu Verwandten nach Deutschland zu kommen – auch er hat keinen
       Erfolg.
       
       „Die Informationslage ist völlig diffus“, sagt Sextro der taz. Immerhin hat
       er von der Landesregierung in Mainz erfahren, dass die US-Armee bei
       Visafragen nur mit Bundesbehörden zusammenarbeite. Wer in Berlin aber
       grünes Licht für die Einreise aus Ramstein gibt, darauf hat er auch noch
       keine klare Antwort erhalten. Das Schweigen in Berlin deutet Sextro so:
       „Die Bundesregierung hat wahrscheinlich Angst, dass nicht nur ein paar
       Ortskräfte mit Deutschlandbezug bleiben, sondern alle.“
       
       3 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Aktuelle-Nachrichten-zu-Afghanistan/!5794918
   DIR [2] /Afghanische-Ortskraefte-in-Deutschland/!5793093
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Ramstein Air Base
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Ortskräfte
   DIR Taliban
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Ortskräfte
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Afghanistan-Bericht der Bundesregierung: Ungeschönte „Momentaufnahme“
       
       Das Auswärtige Amt hat seit Ende August keine Diplomaten mehr in
       Afghanistan. Es zeichnet jetzt aber ein realistischeres Bild von dort als
       früher.
       
   DIR Evakuierung aus Afghanistan: 60 EU-Ortskräfte nach Deutschland
       
       Die Bundesregierung nimmt Ex-Mitarbeiter*innen von EU-Institutionen auf.
       Die Grünen kritisieren, dass nicht mehr ehemalige Ortskräfte kommen dürfen.
       
   DIR US-Abzug aus Afghanistan: Blinkens Verteidigungslinie steht
       
       Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses nehmen den Außenminister in die
       Mangel. Der muss sich auch scharfe Kritik von den Demokrat*innen
       anhören.
       
   DIR Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: Widerstandskämpfer geben nicht auf
       
       In Kabul wird gewaltsam eine Frauen-Demo aufgelöst. Die UN plant eine
       Hilfskonferenz im September. Und im Pandschir-Tal gibt es Widerstand gegen
       die Taliban.
       
   DIR Afghanische Ortskräfte in Deutschland: Sicher, aber verzweifelt
       
       Mehrere Tausend afghanische Ortskräfte sind in Deutschland. Ihre Sorgen
       bleiben – denn viele mussten Familienmitglieder zurücklassen.
       
   DIR Hilfe für Geflüchtete aus Afghanistan: Berlin hat Platz für Afghan*innen
       
       Integrationssenatorin Breitenbach (Linke) kündigt an, weitere Unterkünfte
       für Geflüchtete „hochzufahren“. Bisher wurden 192 Geflüchtete
       untergebracht.
       
   DIR Rettung aus Afghanistan: Die private Luftbrücke
       
       Von Berlin aus versuchen Aktivist*innen, Menschen aus Afghanistan zu
       retten. Von der Bundesregierung fühlen sie sich ausgebremst. Haben sie
       damit recht?