URI: 
       # taz.de -- Fraunhofer-Chef unter Beschuss: Lückenlose Aufklärung gefordert
       
       > Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer steht stark in der Kritik. Er
       > soll private und dienstliche Angelegenheiten vermischt haben.
       
   IMG Bild: Reimund Neugebauer bei der Eröffnung des Batterie-Innovations- und Technologie-Center 2020
       
       Er gilt als einer der mächtigsten Forschungsmanager Deutschlands: Der
       [1][Chemnitzer Ingenieur Reimund Neugebauer,] der seit zehn Jahren
       Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) ist. Die größte öffentliche
       Organisation für anwendungsorientierte Forschung mit 29.000 Beschäftigen in
       75 Instituten mit einem Jahresbudget von 2,8 Milliarden Euro ist bei den
       heißen Innovationsthemen ganz vorne dabei, etwa mit dem Bau der
       Forschungsfabrik [2][Batteriezellen in Münster] oder dem Betrieb des ersten
       Quantencomputers in Europa.
       
       Jetzt sind gegen Neugebauers Amtsgebaren massive Vorwürfe erhoben worden.
       Das Düsseldorfer Magazin Wirtschaftswoche berichtete, dass
       Kunstausstellungen der Ehefrau Neugebauers aus der Fraunhofer-Kasse
       finanziert worden seien. „Insider werfen Fraunhofer-Chef Reimund Neugebauer
       vor, private und dienstliche Angelegenheiten zu vermischen“, heißt es in
       dem Text. Ein „Skatfreund“ habe im Vorstand spektakulär Karriere gemacht,
       während andere Führungskräfte aus der Münchener Zentrale flüchteten. Kritik
       gab es auch an der mageren Gründungsbilanz der Institute oder der
       außergewöhnlichen Wiederwahl des 67-jährigen Neugebauers für weitere zwei
       Jahre, die kürzlich durch den Senat im Umlaufverfahren statt in regulärer
       Sitzung stattfand.
       
       Mit einer Kleinen Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas
       Sattelberger über „etwaige Ungereimtheiten bei Personalentscheidungen und
       -wechsel bei der Fraunhofer-Gesellschaft“ hat die Affäre auch die
       Bundesregierung erreicht. „Welche Schlussfolgerungen zieht die
       Bundesregierung aus den Abgängen dreier Technologie-/Marketing-
       beziehungsweise Geschäftsmodell-Vorstände in wenigen Jahren, und betrachtet
       sie Wechsel in dieser Frequenz als normal?“, lautet eine der zwölf Fragen.
       
       Eine weitere erkundigt sich nach dem „Stand der Einführung einer
       SAP-Software“ und ob „der aktuelle Rücktritt des Digital-/IT-Vorstands im
       Zusammenhang mit Ressourcenkonflikten bei dem laufenden SAP-Projekt“ stehe.
       Die Bundesregierung will bis zum 22. September antworten.
       
       „Die Affäre Neugebauer muss lückenlos aufgeklärt werden“, fordert
       Sattelberger. Er hoffe, dass der Fraunhofer-Chef das Seinige dazu beitragen
       werde, denn: „Amtsverständnis, Führungsstil und moralischer Kompass müssen
       für höchste Wissenschaftsmanager in diesem Lande über jeden Tadel erhaben
       sein“, so der FDP-Politiker.
       
       ## Nun gilt es, Reputationsschaden zu vermeiden
       
       Für [3][Kai Gehring, den forschungspolitischen Sprecher der
       Bundestags-Grünen], müssen „die im Raum stehenden Vorwürfe von Bevorzugung
       schnell aufgeklärt werden, um Reputationsschaden abzuwenden“. Den Hinweisen
       müsse unverzüglich nachgegangen werden. Die öffentliche Finanzierung der
       Wissenschaft fuße auf „dem gesellschaftlichen Vertrauen in die Einhaltung
       hoher Standards und Redlichkeit“, erklärte Gehring gegenüber der taz. „Dazu
       gehört auch ganz selbstverständlich, persönlichen Abhängigkeiten und
       Bevorzugungen vorzubeugen und mit wirksamen Compliance-Regeln und
       Meldeverfahren entgegenzuwirken.“
       
       Der Pressesprecher der Fraunhofer-Gesellschaft Janis Eitner verwahrte sich
       gegen die Aussagen des Magazins. „Diese tendenziöse Fraunhofer-kritische
       Berichterstattung basiert auf Fehldarstellungen und Herabsetzungen.“ So
       seien etwa die Kunstausstellungen der Präsidentengattin nicht zu
       beanstanden. „Das Engagement von Frau Dr. Neugebauer im Rahmen des
       „Netzwerks Wissenschaft, Kunst und Design“ der Fraunhofer-Gesellschaft
       umfasst die ehrenamtliche Schirmherrschaft desselben und geht auf
       Initiative und Bitte mehrerer Institutsleitender zurück“, erklärte Eitner
       auf Anfrage der taz.
       
       Auch die Gründungspolitik der FhG sei erfolgreich, was sich etwa in der
       Initiierung des „Fraunhofer Technology Transfer Fonds“ mit 60 Millionen
       Euro Unterstützungskapital zeige. Insgesamt seien in der Amtszeit
       Neugebauers 206 von insgesamt rund 500 Fraunhofer-Ausgründungen erfolgt.
       Auch die Wiederwahl habe als „ein transparenter Prozess innerhalb des
       Senats“ stattgefunden.
       
       Bei einfacher Gegenrede wird es offensichtlich nicht bleiben, deutet Eitner
       an: „Die im Artikel der Wirtschaftswoche zahlreich vorhandenen
       Fehldarstellungen prüfen wir derzeit sehr genau mit Hilfe unserer
       Medienanwälte und eruieren weitere potenzielle Schritte.“
       
       16 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Forderungen-an-naechste-Bundesregierung/!5795790
   DIR [2] /Forschungsfabrik-fuer-Autobatterien/!5759589
   DIR [3] /Gruenen-Politiker-zu-Wirtschaft-in-Schule/!5745059
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
       ## TAGS
       
   DIR Fraunhofer
   DIR Vorwürfe
   DIR Forschung
   DIR Veruntreuung
   DIR Fraunhofer
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Anja Karliczek
   DIR Wissenschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Forschung steigert Bruttoinlandsprodukt: Zweitausend Prozent Rendite
       
       Jeder Euro, den die Frauenhofer-Gesellschaft erhalte, steigere das
       Bruttoinlandsprodukt um rund 21 Euro. So der Fraunhofer-Chef. Doch stimmt
       das?
       
   DIR Forderungen an nächste Bundesregierung: Was die Wissenschaft erwartet
       
       Die großen Wissenschaftsorganisationen haben Forderungen an die neue
       Bundesregierung gestellt. Es geht nicht nur um Geld. Ein Überblick.
       
   DIR Forschungsfabrik für Autobatterien: Ohne Konzept und Kunden
       
       Die Industrie ist mit der Forschungsfabrik für Autobatterien von Ministerin
       Karliczek unzufrieden. Sie kritisiert: Die Anlage kommt viel zu spät.
       
   DIR Neue Frauenhofer-Institute in Berlin: Viel Geld für die Forschung
       
       Der Senat finanziert zwei neue Forschungsinstitute der
       Fraunhofer-Gesellschaft in Berlin: für innere Sicherheit und Impfstoffe.