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       # taz.de -- Cyberstrategie 2021: Horsts Hacker
       
       > Alle, die man fragt, haben ernsthafte Bedenken – trotzdem beschließt man
       > beim Rausgehen fix eine neue Strategie. Willkommen in der deutschen
       > Cybersicherheit!
       
   IMG Bild: Horst hackt zurück
       
       Kurz vor knapp ist die scheidende Bundesregierung doch noch mit ihrer neuen
       Strategie zur Cybersicherheit um die Ecke gekommen.
       
       Das Innenministerium hat gut zwei Jahre lang an einer Gesetzesnovelle
       gearbeitet, deren Auswirkungen im Grunde schnell zusammengefasst sind: Sie
       macht das Internet noch unsicherer. Das kann auch niemanden wirklich
       verwundern, schließlich wurde es unter Horst Seehofer entwickelt. Und auch
       der Zeitpunkt passt, denn mit den Folgen darf sich dann ja die neue
       Regierung herumschlagen. Eine Regierung, der Horst Seehofer ziemlich sicher
       und die Union nach aktuellen Umfrageergebnissen womöglich nicht mehr
       angehören werden.
       
       Zum Hintergrund: Die Bundesregierung hatte 2011 eine erste
       Cybersicherheitsstrategie vorgelegt, die 2016 fortgeschrieben wurde. Vor
       allem die Ergänzungen im IT-Sicherheitsgesetz von 2016 waren ein wichtiger
       Meilenstein der deutschen [1][Cybersicherheit]. Denn Betreiber von
       kritischen Infrastrukturen, wie beispielsweise Stromnetze und Wasserwerke,
       wurden dazu verpflichtet, IT-Sicherheitsstandards einzuhalten und
       Cyberangriffe an die zuständigen Stellen zu melden.
       
       Damals war dies noch eine mutige und vorausschauende Entscheidung. Nur hat
       sich seitdem gesetzlich nichts mehr verändert – das Internet und unsere
       digitalen Möglichkeiten allerdings schon.
       
       Nach langer Stille hat Horst Seehofer dann überraschend im Juni doch noch
       einen [2][Gesetzentwurf] vorgelegt. Kritik folgte prompt. 38 Vereine,
       Verbände, IT-Firmen und Netzwerke sowie 32 Wissenschaftler:innen
       appellierten nachdrücklich an die Bundesregierung, den vorgelegten Entwurf
       in dieser Legislaturperiode [3][nicht mehr zu beschließen].
       
       ## „Hackbacks“: digitales Wettrüsten
       
       In der Kritik standen dabei vor allem zwei Punkte: erstens das Thema
       Hackbacks. Das Wort setzt sich zusammen aus dem Begriff „Hacken“ und
       englisch „back“ für „zurück“. Bei diesem „Zurückhacken“ geht es darum, dass
       der Staat selbst Angriffe gegen Cyberkriminelle starten möchte – eine
       Änderung des Grundgesetzes vorausgesetzt.
       
       Das Problem bei solchen Hackbacks: Man begibt sich in ein digitales
       Wettrüsten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages spricht sogar vom
       „Risiko eines Rüstungswettlaufs und einer Militarisierung des Internets –
       was mehr neue Probleme schaffen als bestehende lösen würde“. Außerdem ist
       es kaum möglich, eine klare Regelung zu definieren: Wann ist ein Angriff
       legitimiert, wer darf ihn durchführen und welche Personen werden mit diesem
       Wissen „ausgestattet“? Außerdem lässt sich bei solchen Cyberangriffen auch
       meistens schlecht ein konkretes Ziel definieren. Denn oft ist nicht
       zweifelsfrei klar, wer Verursacher eines Angriffs ist. Also bleibt bei
       einem Gegenangriff auch ein enorm hohes Restrisiko, die Falschen zu
       treffen.
       
       Der zweite Klopper ist die Ankündigung, dass „technische und operative
       Lösungen für den rechtmäßigen Zugang zu Inhalten aus verschlüsselter
       Kommunikation entwickelt“ werden sollen. Will heißen: verschlüsselte Daten
       und Nachrichten schön und gut, aber in vielen – wirklich sehr vielen –
       Einzelfällen soll der [4][Verfassungsschutz] dann doch mitlesen dürfen. Und
       zwar mithilfe von technischen Hintertüren, die in unsere Geräte und
       Programme eingebaut werden. Wie er allerdings sicherstellen möchte, dass
       diese sogenannten Backdoors nur vom Verfassungsschutz – und auch nur im
       absoluten Ernstfall – genutzt werden, erklärt der Innenminister nicht.
       
       Nun wurde das Absichtspapier auf Druck der Union aber doch noch schnell
       beschlossen und legt damit die Richtung für die kommenden Jahre fest. Und
       das, obwohl nicht nur der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, sondern
       auch alle im Bundestag vertretenen Parteien gegen Hackbacks sind. Also alle
       außer den Unionsparteien. Falls also noch jemand ein Argument gegen das
       Kreuzchen bei der CDU/CSU braucht: die „Cybersicherheitsstrategie 2021“
       wäre eins.
       
       13 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Cybersicherheit/!t5543915
   DIR [2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2021/09/cybersicherheitsstrategie-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=1
   DIR [3] https://www.fiff.de/presse/offenerBriefCyberunsicherheitsstrategie
   DIR [4] /Verfassungsschutz-umwirbt-Wissenschaft/!5795589
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malaika Rivuzumwami
       
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