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       # taz.de -- EU-Reaktionen auf die Bundestagswahl: Von der Leyen gratuliert nicht
       
       > Brüssel hält sich bedeckt, wenn es um die Ergebnisse der Bundestagswahlen
       > geht. Am meisten ziert sich die EU-Kommission.
       
   IMG Bild: Und was sagen die europäischen Parteien? Sie äußern sich entlang der Parteigrenzen
       
       Brüssel taz | Kein Schock, aber auch kein klares Ergebnis: Bei der
       Europäischen Union in Brüssel ist das Ergebnis der [1][Bundestagswahlen in
       Deutschland] ungewöhnlich verhalten aufgenommen worden. Es sei gut, dass
       die radikalen Parteien verloren haben und es eine Regierung der Mitte geben
       werde, hieß es in EU-Kreisen. Aber nun müssten sich die Parteien mit der
       Regierungsbildung beeilen, damit im größten EU-Land kein Vakuum entstehe
       und die Arbeit schnell weitergehen könne.
       
       Am meisten zierte sich die EU-Kommission. Die Behörde, die von der
       CDU-Politikerin Ursula von der Leyen geführt wird, wollte sich gar nicht
       äußern. Man kommentiere Wahlergebnisse grundsätzlich nicht, sagte eine
       Sprecherin dazu. Dabei scheut sich die Kommission sich sonst nicht so.
       Sobald ein Regierungschef gewählt wird, folgen öffentliche Glückwünsche.
       Doch dem [2][Wahlsieger Olaf Scholz] wollte von der Leyen dann doch noch
       nicht gratulieren.
       
       Ganz anders das Europaparlament. Dessen Präsident David Sassoli, ein
       Sozialist, beglückwünschte Scholz zum Wahlsieg. „Europa braucht einen
       starken und verlässlichen Partner in Berlin, damit wir unsere gemeinsame
       Arbeit für eine soziale und grüne Erholung fortsetzen können“, schrieb
       Sassoli auf Twitter. Allerdings müsse es nun schnell gehen: „Nach dieser
       historischen Krise gibt es keine Zeit zu verlieren“, so der Italiener mit
       Verweis auf Corona.
       
       Zu Eile drängt man auch im Rat, der Vertretung der 27 EU-Staaten. Das
       Gremium war in der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel immer mächtiger
       geworden; hier wird man die heimliche deutsche EU-Chefin ganz besonders
       vermissen. Doch beim nächsten EU-Gipfel Ende Oktober dürfte Merkel noch
       einmal dabei sein und sich feiern lassen. Ratspräsident Charles Michel
       hielt sich denn auch bedeckt – und schwieg zum deutschen Wahlergebnis.
       
       ## Klima soll nicht nur auf Wahlplakaten vorkommen
       
       Und was sagen die europäischen Parteien? Sie äußern sich – ziemlich
       erwartbar – entlang der Parteigrenzen. „In einem SPD-geführten
       Regierungsbündnis ergibt sich jetzt die Chance auf eine andere
       Europapolitik“, erklärte Jens Geier, der Chef der SPD-Europaabgeordneten.
       „Wir wollen eine ökosoziale Transformation, die Industrie braucht klare
       Vorgaben, wir werden uns daher für eine aktive europäische Industriepolitik
       einsetzen.“
       
       Die Grünen verlangen eine ehrgeizigere Klimapolitik. Das Klima dürfe jetzt
       nicht mehr nur auf Wahlplakaten vorkommen, sagte der Sprecher von
       Bündnis90/Die Grünen, Sven Giegold. Man habe mehr mit der SPD gemeinsam,
       könne sich aber auch eine gute Zusammenarbeit mit der FDP vorstellen, so
       Giegold. Als Beispiele nannte er die Digitalisierung, die Bürgerrechte und
       die Außenpolitik.
       
       „Europa hat im Wahlkampf so gut wie keine Rolle gespielt“, kritisierte
       Nicola Beer von der FDP. Diese Lücke wollten die Liberalen schließen, sagte
       sie – gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. „Jene,
       die eine französische Angst hinaufbeschwören gegenüber einer FDP in
       Regierungsverantwortung, denen sei versichert: Auf europäischer Ebene
       arbeiten FDP und Macrons Partei längst erfolgreich an einem Tisch, ein
       starkes Signal für ein liberales Europa.“
       
       Dennoch: Wenn etwa FDP-Chef Christian Lindner Deutschlands Finanzminister
       werden sollte – dieses Vorhaben hat er bereits im Vorfeld bekundet –, muss
       er sich auf einen frostigen Empfang einstellen. Und das nicht nur in Paris.
       
       Fast alle südeuropäischen Länder haben aufgrund der Finanzpolitik
       Vorbehalte gegen die FDP und hoffen auf die SPD in den entscheidenden
       Ministerien.
       
       Die Niederlande, Österreich und andere „frugale“, also sparsame Länder, die
       Politik ohne Verschuldung machen wollen, setzen dagegen auf CDU und FDP.
       Nicht nur in der Europapolitik, auch bei der Bewertung der Bundestagswahl
       sind die EU-Länder gespalten.
       
       27 Sep 2021
       
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