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       # taz.de -- Ausnahmezustand in Teilen Chiles: Militär gegen Mapuche
       
       > Chiles Präsident Piñera verhängt über Teile zweier Provinzen den
       > Notstand. Damit militarisiert er den Konflikt mit den protestierenden
       > Indigenen.
       
   IMG Bild: Mapuche-Protest in Chiles Hauptstadt Santiago am Sonntag, die Polizei setzt Tränengas ein
       
       Buenos Aires taz | Chiles Präsident Sebastián Piñera treibt die
       Militarisierung des [1][Konflikts mit dem Mapuchevolk] voran. Am Dienstag
       verhängte er den Ausnahmezustand über den Süden des Landes. Der erlaubt die
       Zusammenarbeit von Militär und Polizei sowie die Einschränkung der
       Versammlungsfreiheit in den Regionen Araucanía und Bío-Bío. Damit stellte
       der Präsident eine bereits Ende September verfügte Zusammenarbeit der
       beiden Sicherheitsorgane in der betroffenen Region auf eine neue
       Rechtsbasis.
       
       Der Ausnahmezustand gilt zunächst für fünfzehn Tage und kann um weitere
       fünfzehn Tage verlängert werden. Jeder weiteren Verlängerung muss der
       Kongress zustimmen. Gerade diese zeitlichen Beschränkungen lassen die
       Verschärfung des Konflikts in den kommenden Wochen befürchten.
       
       Seit Jahren fordern die Mapuche ihre Anerkennung als Volk und die Rückgabe
       ihrer angestammten Territorien. Neben friedlichen Demonstrationen,
       Landbesetzungen und Straßenblockaden werden Brandanschläge auf Scheunen und
       Ernten sowie Lkws für den Holztransport begangen. Immer wieder kommt es
       dabei zu Schusswechseln. Anfang Juli war ein Mapuche von einer
       Polizeieinheit erschossen worden. Nach Polizeiangaben war der 29-Jährige
       bei einem mutmaßlichen Anschlag ertappt worden.
       
       Doch statt den Konflikt zu benennen, bediente sich [2][Piñera] am Dienstag
       einer ganz anderen Begründung. „Der Ausnahmezustand dient dazu,
       Terrorismus, Drogenhandel und organisierte Kriminalität besser zu bekämpfen
       und ist in keinem Fall gegen ein Volk oder eine Gruppe friedlicher Bürger
       gerichtet“, so der Präsident. So sollen die Streitkräfte nur logistische,
       technologische und kommunikative Unterstützung leisten, Patrouillen
       durchführen sowie den Schutz von Polizeieinsätzen in den betroffenen
       Gebieten gewährleisten.
       
       ## Für die Autonomie der Völker
       
       Pikant ist, dass ihn der Präsident am 12. Oktober verhängte. Das Datum
       erinnert an die sogenannte Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492
       und ist in Chile als „Tag der Begegnung zwischen zwei Welten“ ein
       gesetzlicher Feiertag. Vergangenen Sonntag forderten rund 1.000 Mapuche bei
       einem „Aufmarsch für den Mapuche-Widerstand und die Autonomie der Völker“
       in der Hauptstadt Santiago ihre Anerkennung als Volk. Als die
       Protestierenden zum Präsidentenpalast ziehen wollten, kam es zu schweren
       Auseinandersetzungen mit den Polizeieinheiten. Dabei wurden eine 43-jährige
       Frau getötet und zahlreiche Personen verletzt.
       
       Mit rund 1,6 Millionen Angehörigen sind die Mapuche das größte indigene
       Volk des Andenstaates und stellen gut neun Prozent der rund 17,5 Millionen
       Chilenen. Sie sind in den zentralen und südlichen Regionen Bío-Bío,
       Araucanía und Los Ríos beheimatet. Ein Großteil lebt in der Hauptstadt. Sie
       sind keine homogene Gemeinschaft, die an einem Strang zieht. Vielen geht es
       jedoch um Selbstbestimmung und das Recht auf ihr Land. Sie berufen sich
       dabei auf die [3][Konvention 169] der Internationalen Arbeitsorganisation
       (ILO) über die Rechte indigener Völker, die Chile 2008 angenommen, aber bis
       heute nicht umgesetzt hat.
       
       Diese Konvention schreibt unter anderem die Achtung ihrer Bräuche fest,
       erkennt ihre Rechte auf „von alters her besiedeltes Land“ an und fordert
       „den wirksamen Schutz ihrer Eigentums- und Besitzrechte“. Staat und
       Regierung sowie die mit ihnen verflochtenen Unternehmen der Holz- und
       Zellulosewirtschaft beharren dagegen auf den bestehenden
       Besitzverhältnissen und dem Zugriff auf die natürlichen Ressourcen.
       
       13 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Protestaktionen-der-Mapuche/!5701989
   DIR [2] /Chiles-Gipfelabsagen/!5637656
   DIR [3] https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---normes/documents/normativeinstrument/wcms_c169_de.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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