URI: 
       # taz.de -- Ibiza-Prozess in Österreich beginnt: „Ein eigenartiger Anschein“
       
       > Dem Macher des Ibiza-Videos wird Drogenhandel vorgeworfen. Es mehrt sich
       > die Kritik: Nicht nur er selbst glaubt, dass der Vorwurf ein Vorwand ist.
       
   IMG Bild: Sein Video brachte 2019 die ÖVP-FPÖ-Regierung zu Fall: Julian H. (vorne)
       
       Wien taz | [1][Julian H.], bekannt als Drahtzieher des berühmt-berüchtigten
       Ibiza-Videos, steht am Mittwoch vor Gericht. Das Landesgericht
       Niederösterreich in St. Pölten macht dem Detektiv den Prozess. Allerdings
       nicht in erster Linie wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Video, das
       2019 Österreichs Rechtsregierung zu Fall brachte. Die hätte die lange
       Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt. [2][Vielmehr geht es um
       Drogenhandel.]
       
       In der Anklageschrift sieht es die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, dass
       H. ein Viertelkilo Kokain verkauft habe. Der bereits wegen
       Suchtgiftdelikten vorbestrafte Mann bestreitet den Vorwurf. Und mehr als
       ein Dutzend NGOs teilen seinen Verdacht, dass es darum gehe, den Aufdecker
       mundtot zu machen. Die in Wien registrierte Organisation Epicenter Works,
       die gegen staatliche Überwachung im Netz und für Grundrechte im digitalen
       Raum eintritt, kritisiert, dass die Behörden „massive Überwachungsmethoden
       aufgefahren“ und „fast jeden Stein umgedreht“ hätten, um des Machers des
       Ibiza-Videos habhaft zu werden.
       
       Für den Völkerrechtsprofessor und Menschenrechtsexperten Manfred Nowak
       erweckt es „einen eigenartigen Anschein“, dass die Staatsanwaltschaft „dem
       Whistleblower sehr viel mehr Aufmerksamkeit“ gewidmet habe, als den aus dem
       Video hervorgehenden Hinweisen auf Korruption des ehemaligen FPÖ-Chefs und
       Vizekanzlers Heinz-Christian Strache.
       
       15 österreichische und internationale Menschenrechtsorganisationen haben
       einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie sich hinter Julian H.
       stellen. Darin zeigen sie sich „besorgt“ darüber, dass die „ausufernde
       Strafverfolgung“ auf künftige Aufdeckerinnen und Aufdecker abschreckend
       wirken könnte. Sie fürchten negative Auswirkungen auf die Meinungs-,
       Presse- und Informationsfreiheit in Österreich.
       
       ## Seltsam anmutende Zeugenaussagen
       
       Die Anklage stützt sich unter anderem auf einen Zeugen, der seine Aussage
       zugunsten H.s später widerrufen hat und ihn jetzt belastet. Seltsam mutet
       auch ein weiterer Zeuge an, der als Informant für das österreichische
       Bundeskriminalamt im Bereich organisierte Kriminalität gearbeitet hat. Er
       soll auch Informationen an einen rechtsextremen Blog in Österreich verkauft
       und dort falsche Fährten gelegt haben.
       
       Epicenter Works hat die teilweise geschwärzten 442 Seiten des Gerichtsakts
       ins Netz gestellt, damit jeder nachvollziehen kann, was man H. alles
       anhängen will. In Zusammenhang mit dem Ibiza-Video, das er aus eigener
       Tasche finanziert haben will, ist da vom „Vergehen des Missbrauchs von
       Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach dem § 120 Abs. 2 StGB“ die Rede.
       
       Außerdem wirft man ihm vor, „eine falsche besonders geschützte Urkunde,
       nämlich die Kopie eines lettischen Reisepasses lautend auf ‚Alyona
       Makarov‘, somit eine ausländische öffentliche Urkunde“ verwendet zu haben,
       um Strache und dessen Adlatus Johann Gudenus vorzugaukeln, dass eine
       russische Oligarchennichte mit ihnen ins Geschäft kommen wolle. Beides
       keine Delikte, die jemanden hinter Gitter bringen.
       
       Sollte H. wegen Drogenhandels verurteilt werden, so drohen ihm bis zu 15
       Jahre Haft.
       
       8 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Interview-mit-Ibiza-Video-Macher/!5752440
   DIR [2] /Skandalvideo-von-FPOeler-Strache/!5756453
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Ibiza-Affäre
   DIR Ibizagate
   DIR Strache-Video
   DIR Österreich
   DIR Prozess
   DIR Österreich
   DIR Ibiza-Affäre
   DIR Ibiza-Affäre
   DIR Ibiza-Affäre
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR KPÖ siegt bei Gemeinderatswahl: Graz hört die Signale
       
       In Österreichs zweitgrößter Stadt könnte bald eine Kommunistin im Rathaus
       sitzen. Die KPÖ macht dort seit Jahren bodenständige Sozialpolitik.
       
   DIR Skandalvideo von FPÖler Strache: Ibiza-Filmer wird ausgeliefert
       
       Der Macher des Ibizavideos saß in Berlin in Auslieferungshaft, nun wird er
       zurück gen Österreich befördert. Dort droht ihm lange Haft.
       
   DIR Interview mit Ibiza-Video-Macher: „Ich rechne mit dem Schlimmsten“
       
       Julian H., der Drahtzieher der Strache-Aufnahmen, soll nach Österreich
       ausgeliefert werden. Wegen konstruierter Vorwürfe, sagt er.
       
   DIR Festnahme nach Ibiza-Affäre: Berliner Justiz prüft Auslieferung
       
       In Berlin wurde der mutmaßliche Macher des Ibiza-Videos festgenommen. Sein
       Anwalt wehrt sich gegen eine Auslieferung nach Österreich.