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       # taz.de -- Gewerkschaftler zu Ampel-Koalition: „Bis zu 13 Stunden Arbeit möglich“
       
       > Rot-Grün-Gelb könnte die Regelungen zur Begrenzung der täglichen
       > Arbeitszeit aufweichen. Der Gewerkschaftler Guido Zeitler warnt vor
       > akuter Gesundheitsgefährdung.
       
   IMG Bild: Viele Beschäftigte im Gastgewerbe haben in der Coronakrise ihren Job verloren – und hatten keine Absicherung
       
       taz: Herr Zeitler, im Sondierungspapier ist die Rede von möglichen
       „Abweichungen von den bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes
       hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit“. Kann man Arbeitnehmer künftig
       dazu zwingen, 20 Stunden am Tag zu arbeiten? 
       
       Guido Zeitler: Nein, man hat ja immer noch die in der Europäischen
       Arbeitszeitrichtlinie festgehaltene Beschränkung der Arbeitszeit durch die
       Nachtruhe und die beträgt mindestens 11 Stunden. Aber damit könnte man
       künftig immer noch bis zu 13 Stunden am Tag arbeiten.
       
       Wenn sich an der Wochen- und Monatsarbeitszeit nichts ändert, könnte das
       doch manchen Arbeitnehmern sogar entgegenkommen. Dann arbeitet man in
       Vollzeit eben nur drei Tage die Woche statt fünf. 
       
       Das mag für Menschen, die jung sind, ja noch machbar sein. Aber irgendwann
       rächt sich das. Wir wissen aus der Arbeitsmedizin, dass tägliche lange
       Arbeitszeiten gesundheitsgefährdend sind und die Gefahr von Unfällen
       erhöhen. Das sind Belastungsspitzen, die nicht gut sind. Das zu
       systematisieren ist nicht der richtige Weg.
       
       Wenn es nicht die Arbeitnehmer sind, die von einer Aufweichung der
       Tageshöchstarbeitszeit profitieren, wer dann? 
       
       Zum Beispiel der Hotel- und Gaststättenverband. Deren Unternehmen haben je
       nach Geschäftsmodell einen unterschiedlichen Arbeitskraftbedarf. Es gibt
       etwa Veranstaltungen, bei denen Arbeitgeber erhöhten Personalbedarf in
       Spitzenzeiten haben. Diese Arbeitgeber würden von noch längeren
       Arbeitszeiten profitieren – zu Lasten der Beschäftigten.
       
       In welchen Branchen würde eine Ausweitung der Arbeitszeiten drohen, wenn
       die neue Bundesregierung ihre Pläne umsetzt? 
       
       In allen Bereichen – selbst in der Industrie. Da haben die Arbeitgeber
       natürlich auch ein Interesse daran, die Maschinenauslastung hochzuhalten.
       Aber erfahrungsgemäß sind es Dienstleistungsbereiche mit geringer
       Mitbestimmungsstruktur, wo man sich die größten Sorgen machen muss.
       Allerdings stand auch im letzten Koalitionsvertrag was zur Arbeitszeit, man
       sprach von „Experimentierräumen“, aber eine wirkliche Initiative gab es
       nicht.
       
       Wird das Thema dieses Mal auch unter den Tisch fallen? 
       
       Es gibt einen qualitativen Unterschied im Sondierungspapier. Da steht drin,
       dass Änderungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen erfolgen können. Da
       werden im Zweifel bestehende Arbeitszeitregelungen aus den Tarifverträgen
       unterlaufen. Wenn ich als Betriebsrat vor der Wahl stehe, ein
       gesundheitsschädigendes Arbeitszeitmodell mitzutragen, dafür womöglich
       einen Personalabbau von 20 Stellen zu verhindern – da weiß man doch, welche
       Kräfte da in den Betrieben wirken.
       
       Was halten Sie von der geplanten Erhöhung der Minijob-Grenze auf 520 Euro? 
       
       Das sehen wir kritisch. Im Gastgewerbe hatten wir vor Corona zwei Millionen
       Beschäftigte und Hunderttausende von ihnen hatten einen Minijob. All diese
       Menschen haben in der Coronakrise den Job verloren und keine Absicherung.
       Viele Minijobs dienen außerdem dazu, Schwarzarbeit zu legitimieren. Statt
       Minijobs noch lukrativer zu machen, sollten sie komplett
       sozialversicherungspflichtig sein. Und die Arbeitgeber sollten die Anteile
       für Arbeitnehmer übernehmen.
       
       19 Oct 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Wimalasena
       
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