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       # taz.de -- Kinderpsychiaterin über Corona-Folgen: „Kinder brauchen ihre Peergroup“
       
       > Für Kinder ist die Schule ein wichtiger Lebensort, sagt die Hamburger
       > Kinderpsychiaterin Carola Bindt. Eine „verlorene Generation“ sieht sie
       > nicht.
       
   IMG Bild: Schüler*innen tut es gut, wieder unter Ihresgleichen zu sein
       
       taz: Frau Bindt, was wissen wir über psychosoziale Folgen der Coronakrise
       für Kinder und Jugendliche? 
       
       Carola Bindt: Nicht so viel, wie manchmal postuliert wird. Wir haben ja an
       unserer Klinik [1][die „Copsy-Studie“] gemacht, die Befindlichkeiten und
       Veränderungen im ersten und im zweiten Lockdown erhob. Wir haben gesehen,
       die Kinder und Jugendlichen sind besorgter oder auch gestresster. Ob das
       jetzt aber auch einen Störungswert hat und zu behandlungsbedürftigen
       Symptomen führt, wissen wir nicht. Das erhob die Studie nicht.
       
       Haben die Kliniken mehr junge Patienten? 
       
       Ja, aber es waren in den Lockdowns viele Praxen der Kinder- und
       Jugendpsychiatrie und auch der Kinder- und Jugendtherapeuten nur reduziert
       geöffnet. So kam es zu einem Aufstau von Patienten, die sich auch ohne
       Pandemie vorgestellt hätten. Auch kommen jetzt mehr Kinder, weil die
       Schulen wieder geöffnet sind und die Probleme bemerkt werden.
       
       Und was wird oft postuliert? 
       
       Von manchen Stellen heißt es, Kinder und Jugendliche seien jetzt in ihrer
       psychischen Gesundheit nachhaltig gefährdet. Aber wir haben keine
       verlässlichen Zahlen zu psychischen Störungen, die Behandlung brauchen. Das
       geht manchmal durcheinander.
       
       Gleicht sich das Erlebte wieder aus? 
       
       Davon gehe ich aus. Aus anderen Forschungszusammenhängen wissen wir, wie
       resilient Kinder und Jugendliche sind und dass vorübergehende kollektiv
       erlebte Belastungen nicht automatisch zu nachhaltigen Schäden führen. Zu
       sagen, wir haben jetzt eine verlorene Generation, halte ich für maßlos
       überzogen. Und das zu hören führt eher zu Panik.
       
       Nun geht es am 28. September bei der Diskussion der [2][Vereinigung der
       Gymnasialschulleitungen] darum, wie Schule reagieren muss? Brauchen die
       Kinder einen Ausgleich für das Erlebte? 
       
       Ja. Was wir schon sehen, unabhängig davon, ob das jetzt krank macht oder
       nicht, ist, dass viele Jugendliche irritiert sind, zum Beispiel in ihren
       sozialen Bezügen. Dass die soziale Isolation Folgen hatte und Familien
       belastet waren. Es gibt mehr Gewalt in Familien, das wissen wir aus der
       Jugendhilfe. Schule ist ein wichtiger Lebensort für Kinder. Sie muss
       Kindern wieder Stabilität und Rückhalt geben. Es heißt, der
       Bildungsrückstand müsse schnell aufgeholt werden. Ich höre, dass mit diesem
       Argument Klassenfahrten gestrichen werden. Davon rate ich ausdrücklich ab.
       Kinder brauchen Stabilität und Halt in ihrer Peergroup.
       
       Wäre ein dritter Lockdown verkraftbar? 
       
       Wir wissen, dass die sekundären Folgeschäden der Pandemie-Einschränkungen
       gravierender sind als die Folgen, die durch Infektionen zu erwarten sind.
       Man sollte nicht gleich wieder die Schule schließen, sondern gucken, wie
       kann man Kinder und Jugendliche in Kontakt halten – online und in Präsenz
       gemischt.
       
       28 Sep 2021
       
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