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       # taz.de -- Die Wahrheit: Metallköpfe wirbeln wieder
       
       > Endlich gibt es wieder Heavy-Metal-Konzerte. Manchen Fans stehen die
       > Kullertränen in den Augen, andere lassen einfach die Kopffransen fliegen.
       
   IMG Bild: Hübsch verziert ist gut fürs Geschäft: Nachttopf aus der DDR
       
       Nach gut anderthalb Jahren mal wieder ein richtiges Open Air mit meinen
       Braunschweiger Lieblingsdräschern Headshot. Ich war spät dran, aber der
       Krokoszinski Sicherheitsdienst ließ sich nicht aus der Ruhe bringen,
       kontrollierte skrupulös meinen Perso und fragte auch noch, ob Mami mir
       genügend Geld mitgegeben hätte. Woher weiß er das?, überlegte ich, drohte
       aber spielerisch mit dem Zeigefinger. „Mein lieber Krokoszinski!“
       
       „Schnutenpulli!“, befahl er. „Bei einem Open Air?“ Er hob messianisch die
       Hände. „Es sei denn, du hast gleich ein Wolters vorm Hals und hörst am
       besten gar nicht wieder auf.“ Als ich das Gelände betrat, sah ich, dass er
       das allen anderen vor mir auch schon geraten hatte. Die gut 200
       Festivalgäste zeigten sich sehr gelehrig. Zwei lagen schon lang, mit dem
       Kopf nach unten, der Rest arbeitete mit dem Bierbecher in der Faust dran.
       Endlich wieder zu Hause.
       
       Die Veranstalter hatten freundlicherweise Klappstühle aufgestellt. Man ist
       die Rumsteherei auf Festivals nicht mehr gewohnt. Ich ging direkt zur Bühne
       und rief meinen Head-shot-Buddies Till und Olaf aufmunternde Worte zu.
       „Kann losgehen, bin da!“ – „Das gibt Sicherheit“, nickte Till und rödelte
       gleich los mit der perfiden Grazie eines Abbruchhammers. „Es ist mir ein
       inneres Blumenpflücken“, ließ Shouterin Dani zur Begrüßung vernehmen, sang
       aber den Rest des Abends, als wollte sie uns fressen.
       
       „Dani, ich will ein Rind von dir“, schrie ein Irrer. Die gekrümmte Haltung
       verriet seine Angst. Startposition. Falls sie herunter kam von der Bühne,
       um ihn zu holen, wäre er längst auf der Flucht. In ihrer Langmut aber
       brüllte sie ihn bloß nieder. „Du Schwein!“ Er war gewarnt.
       
       Headshot brachten die Sitzreihen ausgelassen zum Schunkeln. Wer noch Haare
       hatte, ließ sie kreisen. Zwei besonders frenetische Fans falteten
       Papierflieger mit Songvorschlägen und ließen sie gen Bühne segeln. Die
       Krokoszinskis steckten die Köpfe zusammen und beratschlagten, ob sie
       eingreifen mussten. Einem Metalhead standen dicke Kullertränen in den
       Augen, weil er endlich wieder eine richtige Packung bekam. Und er nutzte
       eine Pause zwischen den Songs, um sein Lebensglück hinauszuschreien.
       „Untenrum!“
       
       Dann kam die Nacht. Die Lightshow sorgte für Muckeligkeit, Headshot legten
       ein paar Klafter Holz nach und das Festivalvolk strömte zur Bühne, um sich
       die Beine und Hälse zu vertreten. In meinem Überschwang riss ein Gummi, die
       Maske schlabberte wild im Schallwind. Aber die aufmerksamen Herren vom
       lokalen Metalclub Hotel 666 sind bekannt für ihr ausgeprägtes
       Helfersyndrom. Ehe ich mich versah, hatten sie mir mit extrabreitem
       Panzerband die Maske am Ohr festgetapet.
       
       „So!“, schrien sie, begleitet von Olafs trügerisch einschmeichelnder
       Leadgitarre, „die hält erst mal ’ne Weile!“ Sie freuten sich
       außerordentlich. Der Segen, der im Helfen liegt, ich glaubte, ihn in ihren
       Augen lesen zu können. Bis ich die Maske später wieder abnehmen wollte.
       
       30 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Schäfer
       
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