# taz.de -- Über 20.000 bei Mietendemo in Berlin: Immobilienhaie zu Fischbrötchen
> Am Samstag haben steigende Mieten wieder viele Menschen in Berlin auf die
> Straße gebracht. Dabei gerät auch die SPD ins Schussfeld.
IMG Bild: „In München haben wir den Wahnsinn bereits“: Die Mietendemo zieht am Samstag durch Berlin
Berlin taz | „Eigentlich müsste die ganze Republik auf die Straße“, sagt
ein Mann, der ein Transparent mit der Abbildung einer brennenden
Mieterhöhung hochhält. Ein paar Meter weiter beginnt sich ein lila-gelbes
Fahnenmeer in Bewegung zu setzen. Es sind Hunderte Aktivist:innen des
[1][Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen], das die
Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne anstrebt. Über 20.000 Menschen
ziehen am Samstag laut Veranstalter:innen durch Berlin, um unter dem
Motto „Wohnen für alle“ für einen bundesweiten Mietendeckel, einen
sechsjährigen Mietenstopp und für die Vergesellschaftung großer
Immobilienkonzerne zu protestieren.
Während die [2][Unteilbar-Demonstration] letzte Woche kleiner als erwartet
ausgefallen war, zieht das Thema Wohnen also weiterhin Menschen auf die
Straße. Vom Alexanderplatz ausgehend zieht der Protestzug lautstark bis zur
Siegessäule am Großen Stern. Die Demonstrierenden zeigen sich bunt und
kreativ: Am Brandenburger Tor empfängt die Sambaband Green Igelz sie mit
einer kraftvollen Trommeldarbietung.
Mittendrin besingt der Kreuzberger Kiezchor Lauratibor den kollektiven
Widerstand – von einer Protestband mit Kontrabass, Keyboard, Trompete und
Posaune begleitet. Auf Plakaten wird etwa gefordert, Immobilienhaie in
Fischbrötchen zu verwandeln. Insbesondere im vorderen Teil der Demo und im
Enteignungsblock ertönen antikapitalistische Sprechchöre.
Ein junger Mann erzählt der taz, sein Haus sei kürzlich von einem Investor
aufgekauft worden, der keinen Hehl aus seinen Ambitionen mache, das Gebäude
zu entmieten und in Eigentumswohnungen umzuwandeln. „Manche Menschen wohnen
seit 25 Jahren im Haus, von denen weiß keiner, wo sie hin sollen, wenn wir
tatsächlich rausmüssen“, sagt er. „In München haben wir den Wahnsinn
bereits seit 1990“, sagt Volker Raststätter, Geschäftsführer des dortigen
Mietervereins, zu Beginn der Demonstration der taz. Mittlerweile lägen die
Mieten dort bei über 20 Euro kalt pro Quadratmeter, das könne sich selbst
die gehobene Mittelschicht nicht mehr leisten. Entsprechend plural sind
dann auch die Anliegen der Demonstrierenden.
## Am Samstag ist auch Tag der Wohnungslosen
Ganz hinten, wohin die Veranstalter:innen die Parteien verbannt
hatten, marschieren sogar einige Genoss:innen der SPD mit. [3][Deren
Berliner Spitzenkandidatin Franziska Giffey] hat sich wiederholt klar gegen
die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ausgesprochen, einem
Kernanliegen der Demonstration. Auf diesen Widerspruch angesprochen
verweisen die Genoss:innen auf die unterschiedlichen Positionen, die auf
der Demonstration vertreten würden. Derweil erklärt der anarchistische
Frontblock in lautstarken Sprechchören, die Sozialdemokratie habe die
Mieter:innen verraten – und ruft zur Revolution auf.
Bundesweit zur Demonstration mobilisiert hatte das Aktionsbündnis gegen
Verdrängung und Mietenwahnsinn, das Bündnis Mietenstopp sowie das Berliner
Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen. Der Protest steht auch im
Zeichen des Tags der Wohnungslosen, welcher ebenfalls am Samstag ist.
Zunehmend würden Menschen auf der Straße oder in Notunterkünften landen,
weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, hieß es im Demoaufruf.
Schon eine Stunde vor Demonstrationsbeginn haben sich etwa 150 Menschen,
die später den anarchistischen Block bilden, vor der teilbesetzten „Köpi“
in Kreuzberg versammelt. In Form einer Zubringerdemo laufen sie gemeinsam
zum Alexanderplatz und protestieren dabei für den Erhalt linker Freiräume.
Der vorgelagerte Wagenplatz der seit 1990 besetzten „Köpi“ ist derzeit akut
von einer Räumung bedroht. Im Juni hatte der Eigentümer, die
Briefkastenfirma Startezia GmbH, ein Räumungsurteil erwirkt.
„Wir werden nicht widerstandslos gehen“, kommentiert dies ein Redner vor
der Köpi. Die Vorbereitungen für den „Tag X“ der Räumung würden im
Hintergrund laufen. Die Briefkastenfirma bezeichnet er als
„kapitalistisches Monster“, das ihr Zuhause in Profit verwandeln wollte.
Dabei seien es solche Orte, die „Berlin zu einem besonderen Ort machen“, so
der Redner.
11 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Timm Kühn
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