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       # taz.de -- Übers Schenken im kolonialen Kontext: Ein wunder Punkt
       
       > Barazani.Box 5 ist ein Projekt des Bündnisses Decolonize Berlin. Es
       > befasst sich mit den Kämpfen um Rückgaben von Kunst aus deutscher
       > Kolonialzeit.
       
   IMG Bild: Kunst im Humboldt Forum vor der Eröffnung, ab 23. September dürfen alle rein
       
       Berlin taz | Wer kennt ihn nicht, den Kinderspruch: „Geschenkt ist
       geschenkt, wiederholen ist gestohlen!“ Aber was, wenn das Schenken nicht
       freiwillig geschah?
       
       Die [1][Stiftung Preußischer Kulturbesitz] (SPK), die Abertausende Objekte
       aus Ländern besitzt, die einst als Kolonien unter europäischer Kontrolle
       standen, hat die Frage lange nicht hören wollen. Aus ihrer Sicht
       verständlich, müsste sie ja sonst zugeben, dass nicht nur offenkundig
       geraubte Objekte wie die Benin-Bronzen illegitimer Besitz sind und
       zurückgegeben gehören. Sondern womöglich sehr viel mehr – zumindest, wenn
       man den Gedanken ernst nimmt, dass Geschenke ebenso wie Kauf- und
       Tauschbeziehungen auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung beruhen müssen.
       
       Auf diesem wunden Punkt reitet die virtuelle Ausstellung „Barazani.Box 5“
       anlässlich der [2][Eröffnung der Ethnologischen Sammlungen] erneut herum.
       Im allerneusten Kapitel von [3][Barazani.Berlin], dem künstlerischen
       Onlineprojekt des Bündnisses Decolonize Berlin, befassen sich die
       Humboldt-KritikerInnen anhand von vier Beispielen mit teils
       jahrzehntelangen Kämpfen um Rückgaben – und mit den Argumenten der SPK, die
       ihren „Kulturbesitz“ verteidigen will.
       
       Etwa den Thron Mandu Yenu aus Kamerun, der schon im alten Ethnologischen
       Museum in Dahlem ein „Prunkstück“ der Ausstellung war [4][(hier ein Bild
       des Throns in einem taz-Online-Beitrag)]. Offiziell hieß es immer, er sei
       ein „Geschenk von König Njoya von Bamum an den deutschen Kaiser Wilhelm
       II“. Doch was heißt Schenken im kolonialen Kontext?
       
       ## Der Thron in Kopie
       
       Die [5][Antwort der Ausstellungsmacher] ist klar: Von einem „Geschenk“ im
       freien Sinne kann keine Rede sein. Als Beleg dient unter anderem ein Foto
       von 1912, das Njoya auf seinem Thron zeigt, beziehungsweise einer Kopie
       davon – das Original war ja seit 1908 in Berlin. Rechts von ihm, einen Fuß
       lässig-frech auf den Thron gestellt, sitzt Kolonialkaufmann Rudolf
       Oldenburg, der mit dieser Haltung zeige, wie es um die wahren
       „Machtverhältnisse im kolonisierten Kamerun wirklich stand“, so der
       Ausstellungstext.
       
       Die thematisiert auch „Le throne“, ein 45-minütiger Film von 2019, in dem
       zahlreiche Stimmen aus dem heutigen Kamerun zu Wort kommen. Tenor: Selbst
       wenn der Thron formal ein „Geschenk“ gewesen sein mag, gehört er
       zurückgebracht.
       
       Dass es mit dem Schenken nicht so leicht ist, hat die SPK inzwischen auch
       erkannt. Im neuen Begleitheft zur Provinienzforschung heißt es über Njoya:
       „Wurde er unter Druck gesetzt? Wollte er vermeiden, Gesicht und Respekt zu
       verlieren? Die Gabe des Königs wirft Fragen auf, mit denen wir uns heute
       noch beschäftigen.“
       
       Den KritikerInnen ist das nicht genug. Es reiche nicht, „ein paar
       Rahmenprogramme zum Thema Dekolonisierung anzubieten und endlose
       Provinienzforschung zu betreiben“, so die Kurator*innen von
       Barazani.Box 5 zur taz. „An vielen Objekten klebt das Blut kolonialer
       Gewalt, viele Objekte haben eine einzigartige spirituelle Bedeutung für die
       Gesellschaften, denen sie gehören, und ihre Abwesenheit hinterlässt Schmerz
       und Traumata.“ Folgerichtig werden sie am Mittwoch vor dem Schloss für ihre
       Rückgabe demonstrieren.
       
       21 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.preussischer-kulturbesitz.de/
   DIR [2] https://www.humboldtforum.org/de/
   DIR [3] https://barazani.berlin/
   DIR [4] /Humboldt-Forum/!5797821
   DIR [5] https://barazani.berlin/box_5
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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