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       # taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Mexiko: Gericht kippt absolutes Verbot
       
       > Im Bundesstaat Coahuila haben Richter ein absolutes Abtreibungsverbot
       > als verfassungswidrig erklärt. Das Urteil hat Auswirkungen auf ganz
       > Mexiko.
       
   IMG Bild: Frauen feiern die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Nation, 7.September 2021
       
       Berlin taz | Das Urteil des Obersten Gerichtshofs Mexikos (SCJN) war
       eindeutig: Alle zehn anwesenden Richterinnen und Richter des Gremiums
       entschieden am Dienstag, dass das absolute Abtreibungsverbot
       verfassungswidrig ist. Mit diesem Beschluss kippten sie zwar nur einen
       Paragraf des Strafgesetzes des [1][nördlichen Bundesstaates Coahuila],
       ließen jedoch keine Zweifel daran, dass der Urteilsspruch für das ganze
       Land gelten werde.
       
       Da unter den Richtern eine Mehrheit von über acht Beteiligten erreicht
       worden sei, seien alle regionalen und föderalen Gerichte gezwungen, sich an
       diesen juristischen Vorgaben zu orientieren, schrieben sie in ihrer
       Begründung.
       
       Dem umstrittenen Paragraf 196 zufolge konnten Frauen, die aus einer
       „freiwilligen Entscheidung“ heraus ihre Schwangerschaft abbrachen, bislang
       in Coahulia mit ein bis drei Jahren Haft bestraft werden. Auch Personen,
       die an der Abtreibung beteiligt waren, mussten mit der Strafe rechnen.
       
       Das höchste Gericht entschied nun, dass ein Fötus zwar geschützt werden
       müsse, das Recht von Frauen auf reproduktive Freiheit dadurch aber nicht
       verletzt werden dürfe. Die Kriminalisierung der Abtreibung verletzte die
       Rechte von Frauen auf eine freie Entwicklung der Persönlichkeit, auf
       Nicht-Diskriminierung und auf den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung.
       „Ab jetzt beginnt ein neuer Weg der Freiheit, der Würde und des Respekts
       gegenüber allen Beteiligten, aber vor allem der Frauen“, sagte der
       Vorsitzende Richter Arturo Frenando Zaldívar.
       
       ## Sieg für die Frauenbewegung
       
       Für die [2][mexikanischen Frauenbewegungen] ist dieses Urteil ein großer
       Erfolg. Die Entscheidung des Gerichts zeige, dass die mexikanische
       Gesellschaft Schritt für Schritt die Rechte von Frauen durchsetzen werde,
       erklärte Ana María Hernández von der feministischen Organisation Consorcio.
       
       Bislang sind Schwangerschaftsabbrüche in den meisten Regionen des
       katholisch geprägten Landes verboten. Lediglich in den Bundesstaaten
       Mexiko-Stadt, [3][Oaxaca], Veracruz und Hidalgo können Frauen nicht mehr
       juristisch bestraft werden, wenn sie sich entscheiden, in den ersten zwölf
       Wochen einer Schwangerschaft abzutreiben. Nur der Abbruch nach einer
       Vergewaltigung ist bislang im ganzen Land nicht strafbar.
       
       Mexikos [4][Präsident Andrés Manuel López Obrador], der ein traditionelles
       Familienbild verteidigt, äußerte sich bislang immer zurückhaltend gegenüber
       der Frage. Kurz vor Bekanntgabe des Urteils erklärte er, „das müssen die
       Frauen lösen“. Viele Politikerinnen und Politiker seiner linken Partei
       Morena hatten sich jedoch in den Bundesstaaten für die Entkriminalisierung
       eingesetzt.
       
       Olga Sanchez Cordero (Morena), die jüngst das Amt als Innenministerin abgab
       und nun dem Senat vorsitzt, twitterte nach dem Urteilsspruch: „Nie wieder
       eine Frau im Gefängnis, weil sie sich zur Abtreibung entschieden hat.“ Ihre
       Partei sprach von einem historischen Tag, während die zweitstärkste Partei,
       die rechte PAN, betonte, man setze sich „für die Verteidigung des Lebens
       von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod ein.“
       
       Die Regierung von Coahuila ordnete nach dem Urteilsspruch an, sofort alle
       Frauen aus dem Gefängnis zu entlassen, die wegen eines
       Schwangerschaftsabbruchs einsitzen. Ob und wie das Verbot der
       Kriminalisierung jedoch letztlich in den einzelnen Bundesstaaten umgesetzt
       wird, bleibt offen. Vor allem in extrem konservativen Regionen werden
       Frauen weiterhin dafür kämpfen müssen, dass sie zu ihrem Recht kommen.
       Jeder Bundesstaat kann mit eigenen Vorgaben festlegen, unter welchen
       Voraussetzungen eine Abtreibung durchgeführt werden darf. Viele rechtliche
       Auseinandersetzungen sind also vorprogrammiert.
       
       8 Sep 2021
       
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