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       # taz.de -- Mangelnde Diversity bei CDU und CSU: Der Club der weißen Männer
       
       > Auch nach 16 Jahren Merkel im Kanzleramt steckt die Union in alten
       > Strukturen fest. Es mangelt an Frauen, an migrantischen und jungen
       > Menschen.
       
   IMG Bild: Teile der CDU-Führungsriege: Merz, Ziemiak und Laschet in Berlin am 28. September
       
       [1][Armin Laschet] würde immer noch gerne Kanzler werden. Unbeirrbar auf
       dem Weg ins höchste politische Amt, setzt er sich auch hier noch der
       Schmach aus, statt würdevoll seinen Abschied zu nehmen. „Das war meine
       Chance, ich danke euch!“ In der CDU selbst will man Laschet längst nicht
       mehr, er hat sich entkanzlert, trotzdem hält man die Füße still, falls beim
       Sondieren das Unwahrscheinliche eintritt und man wider Erwarten doch an der
       Macht bleiben darf.
       
       Man hört Experten von allen Seiten, die erklären, was da falsch läuft bei
       der CDU, warum der Kandidat nicht der richtige Kandidat war, wie das
       Problem tief in die Programmatik und Visionslosigkeit der Partei reicht.
       Alles richtig, aber, was das Problem ist – viel banaler – es zeigt sich in
       der Körpersprache der CDU-Spitze, es zeigt sich in der Sprechweise, es
       zeigt sich im Personal: Die CDU hat im Jahr 2021 jenseits des
       Rückwärtsgangs nichts im Angebot. Im Rückwärtsgang mit Männern ist keine
       Zukunft zu machen.
       
       Ein Personal, bei dem die mächtigsten Strippenzieher – von der scheidenden
       Kanzlerin abgesehen – allesamt männlich sind. Keiner von ihnen stört sich
       an Fernsehbildern, auf denen nur Männer zusammenstehen. Die CDU hat keine
       Strategie, auch nur einer weiblichen oder migrantischen Stimme mehr
       Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen. Gleichzeitig beansprucht man bräsig:
       Wir sind eine Volkspartei. Nur, wer ist das Volk?
       
       Wenn ein CDU-Abgeordneter, nachdem er seinen Wahlkreis an eine SPD-Frau
       verliert, erst mal auf Twitter ranten muss gegen die Förderung und
       Sichtbarkeit von Frauen, dann kann er kein Vertreter einer Volkspartei
       sein. Sein Volk besteht wohl nur aus Männern. Wenn Jens Spahn kurz nach der
       Wahl erklärt, die Migrationspolitik habe im Wahlkampf keine Rolle gespielt,
       dann schließt er an die Debatten der Achtziger an, anstatt an die
       Gegenwart, in der das deutsche Volk schon viel diverser ist.
       
       Von der CDU kam in diesem Wahljahr kaum etwas, das die Großeltern nicht
       schon gehört hätten. Das kann man konservativ nennen oder aber
       gegenwartsfeindlich. Wenn öffentlich über die Zukunft der Partei diskutiert
       wird, reden etwa Markus Söder, Volker Bouffier oder Friedrich Merz. Wenn
       Jüngere einbezogen werden, darf [2][Tilman Kuban] ran, der bisweilen älter
       daherkommt, als all die alten Herren zusammen.
       
       Die CDU möchte Volkspartei sein, gibt sich aber mit einem [3][Frauenanteil]
       von 23% zufrieden. Bei Fragen nach Quoten kriegen CDUler Schnappatmung,
       denn gemessen am Frauenanteil innerhalb der CDU seien Frauen ja angemessen
       repräsentiert. Genau die richtige Antwort, wenn also in der CDU bald gar
       keine Frauen mehr sein sollten, wären auch null Prozent Frauen im Parlament
       in Ordnung. Sechzehn Jahre hat die CDU die Kanzlerin gestellt.
       
       Die Männer in der Partei scheinen darauf gewartet zu haben, bis sie wieder
       an der Reihe sind, statt sich den Feminismus auf die Fahnen zu schreiben
       und vom Erfolg einer Frau an ihrer Spitze zu profitieren. Frauen fehlen,
       Migranten fehlen. In der CDU ging man in diesem Wahlkampf davon aus, mit
       einem schwarzen Deutschen im Zukunftsteam sei das Thema Vielfalt abgehakt.
       Schließlich bemühte man sich redlich, noch eine weitere Gruppe des Volkes
       außen vor zu lassen: Die Jungen.
       
       Wolfgang Schäuble stellt sich in Fernsehinterviews gerne als autoritärer
       Vater und meint, wenn es um [4][Fridays for Future] geht, tue Widerstand
       der Jugend gut. Als ginge es nicht auch um sein Klima, als wären die
       Anliegen der Jugend nicht auch sein Problem. [5][Peter Altmaier saß in
       Talkshows meist hilflos einer hochmotivierten Luisa Neubauer] gegenüber und
       belächelte sie dennoch gerne von oben herab.
       
       Wir leben in einer Zeit, in der Medien durchlässiger geworden sind. Früher
       sprachen die Herren der CDU mit den Herren in den Chefredaktionen
       konservativer Zeitungen. Die Zeit dieser Deutungshoheit ist vorbei. Heute
       verschaffen sich progressive Kräfte ihre eigenen Öffentlichkeiten und
       gelangen aufgrund ihrer Relevanz auch in die klassischen Medien. Dort
       begegnet das Konservative dem Progressiven und das Konservative sieht dabei
       so alt aus, dass es kein Vertrauen für sich gewinnen kann.
       
       Auch Wählerinnen wissen, dass man progressive Kräfte nicht zurück in die
       Büchse der Pandora verbannen kann, wer bei Genderfragen nur mit polemischen
       Gehabe und Androhungen von Genderverboten reagieren kann, wird vielleicht
       Applaus ernten von einigen, aber sicher nicht genug, um eine Volkspartei zu
       sein. In der CDU vermittelt derzeit niemand den Eindruck, dass er sich
       ernsthaft mit den gesellschaftlichen Strömungen auseinandersetzt.
       
       ## Deutungshoheit passé
       
       Auch Söder, den manche sogar gerne als Kanzler der Herzen bezeichnen,
       verkörpert eher Machtduktus, als jemand, der Vertrauen in die inhaltliche
       Arbeit seiner Partei schafft. Der Machterhalt scheint das größte Interesse
       in der CDU zu sein, denn es war ja so angenehm zu regieren. Macht um der
       Macht willen, aber ohne den Anspruch durchzudeklinieren. Es ist ein
       gesellschaftlicher Fortschritt, wenn das für konservative Wähler nicht
       ausreicht, weil sie ernst genommen werden wollen.
       
       Die Wähler haben die CDU abgestraft, den Wandel treiben vor allem FDP und
       Grüne an. Die neue Stärke der Kleinen ist nur eins von vielen Ergebnissen,
       an denen sich ablesen lässt, dass die alten Mehrheiten nicht mehr zu haben
       sind, so wie auch die Welt von gestern nicht mehr. Die Gesellschaft und
       ihre Probleme haben sich ausdifferenziert, mit ihnen die
       Parteienlandschaft. Eine Partei, die vorwiegend Männer mit dem Duktus der
       Achtziger an die Spitze stellt, wird auf Dauer nur noch Klientelpartei sein
       können.
       
       Das neue Parlament wird in der ersten konstituierenden Sitzung seine
       Präsidentin wählen. Den neuen Abgeordneten sollte klar sein, dass eine
       Männerrepublik nicht akzeptabel ist im Jahr 2021. Und auch keine Männer,
       die um jeden Preis nach der Macht gieren, selbst dann noch, wenn die
       Bevölkerung sie nicht mehr will.
       
       6 Oct 2021
       
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