# taz.de -- Nobelpreisträger für Medizin: Forscher fürs Gefühl
> Der US-Sinnesphysiologe David Julius und der libanesisch-amerikanische
> Molekularbiologe Ardem Patapoutian erhalten den Medizin-Nobelpreis.
IMG Bild: Das Nobelpreis-Komitee verkündet, dass der Preis an David Julius und Ardem Patapoutian geht
David Julius und Ardem Patapoutian waren am Montagmorgen schwer
aufzuspüren. Berichten zufolge musste das Stockholmer Nobelpreiskomitee
erst den Vater des einen und dann die Schwiegertochter des anderen
mobilisieren, um der beiden diesjährigen Preisträger für Medizin habhaft zu
werden. Beide Forscher sollen regelrecht geschockt gewesen sein. Und wer
hätte im zweiten Pandemiejahr auch mit dieser Wahl gerechnet.
Julius und Patapoutian sind weder Virologen noch Impfstoffforscher, sie
haben kein Medikament gegen Covid entwickelt und auch keine Basis für
neuartige Vakzine geschaffen. Ihr Arbeitsfeld ist ein faszinierendes, in
diesen Zeiten aber randständig anmutendes in der medizinischen
Grundlagenforschung: die Sinnesphysiologie. Julius, der wie seine Frau
Holly Ingram an der [1][University of California] in San Francisco forscht,
ist ein Experte für jene Moleküle, die physikalische Reize wie Temperatur
oder Druck, etwa durch Berührung auf der Haut, in elektrische Signale
übersetzt, die vom Nervensystem ans Gehirn übertragen und ausgewertet
werden können.
Der 65-jährige US-Amerikaner entdeckte zum Beispiel den Rezeptor, der
Chilipulver auf Schleimhäuten brennen lässt und den Körper bei einer
Überdosis ordentlich schwitzen lässt – weil Chili das Temperaturempfinden
in die Irre führt. Eigentlich ist der zugehörige Rezeptor für das Erspüren
von Hitze verantwortlich. Menthol wiederum foppt das Nervensystem, indem es
Kälte vortäuscht, und so fand Julius auch einen Rezeptor für das
Kälteempfinden.
## Empfindungen auf der Haut entschlüsselt
Der elf Jahre jüngere Patapoutian dagegen wird für seine
molekularbiologischen Erkenntnisse zum mechanischen Empfinden der Haut und
auch der inneren Organe ausgezeichnet. Wie Julius hat der gebürtige
Libanese zahlreiche Strukturen auf der Oberfläche von Zellen gefunden, die
aus einer rein physikalischen Größe, dem Druck, elektrische Nervensignale
generieren.
Patapoutian, der als 19-Jähriger in die USA auswanderte, forscht nach einer
Vorzeigekarriere heute am [2][Scripps Research Institute] in La Jolla,
Kalifornien. Und obwohl sowohl die Arbeit von Patapoutian als auch jene von
Julius zur absoluten Grundlagenforschung zählen, haben die Erkenntnisse der
zwei Physiologen das Verständnis von Körperempfindungen wie Schmerz
grundlegend verändert. Jetzt muss nur die klinische Forschung noch darauf
aufbauen.
Beide Wissenschaftler können deshalb nicht völlig aus den Wolken gefallen
sein über die Auszeichnung aus Stockholm, sie haben zuletzt zahlreiche
Preise gewonnen. Julius erhielt 2020 zum Beispiel den [3][Breakthrough
Prize] in den Lebenswissenschaften, den auch die letztjährigen
Nobelpreisträgerinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier erhalten
hatten. Gemeinsam mit Patapoutian wurde Julius im vergangenen Jahr außerdem
mit dem [4][Kavli Prize] ausgezeichnet, auch den hatten Doudna und
Charpentier zuvor erhalten. Und trotzdem: Im zweiten Pandemiejahr hätten
viele mit einem anderen Preis gerechnet. Kathrin Zinkant
4 Oct 2021
## LINKS
DIR [1] https://www.universityofcalifornia.edu/
DIR [2] https://www.scripps.edu/
DIR [3] https://breakthroughprize.org/
DIR [4] https://kavliprize.org/
## AUTOREN
DIR Kathrin Zinkant
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