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       # taz.de -- taz Talk zur Wahl mit Franziska Giffey: „Mache keinen Koalitionswahlkampf“
       
       > Weiter mit Rot-Rot-Grün in Berlin? Dazu sagte Franziska Giffey in der taz
       > Kantine nichts. Aber sie zeigte dort große Übereinstimmung mit der CDU.
       
   IMG Bild: Franziska Giffey am Donnerstagabend im Gespräch mit taz-Redakteurin Alke Wierth
       
       Berlin taz | „Oh, das ist wieder Potenzial für den nächsten Shitstorm!“,
       sagt die Frau im blauen Kleid zwischen den beiden tazlern Alke Wierth und
       Bert Schulz. Die ganze Zeit hat sie sich Mühe gegeben, bloß nicht
       missverstanden zu werden, hat stets irgendein Rein-Psychologisieren in ihre
       Antworten befüchtet. Und nun sagt Franziska Giffey,
       [1][SPD-Spitzenkandidatin], über die schwierig scheinende Suche nach einer
       künftigen Bildungssenatorin nicht etwas wie: „Da drängen sich uns gerade
       die klügsten Köpfe auf“, sondern so ehrlich wie realistisch: „Ich glaube,
       es wird sich schon jemand finden.“
       
       Vor gut 50 Menschen in der taz Kantine beantwortet Giffey am
       Donnerstagabend anderthalb Stunden lang Fragen von taz-Redaktion und
       Publikum – auch von Zuschauern im Internet, denn die Veranstaltung wird auf
       mehreren Kanälen live gestreamt. Und „Beantworten“ ist wörtlich gemeint:
       Anders etwa als ihr Parteifreund und Exkollege im Bundeskabinett, Olaf
       Scholz, der es im ZDF-Sommerinterview jüngst schaffte, um fast jede Frage
       herum zu antworten, weicht Giffey keiner aus.
       
       Das fängt schon beim „Entweder-Oder“-Spiel zum Aufwärmen an: „Willy Brandt
       oder Heinz Buschkowsky?“, will Moderatorin Alke Wierth wissen. Giffey zieht
       die SPD-Ikone ihrem Mentor und Vorgänger als Neuköllner
       Bezirksbürgermeisterin vor. Bei [2][„Kostüm oder Jogginghose“] will sie
       wissen, ob die taz das auch einen Mann fragen würden. Worauf die in Person
       von taz-Berlin-Ressortleiter Bert Schulz versichert: Natürlich, bloß würde
       die Frage dann „Anzug oder Jogginghose“ lauten. Worauf Giffey offenbart,
       Jogginghose trage sie „eher selten“. Später hat sie noch einen Tipp für
       alle, die ihren Nachnamen falsch aussprechen: „Giffey, wie Norderney“
       
       Grundsätzlich aber macht sie in dem sehr dynamischen Gespräch deutlich,
       dass ein reines Entweder-oder nicht unbedingt ihre Sache ist. Etwa beim
       Thema Geschwindigkeitsbegrenzung. Pauschal Tempo 30 zu beschließen, „das
       finde ich eine undifferenzierte Herangehensweise“, sagt sie und verweist
       darauf, dass auch andere, dazu oft zitierte europäische Hauptstädte das
       letztlich doch nicht flächendeckend machen würden.
       
       Programminhalte hin oder her, eine Frage muss unbedingt auch kommen: Warum
       denn das rote Herz in der SPD-Wahlkampagne eckig statt rund ist.
       Vielleicht, damit die Sozialdemokraten nicht mehr so kuschelig wirken?,
       mutmaßt Ressortleiter Schulz. Die Erklärung ist weniger inhaltlich als
       technisch: Das Herz und andere, allerdings weit weniger bekannte
       Wahlkampfbausteine, soll sich aus einem Würfel basteln lassen, und das hat
       natürlich Ecken zur Folge.
       
       Giffey weist die Aussage zurück, sie trieze die Noch-Koalitionspartner der
       SPD, also Linkspartei und Grüne: „Ich sehe das nicht so“. Im Gegenteil, sie
       selber sei am Donnerstag – von Linksparteichefin Katina Schubert [3][im
       Interview mit der taz] – als „Populistin“ bezeichnet worden. Giffey mag
       nicht Falsches daran erkennen, auf „SPD pur“ zu setzen: „Wir machen ja
       keinen Koalitionswahlkampf.“
       
       Zu eben solchen Koalitionen sagt sie nichts an diesem Abend. Indirekt aber
       stellt sie eine klare Verbindung zu der Partei des Mannes her, der am
       Vorabend beim taz Talk auf dem selben grünen Sessel saß.
       CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner hatte [4][am Mittwoch für die Randbebauung
       des Tempelhofer Feldes geworben] und erklärt, dass dann von dessen 300
       Hektar noch immer 200 blieben und dass das größer sei als der Central Park
       in New York. Und als es um das Thema Sicherheit geht, griff der CDUler als
       Beispiel eine Krankenschwester heraus, die tief in der Nacht nach Hause
       fahren müsse.
       
       Und was macht Giffey? Spricht von 200 verbleibenden Hektar Feld, vom
       Central Park und auch von einer Krankenschwester. Das ist nun noch nicht
       die Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag der beiden mit der FDP als
       drittem Partner. Aber eine große Überschneidung bei den ebenso großen
       Themen Bauen und Sicherheit ist unübersehbar.
       
       Eine andere viel zitierte Aussage von ihr rückt Giffey an diesem Abend
       gerade: Als sie von „roten Linien“ als Ausschlussgrund für
       Koalitionsgespräche gesprochen habe, habe sie damit nicht gemeint, sie
       wolle ein mögliches „Ja“ beim [5][Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co.]
       enteignen ignorieren. Gerichtet habe sich die Aussage vielmehr an jene
       Parteien, die eine solche Enteignung unterstützen – was vorrangig die
       Linkspartei betrifft.
       
       Zum Fall eines erfolgreichen Entscheids, der ebenfalls am 26. September zur
       Abstimmung steht, sagt sie: „Selbstverständlich muss mit jedem
       Volksentscheid respektvoll umgegangen werden.“ Erster Schritt wäre dann aus
       ihrer Sicht eine rechtliche und verfassungsmäßige Prüfung. Das werde „in
       aller Verantwortung und wie sich das gehört gemacht werden.“
       
       Mit Franziska Giffey kann man genauso wenig wie frau einen Abend lang
       zusammen sitzen, ohne auf die Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit
       einzugehen. Für sie ist die Sache abgehakt: Überprüfung durch die
       Universität beendet, Dr.-Titel weg, als Ministerin zurückgetreten, wie für
       diesen Fall versprochen. Mit sich selbst gibt sie sich weiter im Reinen:
       „Ich habe diese Arbeit so geschrieben, wie ich es für richtig gehalten
       habe.“
       
       Und zu der immer wieder mal, vorrangig von der politischen Konkurrenz,
       erhobenen Frage, ob sie nach all dem nun so einfach Regierende
       Bürgermeisterin werden kann, verweist sei auf die Wahl am 26. September:
       „Das entscheiden die Berlinerinnen und Berliner.“
       
       10 Sep 2021
       
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