# taz.de -- Linke Sozialsenatorin im Porträt: Politik auf Ohrenhöhe
> Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) hat viel für Geflüchtete und
> Obdachlose getan. Sie hat das Gespräch mit Betroffenen und Trägern
> gesucht.
IMG Bild: Berlins linke Sozialsenatorin Elke Breitenbach
Nein, die Linke würde er wegen der amtierenden Sozialsenatorin nicht
wählen. Das sagt der in der CDU beheimatete Sozialstadtrat von
Charlottenburg-Wilmersdorf, Detlef Wagner. Und lacht. Aber dass er mit Elke
Breitenbach – ebenjener linken Senatorin – in den vergangenen Jahren sehr
gern und gut zusammengearbeitet hat und das auch gern weiter tun würde –
das betont er gleich mehrmals. Ungefragt.
„Wenn Zusammenarbeit so interessiert und gut läuft zwischen der CDU und der
Linken, dann finde ich das ganz, ganz toll“, sagt er etwa bei einer
Pressekonferenz Mitte September. Breitenbach sitzt neben ihm und nimmt das
Lob ohne großes Mienenspiel zur Kenntnis. Gemeinsam stellen sie das Konzept
„[1][Gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung]“ vor, von Breitenbach
angestoßen, Wagners Bezirk macht beim Pilotprojekt mit.
Diese Steuerung ist Breitenbachs Vorstoß, um Unterkünfte für obdach- und
wohnungslose Menschen zu verbessern. Denn: die seien bisher teils zu teuer
und schlecht. In die Datenbank kommen künftig nur Träger, die gewisse
Standards einhalten.
Über die stadtweite Liste freier Plätze sollen Menschen in Zukunft mit
Rücksicht auf ihre besonderen Bedürfnisse untergebracht werden. In der
Datenbank, die dann als Buchungssystem funktioniert, wäre dann vermerkt,
bei welchen Plätzen es außerdem die Kapazität gäbe, an einer Sucht zu
arbeiten, oder welche Unterkünfte für Familien geeignet sind. Das Prinzip
heißt „Mensch sucht Bett“: Und es stellt die Bedürfnisse der Einzelnen in
den Vordergrund.
Der Senatorin ist es ernst mit diesem Grundsatz: Sie redet mit denen, die
von ihrer Politik am Ende betroffen sind, direkt. So bringt sie etwa bei
runden Tischen das mit ein, was Geflüchtete ihr mitgegeben haben. Unter
obdachlosen Menschen (die sich zum Teil gegen die von ihr angeregte Zählung
bei der Nacht der Solidarität gewandt hatten) ist auch zu hören: Sie sei
die Erste, die zu den Leuten auf die Straße kommt und sie fragt, was sie
brauchen.
Das Buchungssystem für Unterkünfte läuft nun als Pilotprojekt. Ab Januar
sollen stadtweit Unterkünfte dazugeschaltet werden. „Es sind Dinge, über
die wir teils seit Jahren geredet haben, dass sich da mal etwas ändern
müsste“, sagt Marcel Deck. Er ist als Leiter der stationären
Wohnungsnotfallhilfe bei der Gebewo Soziale Dienste Berlin gGmbH am Pilot
beteiligt. Die Gebewo betreibt Erstaufnahmeeinrichtungen, Unterkünfte für
betreutes Wohnen und Beratungsstellen. Aus seiner Sicht könnte sich damit
tatsächlich einiges in der Unterbringung wohnungsloser Menschen verbessern.
Das Konzept sei in einem partizipativen Prozess entstanden, erläutert Deck.
Das präge die Arbeit der Sozialsenatorin. „Es wird uns sehr viel zugehört.
Das kannten wir aus der Verwaltung bisher nicht so“, sagt er, und das habe
auch die Arbeit für ihn und viele Kolleg*innen sinnvoller werden lassen.
„Wir haben nun Ansprechpartner*innen in der Senatsverwaltung und sind
mit Politik und Verwaltung im Gespräch.“ Unter Breitenbach hätten auch die
Expert*innen auf Seiten der Träger Gehör gefunden.
Deck sagt auch: „Wenn wir früher über Standards gesprochen haben, dann ging
es eher um die Anzahl von Herdplatten oder WCs“, sagt er. „Dass wir nun
auch darauf gucken, wie Menschen gefördert werden können“, das sei ein
„regelrechter „Quantensprung“. Dazu hätten insbesondere die
[2][Strategiekonferenzen zur Wohnungslosenhilfe] beigetragen. Auch diese
Konferenzen – von denen es bisher fünf gab – hat Breitenbach eingeführt.
Die Beteiligung ist hoch.
Breitenbach hat damit in ihrer Amtszeit einen neuen Stil des Zuhörens und
des Austauschs geprägt. Sie hat in ihrem Ressort insbesondere in der
Unterbringung von Obdachlosen und Geflüchteten Neues angestoßen und
Strukturen aufgebrochen – die stadtweite Datenbank für Unterkünfte ist ein
Teil davon. Die Aufgabe, [3][unfreiwillige Obdachlosigkeit tatsächlich bis
2030 abzuschaffen] – so, wie es auch eine EU-Richtlinie vorsieht –,
[4][geht die Senatorin mit einem Masterplan an], die Erkenntnisse und
Anregungen für Maßnahmen hat sie teils aus den Strategiekonferenzen
mitgenommen.
In der Vehemenz und Klarheit, mit der Breitenbach Anwürfe von Seiten der
Bundes-CDU (oder der AfD) pariert, zeigt sie sich kämpferisch. „Ich finde
den Brief übergriffig“, sagte [5][Breitenbach etwa zu einem Schreiben aus
dem Bundesinnenministerium], in dem dessen Staatssekretär die Auszahlung
von Geldleistungen an Flüchtlinge aus Moldawien kritisiert und
Sachleistungen anregt. „Wir haben uns in Berlin für eine Willkommenskultur
entschieden“, macht die Senatorin klar.
Breitenbach hat viel erreicht. Und die Weichen gestellt, um nahtlos
weiterzuarbeiten. Bei Initiativen und Trägern würden es wohl viele
begrüßen.
23 Sep 2021
## LINKS
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DIR [5] https://www.berlin.de/aktuelles/berlin/6905977-958092-mehr-asylbewerber-aus-moldaubundesinnenm.html
## AUTOREN
DIR Uta Schleiermacher
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