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       # taz.de -- Migrationspolitik an EU-Außengrenze: Dänemark folgt Orbáns Vorbild
       
       > Kopenhagens sozialdemokratische Regierung liefert Litauen gefährlichen
       > Klingendraht für die Grenze zu Belarus. Auch sonst steht sie für strikte
       > Abschottung.
       
   IMG Bild: Grenzschützer an der Grenze Litauens zu Belarus, hier soll Klingendraht „helfen“
       
       Stockholm taz | Der Concertina-Klingendraht, auch Nato-Draht genannt, hat
       zu Widerhaken geformte scharfe Klingen. Er wurde speziell dafür geschaffen,
       dass für einen Körper, der sich darin verfängt, das Verletzungsrisiko mit
       jeder Bewegung steigt. Tiefe Schnittwunden sind die Folge. An der Grenze zu
       den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta sind Menschen an diesen
       Verletzungen verblutet. Dänemark hat diesen Klingendraht nun an Litauen
       geliefert, damit das Land seine Abschottungsmaßnahmen gegen
       [1][Asylsuchende an der Grenze zu Belarus] weiter perfektionieren kann.
       
       Es sei „auch in Dänemarks Interesse, diese Grenze zu schützen“, erklärte
       Dänemarks Migrationsminister Mattias Tesfaye vergangene Woche zur
       Begründung. Er war sogar persönlich nach Vilnius gereist, um der
       litauischen Innenministerin Agnė Bilotaitė diesen „rasierklingenscharfen
       Beitrag Dänemarks“ zur [2][litauischen Grenzsicherung] „quasi symbolisch
       persönlich zu überbringen“, wie die konservative Tageszeitung Berlingske
       Tidende kommentierte. Beide betonten dabei ihre Einigkeit darüber, dass die
       EU „physische externe Grenzen“ errichten müsse – und zwar an allen
       EU-Außengrenzen.
       
       Die sozialdemokratische Regierung habe „einen allgemeinen Wunsch, die
       Außengrenzen der EU zu stärken, und den spezifischen Wunsch, den Zustrom
       nach Dänemark in Form von Sekundärmigration aus anderen Mitgliedstaaten zu
       begrenzen“, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums von Tesfaye.
       Ausgerechnet der Sohn eines eritreischen Flüchtlings entwickelt sich
       derzeit zum flüchtlingspolitischen Hardliner in der sozialdemokratischen
       Regierung.
       
       Ihr dient nun Ungarns Viktor Orbán als Vorbild. Es sei falsch gewesen,
       Ungarn wegen des Grenzzauns zu kritisieren, den Orbán 2015 an der Grenze zu
       Serbien errichten ließ, erklärte der Migrationsminister: „Mauern sind ein
       Teil der Lösung.“
       
       ## Pushbacks sollen legal werden
       
       Die dänische Regierung sei „für starke Grenzen“ und werde deshalb anderen
       Ländern helfen, Mauern zu bauen. „Dänemark muss sich für Migration
       interessieren, bevor sie an der deutsch-dänischen Grenze steht“, sagte der
       Minister. „Die Verteidigung unseres Sozialstaats beginnt an den
       EU-Außengrenzen.“ Man werde auch die Türkei bei der Grenzsicherung
       unterstützen: „Die Dänen können darauf vertrauen, dass wir mit ihren
       Steuergeldern die äußeren Grenzen Europas stärken.“
       
       Neben dem Bau von Mauern möchte Dänemark auch „signifikante Änderungen des
       EU-Rechts“ beim Umgang mit Flüchtlingen erreichen. Im Zentrum steht dabei
       das Verbot von Pushback-Aktionen. Litauen und Polen haben solche teilweise
       [3][gewaltsamen Pushbacks] in den vergangenen Wochen an ihren Grenzen zu
       Belarus praktiziert und die EU aufgefordert, diese zu legalisieren. Die
       litauische Ministerin Bilotaitė kündigte eine entsprechende gemeinsame
       Initiative für die nächste InnenministerInnen-Konferenz der EU an und
       begrüßte, dafür auch „Dänemarks Verständnis und Unterstützung zu haben“.
       
       Die sozialdemokratische Regierung Dänemarks ist für ihre harsche
       Migrationspolitik bekannt. Zuletzt machte sie mit dem Plan einer
       [4][Arbeitspflicht für nichtwestliche Migrantinnen] oder von
       [5][Asylzentren in afrikanischen Ländern] auf sich aufmerksam.
       
       4 Oct 2021
       
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