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       # taz.de -- Österreich nach dem Kurz-Rücktritt: Vom Außenminister zum Kanzler
       
       > Alexander Schallenberg ist zum neuen österreichischen Bundeskanzler
       > vereidigt worden. Er gilt als Hardliner in Migrationsfragen.
       
   IMG Bild: Der Neue: Alexander Schallenberg folgt Sebastian Kurz im österreichischen Kanzleramt
       
       Wien taz | „Selbstverständlich“ werde er mit Sebastian Kurz „sehr eng
       zusammenarbeiten“, sagte Alexander Schallenberg am Montag in seiner ersten
       Stellungnahme als österreichischer Bundeskanzler, wenige Minuten nach
       seiner Vereidigung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er sei
       davon überzeugt, dass die [1][Korruptionsvorwürfe gegen Kurz] falsch seien.
       
       So weit zu Spekulationen über eine eigenständige Linie im Kanzleramt. Das
       Regierungsprogramm werde „Schritt für Schritt“ umgesetzt – die „Gräben“
       müssten zugeschüttet werden. Vorher hat es schon ein Gespräch mit
       Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gegeben, das dieser als „konstruktiv“
       bezeichnete.
       
       Die vornehme Wortwahl und das leichte Näseln verraten die Abstammung aus
       einem tausend Jahre alten Adelshaus. Alexander Schallenberg, vor 52 Jahren
       als Sohn eines Botschafters in Bern geboren, kennt das diplomatische
       Geschäft seit der Wiege. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er zwischen
       Delhi, Madrid und Paris. Studiert hat er Jura und Europäisches Recht in
       Wien, Paris und Brügge. Als Leiter der Rechtsabteilung in der Ständigen
       Vertretung Österreichs bei der EU hat er in den Jahren 2000 bis 2005 auch
       selbst etwas in die Diplomatie hineingeschnuppert.
       
       Als Sebastian Kurz mit 27 Jahren zum Außenminister befördert wurde, gehörte
       Schallenberg zum Stab von Diplomaten, die die ersten Gehversuche des
       Jungpolitikers ohne Studienabschluss und außenpolitische Erfahrung zu
       begleiten hatten. Seither eint die beiden eine Freundschaft, wenn
       Schallenberg auch nicht zum engsten Zirkel des ehrgeizigen Ex-Kanzlers
       zählt.
       
       ## Berufung zum Außenminister nach Ibiza-Skandal
       
       Nach dem Platzen der ersten Regierung Kurz in der Folge des
       [2][Ibiza-Skandals] wurde Schallenberg ins Expertenkabinett von Brigitte
       Bierlein als Außenminister berufen. Er war der einzige Minister, der seinen
       Posten auch in die türkis-grüne Regierung Kurz II retten konnte.
       
       Mit dem Argument „Wenn ich im türkisen Team spiele, will ich auch dessen
       Dress tragen“ trat er der ÖVP bei und passte seine außenpolitischen
       Positionen der auf Flüchtlingsabwehr ausgerichteten Linie von Kurz an. Als
       nach dem [3][Brand im Flüchtlingslager Moria] auf Lesbos der Ruf nach der
       Aufnahme von Flüchtlingen immer lauter wurde, vergriff er sich im Ton:
       „Das Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein.“ Umstritten
       auch vergangenen Mai das Hissen der israelischen Flagge auf dem
       Außenministerium, als Israel und die palästinensische Hamas einander
       tagelang bekriegten.
       
       Wenige Tage bevor die Taliban in Kabul einmarschierten, bestellte er die
       afghanische Botschafterin Manizha Bakhtari ein, die es gewagt hatte, einen
       Abschiebestopp nach Afghanistan zu fordern. Schallenberg appellierte
       vielmehr an die islamistischen Extremisten, sich „zu mäßigen“ und an den
       Verhandlungstisch zurückzukommen.
       
       Innenpolitische Erfahrung fehlt dem vierfachen Vater. Die wird er jetzt
       sammeln können. Diplomatisches Geschick ist jedenfalls gefragt.
       
       11 Oct 2021
       
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   DIR Ralf Leonhard
       
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