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       # taz.de -- Olympische Winterspiele und Corona: Brutale Blase
       
       > Das Hygienekonzept der Olympischen Winterspiele von Peking ist noch
       > strenger als das der Spiele von Tokio. Chinas KP kommt das nicht
       > ungelegen.
       
   IMG Bild: Nur einheimische Fans erlaubt: Ein Einwohner von Peking passiert das Nationalstadion
       
       Peking taz | Lange wurde darüber gerätselt, wie genau die Olympischen
       Winterspiele in Peking überhaupt abgehalten werden können. Denn die
       Volksrepublik verfolgt das Prinzip „Zero Covid“ derart dogmatisch wie kaum
       ein anderes Land: Im Sommer wurden beispielsweise ganze Hafenterminals
       geschlossen und riesige Wohnbezirke abgeriegelt, nur weil diese eine
       einzige Corona-Infektion registriert hatten.
       
       Die nun vorgestellten Details des Olympischen Komitees fallen daher wenig
       überraschend aus: [1][Die kommenden Winterspiele] werden in einer Blase
       abgehalten, die weitaus abgeschirmter ist als noch während der Sommerspiele
       in Tokio. „Closed-loob management system“ nennen die Veranstalter das
       Konzept. Im Klartext bedeutet dies: Sämtliche Athleten, Betreuer,
       Freiwillige und Journalisten werden die Sportveranstaltung in einer Art
       Parallelwelt verbringen – und zwar von der Anreise bis zum Verlassen des
       Landes. Die IOC-Stellungnahme spricht von einem „speziellen
       Transportsystem“ für die Spiele, das zwischen den Sportstätten eingerichtet
       wird.
       
       In Japan konnten die Anreisenden zumindest in örtliche Supermärkte gehen,
       Restaurants besuchen und auch Einheimische treffen. In China hingegen wird
       all dies nur innerhalb der Olympia-Bubble möglich sein.
       
       ## Harte Einreisebestimmungen
       
       [2][Der größte Paukenschlag des Olympia-Konzepts sind die
       Einreisebestimmungen]. Sämtliche Besucher aus dem Ausland, die nicht
       vollständig geimpft sind, werden 21 Tage in Isolation verbringen müssen. In
       China bedeutet dies zentralisierte Quarantäne in einem zugewiesenen Zimmer.
       Für die Athletinnen und Athleten kommt dies de facto einer Impfpflicht
       gleich, denn kein Spitzensportler wird es sich leisten können, die
       kritischste Zeit vor den Spielen ohne effizientes Training zu verbringen.
       
       Die Vorteile von Olympia in China liegen auf der Hand: Aufgrund der
       radikalen Maßnahmen wird es wohl kaum zu steigenden Infektionszahlen
       kommen, wie sie noch in Japan im Zuge der Sommerspiele registriert wurden.
       Zudem erlaubt die strenge Umsetzung auch, dass Zuschauer in die Stadien
       gelassen werden – allerdings nur Einheimische. Publikum aus dem Ausland
       erhält auch diesmal keinen Zugang.
       
       Doch sportpolitisch ist die Ankündigung des IOC höchst problematisch. Denn
       wenn die Winterspiele in einer reinen Kulisse à la „Truman Show“ abgehalten
       werden, bedeutet dies auch, dass weder Journalisten noch Sportfunktionäre
       hinter die Fassade blicken können. Dort gäbe es mit Sicherheit einiges zu
       recherchieren: In den letzten Jahren hat China Hunderttausende Muslime in
       Xinjiang in Umerziehungslager gesperrt, einen umfassenden
       Überwachungsstaat installiert und auch in Hongkong die gesamte Opposition
       mundtot gemacht.
       
       Bei dem jetzigen Konzept der Chinesen mag zwar der gesundheitliche Aspekt
       im Vordergrund gestanden haben. Doch die vollständige Kontrolle der
       anreisenden Medienvertreter ist sicherlich ein mehr als willkommener
       Nebeneffekt – auch für das Olympische Komitee.
       
       NGOs fordern seit Monaten bereits einen diplomatischen Boykott der Spiele:
       Dieser sieht vor, dass Athleten zwar einreisen dürfen, doch staatliche
       Repräsentanten der Veranstaltung fernbleiben. Nun könnte das
       epidemiologische Konzept die Entscheidung von Regierungschefs ohnehin
       vorwegnehmen: Die wenigsten Spitzenpolitiker möchten wohl 21 Tage in einem
       Quarantänezimmer verbringen, nur um der Eröffnungszeremonie im Pekinger
       „Vogelnest“-Stadion beizuwohnen.
       
       Während sich die Welt langsam öffnet, macht der Gastgeber China seine
       Pforten weiter dicht. Im südchinesischen Guangzhou eröffnet dieser Tage ein
       260 Millionen teures Quarantänezentrum mit 5.000 Zimmern, damit die
       Einreisenden aus dem Ausland nicht mehr in Hotels untergebracht werden
       müssen. In der neuen Isolation sind diese weit vom Stadtzentrum
       abgeschirmt, ihre Mahlzeiten werden zudem von Robotern überreicht. Dabei
       hat China in diesem Jahr eine atemberaubende Impfgeschwindigkeit vorgelegt.
       Bereits Mitte September verkündeten die Staatsmedien, dass von den 1,4
       Milliarden Chinesen mehr als eine Milliarde vollständig geimpft seien.
       
       Doch zum einen sind die heimischen Vakzine nicht ausreichend wirksam gegen
       die Delta-Variante, und zum anderen will Staatschef Xi Jinping bis zum
       Herbst nächsten Jahres möglichst wenig Austausch mit dem Ausland: Dann
       nämlich wird Xi als erster Parteichef seit Mao Tse-tung eine dritte
       Amtszeit antreten.
       
       5 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_2022
   DIR [2] https://www.chinadaily.com.cn/a/202109/30/WS6154e8c2a310cdd39bc6c733.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
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