URI: 
       # taz.de -- „Kidical Mass“ in Bremen: Angst macht Kids radlos
       
       > Angelehnt an die „Critical Mass“ touren am Sonntag Kinder und Angehörige
       > mit dem Rad durch die Stadt. Ihr Wunsch: mehr Platz auf der Straße.
       
   IMG Bild: Zu dritt entspannt nebeneinander fahren: nicht nur für Kids eine Seltenheit
       
       Bremen taz | Sie sind weniger erfahren, eher mal unaufmerksam, und auch
       einfach kleiner: [1][Kinder haben es auf städtischen Straßen nicht leicht].
       Jan, sieben Jahre alt, wünscht sich deswegen eine Rennbahn für Fahrräder
       und Roller. „Vor unserem Haus, oder durch die ganze Stadt“, Hauptsache,
       ganz ohne Autos, damit man richtig schnell fahren kann. Denn ihn nervt es,
       wenn die Erwachsenen ihn im Straßenverkehr ständig dazu auffordern zu
       bremsen, langsam zu fahren, zu gucken.
       
       Seine Mutter Linda findet in deren unmittelbaren Nachbarschaft den Kirchweg
       „richtig schrecklich“. Dort endet deswegen auch der Bereich, in dem Jan
       allein fahren darf. „Es gibt keinen Zebrastreifen.“
       
       Jan kann nicht über die Autos drüberschauen. Daher stehe er quasi schon auf
       der Straße, wenn er diese regulär überqueren will. Auch der
       Buntentorsteinweg sei nicht besser, sagt Linda: „Der Radweg, wenn er denn
       dann überhaupt speziell Radweg ist und nicht einfach neben der Straßenbahn
       läuft, die man im Vorbeifahren fast anfassen kann, ist so schmal. Das finde
       ich auch mit den Kids zusammen heikel.“
       
       Kolja ist 12 Jahre alt, wohnt auch in der Neustadt und fährt jeden Tag mit
       dem Rad zur Freien Gemeinschaftsschule Bremen. Dafür geht es über den Deich
       zur Erdbeerbrücke und auf der anderen Seite bis nach Sebaldsbrück. „Am
       Deich ist es schön, aber am Ende des Wegs durch die Stadt wird es
       schwieriger“, sagt er. „Viele Autos sind nicht so rücksichtsvoll, wie ich
       mir das wünschen würde.“ Rund um den Bahnhof Sebaldsbrück komme er aufgrund
       der vielen Baustellen schlecht durch: „Manchmal muss ich auf der Straße
       fahren.“
       
       ## Der Abstand zur Straße ist oft zu knapp
       
       Und auf dem Rückweg fährt er auf der Erdbeerbrücke lieber auf dem Fußweg
       anstatt auf dem Radwegstreifen, der für beide Richtungen vorgesehen ist.
       „Sonst würde ich direkt neben den rasenden Autos fahren“, erklärt er. Ein
       Geländer oder mehr Abstand zur Straße sollten Radwege seiner Meinung nach
       haben.
       
       Eine „fiese Kante zur Straße“ habe auch die Wilhelm-Kaisen-Brücke, findet
       Sebastian Segebade. Er ist Teil der Gruppe Eltern, welche die diesjährige
       „Kidical Mass“ plant. An diesem Wochenende findet die Tour an 130 Orten
       statt und ist eingebettet in die europäische Mobilitätswoche. Neben der
       besagten Kante komme auf der Weserbrücke das Problem dazu, dass der Radweg
       in beide Richtungen befahrbar ist.
       
       Was einem als Erwachsener schon eng vorkommt, sei für Kinder fast
       unmöglich, sagt Segebade: „Kinder fahren immer Schlangenlinien.“ Er wisse
       zwar, dass er mit den Kleinen auch auf dem Fußweg fahren darf – „aber es
       geht doch darum, dass es den Raum zum Radfahren gibt“.
       
       Segebade ist Vater von drei Kindern. Die älteren sind fünf und sechs Jahre
       alt und schon selbstständig auf dem Rad unterwegs. „Die machen das gut“,
       findet er, „aber man hat immer das Gefühl, dass die im Straßenverkehr
       untergehen.“ Besonders schlimm findet er nach wie vor den Stern, „ja, auch
       nach dem Umbau noch“. Der Kreisel bleibe unübersichtlich. „Auch die Autos
       kapieren das nicht so richtig.“
       
       Einer seiner Wünsche für [2][künftige Radwege] ist daher ein ausreichender
       Abstand zur Straße. Oder eine bessere Abgrenzung – so wie sie Kolja
       fordert. Auch breiter sollten sie sein, etwa so wie aktuell in der
       Martinistraße. Hauptsache, die Planer*innen haben im Hinterkopf, dass
       auch Kinder und Jugendliche problemlos vorbeikommen.
       
       Denn aufs Radfahren zu verzichten, ist für Segebade keine Option. Trotz der
       Situationen, „in denen man sich als Eltern fragt: ‚Geht das gut‘?“
       Radfahren in der Stadt sei schließlich „auch Lebensqualität“. Umso blöder,
       wenn Radfahrenden immer wieder der Platz von Lieferdiensten oder Privat-Pkw
       gestohlen wird, wenn diese auf dem Radweg halten.
       
       ## Die Straße für sich haben
       
       Für die „Kidical Mass“ wird die Hälfte der Innenstadt abgesperrt, von der
       Neustadt bis Schwachhausen. Man wolle den Autofahrer*innen damit nicht
       auf die Füße treten, „aber mal die Augen öffnen“, sagt Segebade.
       
       Ein weiterer Grund für die Tour: Den Kindern zeigen, wie es ist, die Straße
       mal für sich zu haben. „Das ist ein Raum, der ihnen sonst verwehrt wird.
       Das führt vielleicht dazu, dass Straßenverkehr von den Kindern anders
       gedacht wird“, sagt Segebade. Und nicht mehr gegeben ist, dass Radfahrende
       auf enge Radwege gehören.
       
       Dass die Kids so denken, ist nicht programmiert. Denn viele Eltern
       [3][kutschieren den Nachwuchs] regelmäßig in die Kita oder zur Schule. Auch
       aus diesem Grund veranstaltet Jessica Mangels, Projektmanagerin bei der
       Klimaschutzagentur Energiekonsens, in der kommenden Woche eine Fortbildung
       für Erzieher*innen zum Thema „Klimafreundliche Mobilität im
       Kita-Alltag“. „Viele Eltern fahren ihre Kinder aus Sicherheitsgründen mit
       dem Auto zu Kita oder Schule, obwohl sie nur 300 Meter entfernt wohnen“,
       sagt Mangels. „Damit stellen sie letztlich selbst einen Teil der Gefahr
       dar, vor der sie ihre Kinder schützen möchten.“
       
       Kita-Mitarbeiter*innen könnten sich gegen diese Haltung oft nicht
       durchsetzen – die Folge sind nicht nur verstopfte Straßen und unnötige
       Abgase: „Die Kinder werden dann so sozialisiert und fahren später auch
       überall mit dem Auto hin.“ Den Erzieher*innen soll nun vermittelt
       werden, wie sie das Thema spielerisch mit den Kindern angehen und später
       auch die Eltern mit ins Boot holen können. „Wenn die Kinder überzeugt sind,
       werden das auch die Eltern schneller.“
       
       18 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Geplante-Demonstrationen-am-Wochenende/!5797401
   DIR [2] /Wahlkampf-in-Niedersachsen/!5799685
   DIR [3] /Schuelerinnen-blockieren-Elterntaxis/!5569275
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Götz
       
       ## TAGS
       
   DIR Critical Mass
   DIR Kinder
   DIR Verkehrswende
   DIR Straßenverkehr
   DIR Bremen
   DIR Fahrrad
   DIR Radverkehr
   DIR Verkehrswende
   DIR Grüne Berlin
   DIR Lastenrad
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kidical Mass in Berlin: Auch Kinder machen Masse
       
       Bei einem Aktionswochenende der „Kidical Mass“ werden wieder tausende
       radfahrende Kinder und ihre Eltern den Autoverkehr verdrängen.
       
   DIR Geplante Demonstrationen am Wochenende: Protest für sichere Schulwege
       
       Am Wochenende demonstrieren Bürger:innen für kinderfreundlichen
       Verkehr. Sie wollen Druck auf die künftige Bundesregierung ausüben.
       
   DIR Grüne Pläne für Stadtumbau in Berlin: „Mehr Bullerbü“ wagen
       
       Die grüne Spitzenkandidatin Jarasch stellt Visionen für den klima- und
       menschenfreundlichen Stadtumbau vor. Sie grenzt sich damit von der SPD ab.
       
   DIR Boom der Lastenräder in Deutschland: Revierkampf auf zwei Rädern
       
       Lastenräder sind gut für die Umwelt. Um sie noch zahlreicher auf die Straße
       zu bringen, muss die Infrastruktur massiv ausgebaut werden.