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       # taz.de -- Merkels letzte Einheits-Rede: Verheerende Ostbilanz
       
       > Die Kanzlerin bekam beim Einheitsfestakt viel Applaus – zu Unrecht: Für
       > die Belange des Ostens hat sie sich nie besonders eingesetzt.
       
   IMG Bild: Die Spitzen des Staates am Sonntag in Halle
       
       Der Applaus nach der Rede von Angela Merkel zum Tag der Deutschen Einheit
       dauerte lange. Die 340 Teilnehmer*innen des Festaktes in Halle
       klatschten im Takt und [1][feierten die Kanzlerin mit Standing Ovations].
       Zwar hielt sie [2][eine bewegende Rede]. Sie betonte, dass die
       Wiedervereinigung vor 31 Jahren nicht einfach über uns hereingebrochen sei,
       sondern errungen werden musste – und zwar von jenen Ostdeutschen, die
       während der friedlichen Revolution im Jahr 1989 auf die Straße gegangen
       sind und sich gegen die herrschenden Verhältnisse aufgelehnt haben.
       
       Dennoch hat Merkel einen solchen Beifall nicht verdient. Denn die
       Kanzlerin, die selbst in der DDR aufgewachsen ist, hat es in 16 Jahren
       nicht geschafft, für gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland
       zu sorgen. Der diesjährige [3][Bericht zum Stand der deutschen Einheit
       zeigt]: Der Osten hinkt dem Westen wirtschaftlich noch immer hinterher. Das
       Bruttoinlandsprodukt in den ostdeutschen Bundesländern erreicht nur rund 78
       Prozent des westdeutschen Niveaus.
       
       Darüber hinaus verdienen Beschäftigte in Ostdeutschland nach wie vor
       weniger Geld. Für eine ostdeutsche Regierungschefin ist das eine
       verheerende Bilanz. Obwohl sie selbst den Untergang der DDR miterlebt hat,
       hat sich Merkel nie besonders für die Belange des Ostens eingesetzt. Den
       Mindestlohn zum Beispiel lehnte Merkel lange ab. So sehr, wie sie die
       Ostdeutschen in ihrer letzten Einheitsrede würdigte, hat sie es in ihrer
       Amtszeit selten getan.
       
       Ohnehin hat Merkel ihre ostdeutsche Vergangenheit eher versteckt, sie hat
       nur selten von ihrer Herkunft erzählt, davon, wie sie in der Prignitz und
       in der Uckermark groß wurde. So hat sie den Kontakt zu den Ostdeutschen im
       Laufe ihrer Amtszeit immer mehr verloren. Gänzlich unbeliebt machte sich
       Merkel im Osten des Landes 2015, als sie Hunderttausenden Geflüchteten
       Schutz in Deutschland gewährte.
       
       Seither wird die CDU dort immer schwächer und die AfD immer stärker. Bei
       der Bundestagswahl wurde die AfD in Thüringen und Sachsen stärkste Kraft,
       in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg landeten die Rechtspopulisten auf
       Platz zwei – hinter der SPD. In allen Ostländern zusammen kommt Merkels
       Partei nur noch auf 16,9 Prozent. Merkel hat die Ostdeutschen nicht mehr
       hinter sich.
       
       Statt ein Fest zu feiern, Reden zu schwingen und zwischendurch
       Klavierstücken zu lauschen, sollten Merkel und die
       Ministerpräsident*innen die Zeit anders nutzen und sich überlegen,
       wie sie die immer tiefer werdenden Gräben zwischen Ost und West füllen und
       den Osten wieder von der Demokratie überzeugen können.
       
       3 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundeskanzlerin-bei-Feier-zum-3-Oktober/!5805231
   DIR [2] https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-anlaesslich-des-festakts-zum-tag-der-deutschen-einheit-am-3-oktober-2021-in-halle-saale-1964938
   DIR [3] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Neue-Laender/2021-jahresbericht-der-bundesregierung-zum-stand-der-deutschen-einheit-jbde.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Wiemann
       
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