URI: 
       # taz.de -- Berlins zwölf Bundestagswahlkreise: Es gibt jetzt mehrere Kreuzbergs
       
       > Grüne Kandidatinnen und Kandidaten gewinnen nun auch Bundestagssitze
       > außerhalb des früheren Reviers von Christian Ströbele – in Pankow und
       > Mitte.
       
   IMG Bild: Canan Bayram, übernahm das Direktmandat von Christian Ströbele (links)
       
       Berlin taz | Canan Bayram hat verloren – aber nur den Titel der einzigen
       direkt gewählten grünen Bundestagsabgeordneten bundesweit: Allein in Berlin
       gewannen die Grünen am Sonntag drei Wahlkreise. Bayram, 2017 in
       Friedrichshain-Kreuzberg nur knapp erfolgreich, steigerte dabei ihr
       Ergebnis gegenüber damals immens und erreichte Dimensionen ihres Vorgängers
       Hans-Christian Ströbele: Selbst zusammengerechnet bekam ihre Konkurrenz von
       Linkspartei und SPD nicht so viel Stimmen wie sie. Ähnlich beeindruckend:
       Mario Czaja (CDU), der gegen den Bundestrend erstmals im Wahlkreis
       Marzahn-Hellersorf gewann und damit beinahe die Linkspartei aus dem
       Bundestag kickte.
       
       4-3-3-2 war am Montagmorgen nach Auszählungsschluss nicht die Aufstellung
       von Union oder Hertha für die nächsten Bundesligaspiele, sondern die
       Verteilung der gewonnenen Wahlkreise auf SPD, Grüne, CDU und Linkspartei.
       Die Grünen waren dabei außer in Friedrichshain-Kreuzberg in Pankow mit
       Stefan Gelbhaar und in Mitte mit der erstmals angetretenen Hannah
       Steinmüller erfolgreich, deutlich vor der SPD.
       
       Die Sozialdemokraten gewannen hingegen anderswo gleich viermal, einmal mehr
       als bei der Wahl 2017. In Charlottenburg-Wilmersdorf siegt
       Noch-Regierungschef Michael Müller klar vor dem zuletzt siegreichen
       CDU-Bewerber, der auch noch hinter Lisa Paus lag, der Spitzenkandidatin der
       Berliner Grünen für die Bundestagswahl.
       
       Von der Konstellation her genauso war der Ausgang in Tempelhof-Schönberg:
       Die SPD, nämlich SPD-Bundesvizechef Kevin Kühnert, nahm der CDU einen
       schier sicheren Sitz ab und gewann vor den Grünen in Person von Renate
       Künast. Sie zieht dennoch über die Grünen-Landesliste wieder in den
       Bundestag ein, genau wie der unterlegene CDUler Jan-Marco Luczak. Direkt
       holten bei der CDU neben Czaja Kulturstaatsministerin Monika Grütters und
       Exsenator Thomas Heilmann die Wahlkreise Reinickendorf und
       Steglitz-Zehlendorf.
       
       ## Joe Chialo schafft es nicht in den Bundestag
       
       In Spandau und Neukölln bestätigten neue SPD-Bewerber – Helmut Kleebank und
       Hakan Demir – die Erfolge ihrer Vorgänger von 2017. Zu den Unterlegenen
       gehörte dabei Joe Chialo, der einzige schwarze CDU-Bundestagskandidat, kurz
       vor der Wahl noch von Kanzlerkandidat Armin Laschet in dessen
       „Zukunftsteam“ geholt.
       
       Die Linkspartei wiederum, 2017 noch in vier Wahlkreisen erfolgreich, musste
       zwei davon wieder abgeben und siegte nur noch in Lichtenberg und
       Treptow-Köpenick. In Pankow konnte Udo Wolf, Exfraktionschef im
       Abgeordnetenhaus, nicht ähnlich mobilisieren wie sein Vorgänger Stefan
       Liebich, der nicht erneut angetreten war: Wolf landete sogar mit Abstand
       nur auf Platz 3. Und im unverlierbar geglaubten Wahlkreis
       Marzahn-Hellersdorf, den fünfmal hintereinander Petra Pau gewonnen hatte,
       setzte sich klar Exsozialsenator Mario Czaja von der CDU durch.
       
       Damit war zugleich einer der drei Berliner Wahlkreise weg, die als
       Lebensversicherung der Linkspartei bundesweit galten: Gewinnt eine Partei
       mindestens so oft direkt, dann gilt die 5-Prozent-Hürde nicht und die
       Partei kann auch mit 4,9 Prozent oder weniger im Bundestag vertreten sein.
       Dass das nun trotz der Marzahner Niederlage geschieht, hat die Linkspartei
       einem weiteren Wahlkreissieg in Leipzig zu verdanken – „Sonst wäre ich der
       Totengräber der Linkspartei geworden“, sagte Czaja.
       
       Sein Sieg war das überraschendste Ergebnis aller Abstimmungen am Sonntag in
       Berlin. Denn Czaja hatte zwar bei der Abgeordnetenhauswahl seinen Wahlkreis
       in Biesdorf-Kaulsdorf mit einem der landesweit besten Erststimmenergebnisse
       gewonnen. Doch ist dieses Gebiet sehr durch Eigenheime geprägt und gilt als
       „Dahlem des Ostens“. Dass Czaja im gesamten Bezirk mitsamt der Marzahner
       Plattenbauten erfolgreich sein könnte, galt als sehr zweifelhaft.
       
       Doch Czaja schaffte genau das und zwar nicht nur knapp: Mit 29,4 Prozent
       lag er deutlich vor Pau mit lediglich 21,6 Prozent. Das Besondere daran:
       Czaja gelang das im Zwist mit seinem Landesverband und gegen den negativen
       Bundestrend. Er konnte Menschen für sich gewinnen, die mit der Zweitstimme
       andere Parteien wählten: Die CDU bekam mit 16,9 Prozent nur etwas mehr als
       halb so viele Stimmen wie Czaja Erststimmen.
       
       Er selbst sieht das als Teil eines Gesamtpakets der örtlichen CDU: Für das
       Abgeordnetenhaus hat die nun drei Wahlkreise gewonnen statt einem wie 2017,
       in der Bezirksverordnetenversammlung stellt sie künftig die größte
       Fraktion. Als Grund gab Czaja der taz einen pragmatischen Umgang mit der
       Linkspartei, überzeugendes Personal und viel Kümmern vor Ort an.
       
       28 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Mario Czaja
   DIR Hans-Christian Ströbele
   DIR Canan Bayram
   DIR Grüne Berlin
   DIR Berliner Bezirke
   DIR Schwerpunkt Wahlen in Berlin
   DIR Schwerpunkt Wahlen in Berlin
   DIR Berliner Bezirke
   DIR Schwerpunkt Wahlen in Berlin
   DIR Bundestagswahl2017
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Christian Ströbele ist tot: Niemals Wischiwaschi
       
       Für Christian Ströbele war alles politisch; Persönliches zu entlocken
       gelang kaum. Eine Erinnerung einer tazlerin, die ihn 40 Jahre begleitet
       hat.
       
   DIR Wahlergebnisse in den Bezirken: Berlin ohne CDU-Bürgermeister?
       
       Auch wenn die Christdemokraten im Senat dabei sein sollten: Auf
       Bezirksebene könnte die Partei demnächst komplett ohne Bürgermeisterposten
       dastehen.
       
   DIR Nach Chaos am Sonntag: Berliner Wahlleiterin tritt zurück
       
       Nach dem chaotischen Wahlsonntag in Berlin tritt die Landeswahlleiterin
       zurück. Sie entschuldigte sich bei den WählerInnen für die Pannen.
       
   DIR Nicht gewählte Berliner Politiker: Ene, mene, muh …
       
       Wer ist im kommenden Bundestag, im Abgeordnetenhaus und in den
       Bezirksparlamenten nicht mehr mit dabei? Eine Verabschiedung.
       
   DIR Wahlergebnisse in Berlins Bezirken: Der neueste Grünstreifen
       
       Die Grünen stellen in fünf von zwölf Bezirksparlamenten die stärkste
       Fraktion. Ob sie dort auch die Bürgermeister*innen stellen, ist offen.
       
   DIR Landesparteitag der CDU: Wegner gibt den Cowboy
       
       Parteichef Kai Wegner schießt nach dem Mietendeckel-Aus gegen Rot-rot-grün.
       Die Landesliste für die Bundestagswahl wird zur Hälfte mit Frauen besetzt.
       
   DIR Linker Wahlkreis in Berlin: Bayram muss zittern
       
       Der Krimi zu später Stunde und die spannendste Entscheidung am Wahlabend:
       Wer tritt Ströbeles Nachfolge in Friedrichshain-Kreuzberg an?