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       # taz.de -- Abstimmungen in Berlin: Wahl ohne Verlierer*innen
       
       > Die SPD gewinnt die Wahl, die Grünen legen zu, auch in den Bezirken. Die
       > Linke hält sich, die CDU auch. Doch gewinnen damit auch die Wähler*innen?
       
   IMG Bild: Was würde ihr Willy – ihr Vor-Vor-Vorgänger als Regierende Bürgermeisterin – wohl raten?
       
       Am Morgen nach den vielen Berlin-Wahlen stehen die Wähler*innen [1][vor
       einem fast einzigartigen Ergebnis]: Jede Partei kann einen Erfolg für sich
       verbuchen, keine muss ihn sich herbeireden. Und dass einzig die AfD kräftig
       an Rückhalt einbüßte, ist zweifellos ein Sieg für die Demokratie.
       
       Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat etwas geschafft, was vor
       einem Jahr unmöglich schien. Sie hat die SPD nach 2016 erneut zur stärksten
       Partei gemacht. Und auch wenn sie das intern ausgebene Ziel von 25 Prozent
       mit 21,4 Prozent verfehlte: Giffey wird ins Rote Rathaus einziehen.
       
       Die Spitzenkandidatin verdankt diesen Erfolg dem SPD-Boom im Bund, aber
       auch ihrem Wahlkampf, in dem sie die bisherigen Koalitionspartner Grüne und
       Linke angriff, deutlich rechts blinkte und die Erfolge der Arbeit von
       Michael Müller (SPD) als Regierendem Bürgermeister in guten Teilen schlicht
       ignorierte. Das muss man sich erst mal trauen.
       
       Die Grünen unter ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch können mit 18,9
       Prozent [2][einen deutlichen Stimmenzuwachs] verbuchen: 3,7 Prozentpunkte
       mehr sind eine deutliche Aussage der Wähler*innen. Die Grünen haben zudem
       in der Innenstadt die meisten Direktmandate für sich geholt und werden
       künftig wohl in fünf statt bisher zwei Bezirken die Bürgermeister*in
       stellen. Das ist ein klarer Erfolg, zumal die Spitzenkandidatin selbst am
       Ende vielen Wähler*innen weiter unbekannt war.
       
       Wie schwer wiegt da, dass Jarasch einen jahrelangen Vorsprung in den
       Umfragen verspielte, wonach die Grünen eigentlich stärkste Partei waren,
       selbst Anfang August noch? Die Antwort auf diese Frage wird die Atmosphäre
       in den anstehenden Koalitionsverhandlungen nicht unwesentlich beeinflussen.
       
       ## Linke und CDU trotzen dem Bundestrend
       
       Für CDU und Linke gilt, sie haben dem widrigen Bundestrend ihrer Parteien
       getrotzt. Die Union legte sogar leicht auf 18,1 Prozent zu, Klaus Lederer
       konnte für seine Linkspartei mit 14 Prozent den Verlust in Grenzen halten.
       Und die Linke hat es auch den beiden direkt gewonnenen Mandaten in
       Treptow-Köpenick und Lichtenberg zu verdanken, dass sie trotz des
       Scheiterns an der Fünfprozenthürde in voller Stärke in den Bundestag
       einzieht.
       
       Über die FDP kann man, wie vor der Wahl auch, angesichts von weiterhin 7
       Prozent am besten schweigen. Und dass die AfD mit nur mehr 8 Prozent ihr
       Ergebnis fast halbiert hat, werden sich alle anderen Parteien als Erfolg
       verbuchen.
       
       Nur, was heißt das nun? Sicher ist: Die SPD unter Franziska Giffey ist am
       Zug. Sie entscheidet letztlich, welche Koalition kommen wird. Und neben
       einer Fortsetzung von Rot-Rot-Grün sind mit ihr weitere Optionen vorhanden:
       Eine Deutschlandkoalition zusammen mit CDU und FDP wäre möglich, auch für
       ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP bestünde eine Mehrheit.
       
       Co-Parteichef Raed Saleh hat dann auch wie erwartet am Montagmorgen allen
       anderen Parteien im Parlament mit Ausnahme der AfD Sondierungsgespräche
       über die Bildung einer Koalition angeboten. Seine Partei wolle mögliche
       Schnittmengen mit Grünen, Linken, CDU und FDP ausloten, so Saleh – „wie es
       sich in einer Demokratie gehört.“
       
       ## Die SPD macht weiter Druck
       
       Damit setzt die SPD ihre Taktik fort, Druck auf die anderen Parteien
       auszuüben, um das Beste für sich herauszuholen. Das ist völlig legitim.
       Angesichts der Zugewinne insbesondere der Grünen in den Bezirken wie auch
       dem deutlichen Erfolg des Enteignen-Volksentscheids, den Giffey ablehnte,
       stellt sich allerdings die Frage nach dem – nach den Wahlen oft viel
       zitieren – „Willen der Wähler*innen“.
       
       Sofern man diesen aus dem Ergebnis aller Parteien herauslesen kann, besteht
       er in einem „Weiter so“, sprich in einer Fortsetzung der bisherigen
       rot-rot-grünen Koalition. Dafür müsste aber einerseits die SPD-Basis jetzt
       wiederum mächtig Druck auf die Parteiführung machen, denn der ganze
       Wahlkampf war ja explizit auf eine Abgrenzung von Grünen und Linken
       ausgerichtet. Und zweitens müssen die Grünen bald ihre „roten Linien“
       klären, sprich zu welchen Zugeständnissen sie eventuell bereit sind. Denn
       der Machtkampf zwischen Grünen und SPD ist noch lange nicht vorbei.
       
       27 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /SPD-gewinnt-Abgeordnetenhauswahl/!5803728
   DIR [2] /Gruenen-Spitzenkandidatin-zur-Wahl/!5803704
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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