# taz.de -- Zapatista-Rundreise in Europa: Aus Chiapas zu den Eroberern
> Mit ihrer Landung in Wien beginnt die lang geplante Europatour der
> mexikanischen Zapatistas. Sie wollen Solidaritätsgruppen treffen.
IMG Bild: Mitglieder einer Vertretung der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee am Flughafen in Mexiko
Wien taz | Elf Minuten vor der planmäßigen Landung setzte die
Iberia-Maschine aus Madrid am Dienstag am Wiener Flughafen Schwechat auf.
Eine Stunde später erschien in Reih und Glied der erste Teil einer 177
Mitglieder starken Delegation der [1][Zapatistischen Befreiungsarmee
(EZLN)] aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas.
Das Empfangskomitee aus Solidaritätsbewegten, Lateinamerikaveteraninnen und
Freiwilligen, das mit Transparenten und Bannern aufmarschiert war, vertrieb
sich die Zeit mit dem Absingen revolutionärer Lieder und dem Rufen von
Parolen, wie „Zapata vive, la lucha sigue!“ oder „El Pueblo unido jamás
será vencido“.
Emiliano Zapata, der den indianischen Revolutionären den Namen gegeben hat,
war ein Bauernführer in der mexikanischen Revolution. Er wurde 1919
ermordet. Die EZLN war am Neujahrstag 1994 mit der Einnahme der Stadt San
Cristóbal de Las Casas in die Öffentlichkeit getreten, um auf die
Unterdrückung der indianischen Völker aufmerksam zu machen. Seither baut
sie im lakandonischen Urwald autonome Gemeinden auf.
Die sterile Ankunftshalle füllte sich unter heftigem Applaus mit den lange
erwarteten Zapatistas, mehrheitlich Frauen in ihren Huipiles oder bunt
bestickten Blusen. Ein Mann trug die Kleidung und den mit farbigen Bändern
geschmückten Hut der Würdenträger der Tzotziles, das ist eines der
Maya-Völker, die im Süden Mexikos heimisch sind. Statt der schwarzen
Sturmhauben, mit denen sich die Zapatistas sonst zeigen, trugen alle
einheitlich schwarzen Mund-Nasen-Schutz und darüber noch einen
Plexiglasschild.
## Die erste postmoderne Guerilla
Abgeschirmt von einem übereifrigen internationalen Securityteam nahmen sie
in der prallen Mittagssonne Platz, wo die Aktivisten eine Bühne errichtet
hatten. Nach den Begrüßungsansprachen des Empfangskomitees ergriff einer
der Indigenen das Wort. Wie bei den Zapatistas üblich, stellte er sich
nicht als Comandante vor und nannte nicht einmal seinen Namen.
Lange Zeit war ein [2][Subcomandante Marcos] als Wortführer der Rebellen
aufgetreten. Er sprach gerne in Gleichnissen und veröffentlichte Manifeste
von hoher literarischer Qualität. Der mexikanische Geheimdienst outete ihn
bald als den Literatur- und Philosophieprofessor Rafael Sebastián Guillén,
der vor einigen Jahren aus unbekannten Ursachen gestorben ist.
Die Zapatisten, die keine nationale Revolution anstreben, sind so etwas wie
die erste [3][postmoderne Guerilla], die nicht auf die Waffen, sondern auf
Vorbildwirkung setzt und damit weit über Mexiko hinaus wirkt.
Der Wortführer, der seine um Brust und Rücken geschnürten Rucksäcke nicht
ablegte, bedankte sich für den herzlichen Empfang und zeichnete ein
apokalyptisches Szenario von der nahen Zukunft. „All diese Gebäude“,
prophezeite er mit Blick auf den Control Tower, „werden einstürzen“.
„Pandemien und ‚Natur‘-Katastrophen sind nicht das Ergebnis von Schicksal,
Pech oder göttlichem Willen. Sie sind das Ergebnis der räuberischen
Handlungen eines Systems.“ Das System habe einen Namen: Kapitalismus.
## Eroberte „erobern“ Europa
Die Eroberten kommen, um Europa zu erobern. Unter dieser griffigen Parole
war im Vorfeld die große [4][Europareise der Zapatistas] angekündigt
worden. Von Wien aus wollen die Zapatistas über ganz Europa ausschwärmen
und in Austausch mit Solidaritäts- und Widerstandsgruppen treten.
Ursprünglich hätte die Reise in Frankreich beginnen sollen, doch das
jüngste Covidregime stellte unüberwindbare Hürden auf. So sprang Wien ein,
wo die Stadtregierung bei der Logistik behilflich ist und angeboten hat,
alle noch ungeimpften Delegationsmitglieder zu immunisieren.
Über die Agenda der Zapatistas weiß in Wien niemand Bescheid. Berthold
Molden, Mitglied des Koordinationskomitees, erzählt von ständigem
Improvisieren. Man habe Termine mit Besetzern einer geplanten
Schnellstraße, mit Bergbauern und Kurden geplant. Medientermine und Treffen
mit Politikern seien ausdrücklich nicht gewünscht.
14 Sep 2021
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## AUTOREN
DIR Ralf Leonhard
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