URI: 
       # taz.de -- Vorwürfe gegen Tschechiens Premier: Leben wie Babiš in Frankreich
       
       > Recherchen investigativer Journalisten zeigen, wie Tschechiens
       > Regierungschef mit Briefkastenfirmen ein Schloss bei Cannes erwarb. Nun
       > sind Wahlen.
       
   IMG Bild: Andrej Babis wirbt während seines Wahlkampfs für niedrige Steuern
       
       Prag taz | Wer plant, sich in den internationalen Jet-Set einzukaufen, mag
       hierfür kaum einen besseren Ort finden als das südfranzösische Mougins. Das
       20.000-Einwohner-Städtchen liegt knapp 10 Kilometer von Cannes entfernt,
       eingebettet in die letzten Ausläufer der maritimen Alpen [1][mit Blick auf
       die Côte d’Azur.] Bekannt ist Mougins vor allem als letzter Wohnsitz Pablo
       Picassos, aber auch für sein alljährliches Gastronomiefestival „Les etoiles
       de Mougins“.
       
       [2][Vor knapp zehn Jahren, 2012, eröffnete Tschechiens jetziger
       Regierungschef Andrej Babiš] hier sein Luxusrestaurant Paloma, das es
       innerhalb kurzer Zeit zu immerhin zwei Michelinsternen brachte. Dass die
       Sterne allein Andrej Babiš nicht reichen würden, sondern es noch mindestens
       ein Traumschloss dazu brauchte, verwundert in Tschechien kaum jemanden. Die
       Pandora Papers sorgen in dem Land für weniger Aufregung als anderswo,
       Offshore-Investitionen werden hier oftmals als Kavaliersdelikt
       wahrgenommen.
       
       [3][Recherchen eines internationalen Medienkonsortiums], die am
       Sonntagabend unter dem Namen Pandora Papers veröffentlicht wurden, legen
       offen, dass Andrej Babiš im Jahre 2009 insgesamt 15 Millionen Euro in
       Immobilien an der französischen Riviera investierte. Über drei
       verschachtelte Briefkastenfirmen, die von Strohmännern auf Steueroasen
       geleitet wurden, kaufte er demnach in dem malerischen Örtchen das Schloss
       Bigaud.
       
       Laut Kaufvertrag vom 25. September 2009 soll der Käufer, die monegassische
       Firma SCP Bigaud, die nur wenige Wochen zuvor gegründet worden sei, für das
       Chateau 14 Millionen Euro in bar gezahlt haben. Kurz habe die Firma ein
       Darlehen von 15 Millionen Euro von der Blakey Finance Ltd. mit Sitz auf den
       Britischen Jungferninseln erhalten.
       
       Dieses wiederum beruhte laut der Recherche auf einem Darlehensvertrag
       zwischen der Blakey Finance und einer Boyne Holding mit Sitz in Washington,
       zu der die monegassische SCP Bigaud gehört. Wie die Pandora Papers jetzt
       offenlegen, laufen sämtliche Verstrickungen aller drei Firmen aus Monaco,
       den Britischen Jungferninseln und Washington im mittelböhmischen Pruhonice
       zusammen: bei Andrej Babiš.
       
       Der vermutet, dass sich hinter den Pandora Papers eine internationale
       Kampagne gegen ihn verbirgt, die zum Ziel hat, die Wahlen zum tschechischen
       Abgeordnetenhaus zu beeinflussen, die am kommenden Freitag und Samstag
       stattfinden werden.
       
       „Eine Mafia“, wütete Babiš bei einer Wahlkampfdiskussion am Sonntagabend im
       tschechischen Fernsehen, kurz nachdem die Enthüllungen bekannt geworden
       waren.
       
       Den Einwand der Moderatorin, bei den Pandora Papers handele es sich um ein
       internationales Projekt, dessen Zeitpunkt der Veröffentlichung von 600
       Journalistinnen und Journalisten weltweit abgestimmt wurde, wischte er bei
       Seite. Eine „Mafia“ habe ihm schon seinerzeit einen Besuch in den USA
       verdorben, indem sie am Tag vor seiner Anreise Unwahrheiten über ihn in den
       Medien verbreiten ließ, sagte Babiš.
       
       ## Vorwürfe vom politischen Gegner
       
       Neben der Konspirationstheorie pocht Babiš auch auf die Tatsache, dass ihm
       durch die Enthüllungen der Pandora Papers keine illegalen Geschäfte
       nachgewiesen werden. Zwar habe er sich vor zwölf Jahren selbst Geld
       geliehen. Aber das Geld, so beharrt Babiš, war rechtmäßig versteuert.
       
       „Ich besitze keine Offshore-Aktien, ich besitze keine Immobilien in
       Frankreich. Ich habe das Geld von einer tschechischen Bank als Darlehen
       geschickt, es war versteuert und das Geld wurde zurückgezahlt, bevor ich in
       die Politik bin“, erklärte Babiš in einer Online-Debatte des tschechischen
       Webportals idnes, das ins Portofolio der Agrofert-Holding gehört, die
       Andrej Babiš nach der Wende aufgebaut hat.
       
       Bleibt die Frage: Wenn alles rechtens und versteuert war, warum regt sich
       der tschechische Regierungschef so auf?
       
       „Babiš lügt die Leute die ganze Zeit an“, schimpft Ivan Bartoš,
       Vorsitzender der konkurrierenden Piratenpartei, auf Facebook. Das Ganze
       riecht nach Geldwäsche, meint der 40-Jährige mit den Dreadlocks, der in
       diesen Wahlen als einer der schärfsten Konkurrenten Andrej Babiš und seiner
       ANO-Bewegung zählt. Zusammen mit der Bürgermeister-Partei Stan haben die
       Piraten ein Wahlbündnis gebildet, das sich vor allem das politische Ende
       von Babiš auf die Fahnen geschrieben hat.
       
       ## Babiš führt in den Umfragen
       
       Aktuellen Hochrechnungen zufolge könnten dieses Wahlbündnis Juniorpartner
       der Opposition werden. Mit einem Stimmanteil von 19,4 Prozent würde es auch
       in der geplanten Koalition mit einem weiteren Anti-Babiš-Bündnis namens
       Spolu (Zusammen) nicht auf die Regierungsbänke reichen. Spolu liegt in den
       Prognosen derzeit mit 20,9 Prozent auf dem zweiten Platz.
       
       Ganz vorne thront Andrej Babiš und seine ANO-Bewegung mit 25,2 Prozent.
       Potenzielle Koalitionspartner hat Babiš in der rechtspopulistischen SPD
       (10,1 Prozent) oder der neuen Law-and-Order-Partei Přísaha (Eid) des
       ehemaligen Elitepolizisten Robert Slachta.
       
       Selbst wenn die Ermittlungen, die die tschechische Antikorruptionseinheit
       jetzt aufgrund der Pandora Papers eingeleitet hat, im Sande verlaufen oder
       sich wie im Fall Storchennest zu verschleppen drohen, sind hier auch die
       USA und Frankreich auf dem Plan. Sollte in diesen Ländern nun gegen Babiš
       ermittelt werden, könnte sich seine Macht als Regierungschef empfindlich
       verringern.
       
       Das Luxusrestaurant Paloma zumindest hat Babiš schon vor zwei Jahren aus
       Mougins ins heimische Pruhonice verlegt, nachdem es in Frankreich
       Millionenverluste eingefahren hatte.
       
       4 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!489471/
   DIR [2] /250000-Menschen-auf-den-Strassen/!5638703
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pandora-datenleck-schattenfinanzplaetze-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexandra Mostyn
       
       ## TAGS
       
   DIR Briefkastenfirmen
   DIR Steuervermeidung
   DIR Tschechien
   DIR Andrej Babis
   DIR GNS
   DIR Panama Papers
   DIR Andrej Babis
   DIR Tschechien
   DIR Tschechien
   DIR Briefkastenfirmen
   DIR Cum-Ex-Geschäfte
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Experte über die Pandora Papers: „Wir brauchen ein europäisches FBI“
       
       Die Pandora Papers beleuchten einen weiteren Teil der Schattenfinanzwelt.
       Experte Christoph Trautvetter erklärt, welche Konsequenzen die Enthüllungen
       haben sollten.
       
   DIR Wahl in Tschechien: Noch lange nicht weg
       
       Der amtierende Regierungschef Andrej Babiš verliert die Wahl zum
       Abgeordnetenhaus. Trotzdem könnte er am Ende wieder Ministerpräsident
       werden.
       
   DIR Parlamentswahl in Tschechien: Babiš verliert wohl die Mehrheit
       
       In Tschechien hat Premier und Oligarch Andrej Babiš offenbar knapp die
       Mehrheit verloren. Der Wahlausgang bleibt äußerst spannend.
       
   DIR Parlamentswahl in Tschechien: Premier greift wieder nach dem Sieg
       
       Trotz Verstrickungen in Offshore-Geschäfte könnte Andrej Babiš erneut auf
       dem ersten Platz landen. Für eine Koalition stehen mehrere Parteien bereit.
       
   DIR „Pandora Papers“ zu Offshore-Geschäften: Legal und doch betrügerisch
       
       Die „Pandora Papers“ sind das größte Datenleck zu Offshore-Geschäften aller
       Zeiten. Sie bringen Politiker und Prominente in vielen Ländern in
       Erklärungsnot.
       
   DIR SPD-Kandidat und Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz und die Steuermillionen
       
       Das Finanzamt Hamburg ließ Forderungen in Millionenhöhe verjähren. Holt der
       Skandal den Ex-Bürgermeister noch ein?
       
   DIR Grüne in Baden-Württemberg: Steuermann im Shitstorm
       
       Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz führt ein
       Online-Hinweisportal für Steuervergehen ein. Dafür wird er im Netz wüst
       beschimpft.