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       # taz.de -- Juso-Vorstand zu Sondierungen in Berlin: „Die Ampel löst Abwehrreflexe aus“
       
       > Berlins SPD-Chefin Franziska Giffey müsse ihre Tendenz überdenken,
       > fordert Juso-Landesvorstand Sinem Taşan-Funke mit Blick auf die
       > Sondierungen.
       
   IMG Bild: Wollen sich näher kommen: Das Verhandlungsteam von FDP, SPD und Grüne am Montag
       
       taz: Frau Taşan-Funke, Ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat klar
       gemacht, dass sie eine Ampel-Koalition mit Grünen und der FDP will. In der
       Hälfte der Kreisverbände und auch bei den Jusos gibt es hingegen [1][eine
       Präferenz für Rot-Grün-Rot]. Ist Giffeys Festlegung, noch vor den
       Sondierungen mit Linken und Grünen, ein Affront gegen die Partei? 
       
       Sinem Taşan-Funke: Ich sehe es erstmal nicht als Affront, wenn Menschen
       unterschiedliche Positionen haben. Zudem hat ja der geschäftsführende
       Landesvorstand, also auch Franziska Giffey, ganz klar den Beschluss
       gefasst: Es wird ergebnisoffen sondiert.
       
       Sie glauben, dass Rot-Grün-Rot noch eine Chance hat? 
       
       Ja, ich glaube, diese Chance ist realistisch.
       
       Giffey müsste klein beigeben – nicht zuletzt auch gegenüber dem kleineren
       Koalitionspartner in spe, den Grünen – die auch Rot-Grün-Rot wollen. 
       
       Also, zunächst mal unabhängig davon, was die Grünen wollen: Der Beschluss
       aus dem geschäftsführenden Landesvorstand ist, wie gesagt, eindeutig
       neutral gehalten – beiden Koalitionsoptionen gegenüber. Und dann gibt es,
       das hat der Zuspruch für unseren [2][Weitermachen!-Aufruf für ein
       rot-rot-grünes Bündnis] gezeigt, ganz offensichtlich eine deutliche
       Sehnsucht in der SPD, bei dieser Koalition zu bleiben. Wir glauben daher,
       dass trotz der geäußerten Tendenz von Franziska Giffey nach der nächsten
       Sondierungsrunde das Pendel noch zugunsten von R2G ausschlagen kann. Das
       wäre kein Kleinbeigeben, sondern das, wofür Sondierungen da sind.
       
       Eine Entscheidung für Rot-Grün-Rot könnte Giffeys Position schwächen – und
       damit auch die Position der SPD in einer künftigen Koaltion. Eine Ampel
       hingegen würde die Spaltung zwischen den Lagern in der SPD befördern. Wie
       sehr schwächt dieser innerparteiliche Machtkampf die Partei? 
       
       Diese Gefahr sehe ich überhaupt nicht. Wir haben einen sehr geeinten
       Wahlkampf geführt. Dass man jetzt darum ringt, was der richtige Weg ist in
       den Sondierungen, das halte ich für völlig normal. Wir sind halt keine
       Top-Down-Partei wie die CDU. Ich habe aber in Gesprächen in den vergangenen
       Tagen auch noch niemanden bei uns getroffen, der Rot-Grün-Rot per se
       ablehnen würde. Die Ampel löst deutlich mehr Abwehrreflexe aus: Warum
       sollten wir auch ohne Not eine FDP mit ins Boot holen, obwohl wir mit
       Rot-Grün-Rot eine andere Option haben – mit der nicht nur die inhaltlichen
       Schnittmengen größer sind, sondern die zudem eine weit deutlichere Mehrheit
       bei der Wahl bekommen hat.
       
       Eine Ampel-Koalition hätte nur fünf Stimmen Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
       Das wäre kein ruhiges Regieren gegen eine starke linke Opposition und
       womöglich auch gegen GegnerInnen aus der Partei. 
       
       Es wäre vor allem nicht sinnvoll, auf der linken Seite eine Flanke
       aufzumachen. Warum sollte eine linke, sozialdemokratische Volkspartei eine
       linke Opposition gegen sich im Parlament ermöglichen? Wir sollten
       stattdessen mit linken Kräften gemeinsam regieren und die Stadt nach vorne
       bringen. Das wäre die bessere strategische Entscheidung für die Berliner
       SPD.
       
       Halten Sie es eigentlich für ein realistisches Szenario, dass Giffey auch
       nochmal mit CDU und FDP eine Deutschland-Koalition sondieren könnte, falls
       die Grünen bei ihrem „Nein“ zur Ampel bleiben? 
       
       Angesichts der breiten Unterstützung für den Weitermachen!-Aufruf, in dem
       wir die Koalition mit der CDU explizit ablehnen: Nein, ich halte das
       schlicht für unrealistisch.
       
       Die FDP hat bereits vor der Wahl „rote Linien“ für Koalitionsverhandlungen
       aufgemalt: Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz soll als „Hemmschuh“
       abgeschafft, der Milieuschutz „entschärft“ werden. Der Vergabemindestlohn
       von 12,50 Euro soll ausgesetzt werden. Das wird kompliziert? 
       
       Eine sozialdemokratische Partei kann nie daran beteiligt sein, Mindestlöhne
       zurückzunehmen. Das ist indiskutabel. Und wenn eine ganze Stadt gerade
       [3][mehrheitlich für Enteignungen großer Wohnungskonzerne gestimmt] hat,
       dann halte ich es für abwegig, eine Partei zu beteiligen, die Deregulierung
       auf dem Wohnungsmarkt befürwortet. [4][Zweckentfremdungsverbotsgesetz,
       Milieuschutz] – das sind wichtige mietenpolitische Instrumente. Die
       Abschaffungsphantasien lassen mich sehr stark daran zweifeln, dass die FDP
       ein Bündnispartner ist, mit dem man die Herausforderungen dieser Stadt
       angehen kann.
       
       11 Oct 2021
       
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