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       # taz.de -- Sozialpolitik von Grünen und FDP: Mehr Zuverdienst bei Hartz IV
       
       > Bei den Sondierungen zwischen FDP und Grünen könnten Berührungspunkte in
       > der Sozialpolitik helfen. Aber Fragen der Finanzierung sind unklar.
       
   IMG Bild: Therapiegespräch in einer Stuhlrunde
       
       Berlin taz | Zuerst gute Nachrichten: Kommen Grüne und FDP in die
       Bundesregierung, könnte es mehr kassenfinanzierte Psychotherapie geben und
       auch mehr Möglichkeiten ärztlicher Suizidhilfe am Lebensende. Menschen,
       die Hartz IV beziehen, könnten mehr Geld aus einem Hinzuverdienst behalten
       dürfen.
       
       Diese Gemeinsamkeiten ergeben sich, wenn man die Sozialpolitik in den
       Wahlprogrammen von FDP und Grünen vergleicht. Die Freidemokraten wollen
       generell „bessere Hinzuverdienstregeln beim Arbeitslosengeld“, die Grünen
       die „Anrechnung von Einkommen“ für Bezieher:innen von Grundsicherung
       „deutlich attraktiver gestalten“.
       
       Eine Ausweitung der Hinzuverdienstmöglichkeiten würde bedeuten, den Kreis
       der Erwerbstätigen, die Anspruch auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen hätten,
       erheblich auszuweiten, was auch von den Gewerkschaften nicht unkritisch
       gesehen wird.
       
       Nicht unterschlagen sollte man, dass die FDP einst [1][ein Gutachten in
       Auftrag] gegeben hat, worin vorgeschlagen wurde, die Freibeträge nur bei
       höheren Hinzuverdiensten zu steigern, sie aber bei kleinen Nebenjobs bis
       100 Euro zu vermindern. Dieser Vorschlag würde Hartz-IV-Empfänger:innen mit
       Kleinstjobs schlechterstellen. Leichter umsetzbar ist der Vorschlag von FDP
       und Grünen, für Jugendliche in Familien, die Hartz IV beziehen, einen
       Nebenverdienst bis zur Minijobgrenze zuzulassen.
       
       ## Abgaben sollen sinken
       
       Für die knallharten Finanzierungsprobleme in den Sozialkassen finden sich
       in den Parteiprogrammen von FDP und Grünen hingegen nur wenig Vorschläge,
       die auf Gemeinsamkeiten hindeuten – und das ist die schlechte Nachricht.
       Die FDP beharrt darauf, dass die [2][„Abgabenquote“, also die
       Abgabenbelastung] für die Arbeitnehmer:innen und
       Arbeitgeber:innen, sinken müsse. Eine Wiederbelebung der
       Vermögensteuer lehnt sie ab, der Solidaritätszuschlag soll komplett
       abgeschafft werden.
       
       Die FDP möchte eine „gesetzliche Aktienrente“ einführen, wobei etwa 2
       Prozent des Bruttoeinkommens in eine „langfristige, chancenorientierte,
       kapitalgedeckte Altersvorsorge“ fließen sollen. Die Grünen schlagen zur
       Altersvorsorge [3][einen öffentlich verwalteten „Bürgerfonds“] vor, durch
       den die Menschen vom „Wertezuwachs der Wirtschaft“ profitieren sollen.
       
       Man erinnert sich nicht ohne Unbehagen an die Zeiten von Rot-Grün in den
       nuller Jahren, als grüne Finanzpolitiker:innen erklärten, dass die
       Bürger:innen nur mehr in Aktien investieren müssten, um am Wohlstand
       teilzuhaben. Dann kam der Crash.
       
       ## Keine „Bürgerversicherung“
       
       Für die von den Grünen propagierte Idee der „Bürgerversicherung“, womit
       private und gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zusammengelegt
       würden, gibt es von der FDP keine Zustimmung. Die Liberalen wollen
       weiterhin ein „duales Gesundheitssystem“. Allerdings mit mehr
       „Wahlfreiheit“, was Selbstständige freuen könnte, die im Alter liebend gern
       von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln würden.
       
       Statt die großen Finanzfragen anzugehen, könnten sich Grüne und Gelbe
       womöglich nur auf kleinere Verbesserungen einigen. Die FDP schlägt vor,
       dass Pflegehaushalte künftig mehr selbst darüber bestimmen können, wie sie
       das Geld aus der Pflegeversicherung einsetzen. Die Grünen wollen mehr
       gemeinnützige Wohnungsbauträger. Debatten darüber würden vom
       Waffenstillstand im Großen ablenken.
       
       30 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.freiheit.org/de/deutschland/reformpaket-fuer-hartz-iv
   DIR [2] https://www.fdp.de/nie-gab-es-mehr-zu-tun
   DIR [3] https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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